Interview mit Bernharður Wilkinson - Deutsche Version

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Anne: Du musst wissen, dass die meisten unserer Leser normalerweise keine klassische Musik hören und sie nicht wissen, wer du bist. Könntest du dich also zuerst einmal vorstellen?

Benni: Mein Name ist Benni – oder Bernharður Wilkinson, wenn du formell sein willst – mein Vater ist Engländer, lebt noch, ist über 100, meine Mutter ist leider schon gestorben, aber sie stammt von den Färöern. Ich habe also einen britischen Vater und eine färöische Mutter. Ich wurde in England geboren und bin dort aufgewachsen, ging den üblichen Weg. Das heißt, ich sang als Chorknabe im Chor der Westminster Abbey, es hat also früh angefangen. Dann studierte ich Querflöte am Royal Northern College of Music in Manchester und mein erster Job als Flötist war mit dem isländischen Symphonieorchester. Ich habe fast 30 Jahre in Island gelebt, habe die erste Stimme im Orchester gespielt und schließlich wurde ich Assistenzdirigent – ich begann also in Island mit dem dirigieren. 2004 bin ich auf die Färöer gezogen. Das ist also eine sehr kurze Zusammenfassung von dem, was ich mache.

Anne: Spielst du auch noch ein anderes Instrument außer Querflöte?

Benni: Querflöte – Ich meine, ich kann ein bisschen was auf dem Klavier und ich kann Partituren lesen. Ich habe Kontrabass begonnen, aber man hat mir geraten, es lieber zu lassen [lacht].

Anne: Komponierst du auch selber?

Benni: Ich komponiere nicht. Ich habe keine Zeit, um zu komponieren.

Anne: Hast du bereits zuvor mit Rock- oder Metalbands zusammengearbeitet?

Benni: Ich habe in Island mit einigen zusammengearbeitet. Auch mit einer Metalband. Es war ein großer Erfolg in der neuen Konzerthalle dort, Harpa. Es war mit einer Band namens SKÁLMÖLD. Wir haben zwei Konzerte gespielt. Und sie waren beide sofort ausverkauft, so wie hier. Es gibt auch eine Liveaufnahme auf YouTube. Und ich habe auch andere Sachen mit anderen „Pop-Bands“, wie du sie nennen würdest, gemacht. Nicht so eine wilde Anordnung, könnte man sagen. Aber das habe ich gemacht. Das kann man auch auf YouTube sehen – mit einigen der bekanntesten Bands Islands. Es ist also nicht komplett neu für mich. Es ist vollkommen neu für mich hier auf den Färöern. Und für alle anderen auch. Ich glaube, sie haben bisher ein solches Konzert organisiert, bevor ich hierher kam. So vor 15, 16 Jahren.

Anne: Hast du damit gerechnet, dass die Konzerte so schnell ausverkauft sind?

Benni: Nein, habe ich nicht. Nein, es war überraschend, wie schnell es ging. Aber im Nachhinein betrachtet bin ich vielleicht doch nicht überrascht. Es ist interessant, klassische Musiker mit Rockmusikern oder Metalmusikern zu mischen.

interview bw 20200205 03Anne: So weit ich weiß, habt ihr nur anderthalb Wochen Zeit zum proben.

Benni: Nun, der Chor hat mehr geprobt, das Orchester ist bisher noch nicht zusammengekommen, das wird heute passieren. Ich stehe natürlich in enger Verbindung zu Heri [Joensen, Anm. d. Verf.], dem Bandleader und zum Arrangeur [Haraldur V. Sveinbjörnson, Anm. d. Verf.] bezüglich all der Musik, den Songs, wir klären ab, wer beginnt, wie es endet und all das. Dieses ganze Geschäft. Also ja, da sind viele Vorbereitungen im Gange, sicher.

Anne: Denkst du, dass das ausreichend Zeit ist?

Benni: Ob ich das denke? Es muss! Da gibt es keine andere Antwort [lacht].

Anne: Das stimmt.

Benni: Es ist als würde man ins Meer gehen. Du musst schwimmen – es gibt keine andere Möglichkeit.

Anne: Ich persönlich finde, dass es eigentlich gar nicht so viele Unterschiede zwischen Metal und klassischer Orchestermusik gibt, denn beide sind ziemlich heavy und auf ihre Weise episch. Was ist deine Meinung?

Benni: Ja, man kann natürlich einen großen, orchestralen Sound hinbekommen. Der Unterschied liegt darin, dass, wenn es einmal begonnen hat, es diese unbarmherzige Vorwärtsbewegung gibt. Das hat man in der klassischen Musik nicht so oft. Die rohen, minimalistischen Komponisten wie John Adams und Philip Glass und diese Leute, die haben in ihren Kompositionen einen ähnlichen Rhythmus, nur nicht so laut, aber sie nutzen konstante Rhythmen. Da gibt es eine Ähnlichkeit, denke ich.

Anne: Was ist deine persönliche Meinung zur Fusion von Klassischer Musik und Metal?

Benni: Warum nicht? Ich meine – ich bin offen für alles. Ich bin interessiert, wenn es eine Atmosphäre erschafft. Es ist ein bisschen wie die Frage nach dem Lieblingskomponisten. Oder dem Lieblingsessen – es ist zu verschiedenen Zeiten großartig.

Anne: War es schwer für dich, dich in das Material einzuarbeiten?

Benni: Einige Stücke sind schwieriger als andere. Es gibt einige Stücke, bei denen man sich sehr gut konzentrieren muss, um nicht aus dem Takt zu kommen, denn der Haupttakt ist die ganze Zeit der Offbeat und es ändert sich ständig. Und wenn man sich nicht auf dieses Tempo konzentriert, kann man leicht aus dem Takt kommen. Aber ich werde das schon schaffen [lacht].

Anne: Wie viel Raum hattest du bei der Ausarbeitung der Kompositionen und den Vorbereitungen für das Orchester? Wie viel Freiheit hat man dir gegeben?

Benni: Einige Stücke, die sie spielen, da könnte man, abgesehen von einigen Einleitungen und Intros, sagen, dass sie komplett orchestral sind. Aber wenn die Band einsetzt, z.B. bei „Ormurin Langi“, einem der bekannten Songs, den sie spielen werden, dann spielen sie im Prinzip das, was sie spielen und wir sind eine Art zusätzliches Element. Man hört dann auch noch was anderes durchkommen. Aber wenn die Band alleine spielen würde, würde man mehr oder weniger das hören, was man auch auf spotify hören würde.

Anne: Wie viel hast du dich im Vorhinein oder auch jetzt mit Heri und Haraldur V. Sveinbjörnson abgestimmt?

Benni: Ich fliege ziemlich oft nach Island, um das Isländische Symphonieorchester zu dirigieren. Und natürlich ist es sehr einfach Hally – Haraldur – zur treffen. Er hat auch alle SKÁLMÖLD-Arrangements gemacht und er weiß wie es geht. Natürlich musste ich ihm sagen, welche Instrumente wir haben und wie viele und wir hatten einen 80-Mann-Chor, aber wir mussten das auf 40 Sänger reduzieren, weil wir einfach den Platz nicht haben und wir haben auch nicht… 40 Handmikrofone und alles andere [lacht] – das ist viel. Und wie schon gesagt, der Platz. Wir mussten das also limitieren. Und was wir jetzt letztendlich machen ist, dass alle zu den Proben gehen, aber sie werden in Schichten auftreten – soweit ich weiß singen die einen freitagabends, die anderen die Samstagnachmittagshow und samstagsabends teilen sie die Show halb-halb auf. Das ist zumindest die Aussage, die wir vom Chor bekommen haben. Sie wollten alle dabei sein.

interview bw 20200205 05Anne: Ich weiß nicht, ob du die nächste Frage beantworten kannst, denn soweit ich weiß findet die erste Probe mit Band und Orchester heute statt…

Benni: Jetzt in drei oder vier Stunden.

Anne: …von daher weiß ich nicht, ob du das beantworten kannst, aber wie gut klappt die Zusammenarbeit mit der Band? Denn ich könnte mir vorstellen, dass es relativ schwer ist, eine Band und ein Orchester unter einen Hut zu bringen, denn das Orchester weiß, wie man mit einem Dirigenten spielt, während eine Band üblicherweise spielt ohne dass sie jemanden hat, der ihr sagt, was sie tun soll.

Benni: Wie schon gesagt, sobald der Drummer es verstanden hat, geht es. Es gibt nur sehr wenig Spielraum, da es sehr, sehr rhythmisch ist. Vor allem bei Metalbands. Extrem hart. Und ich bin der Meinung, dass solange wir auf der gleichen Wellenlänge liegen, ich hier kein Problem sehe. Das Hauptproblem in der ersten Probe wird sein, eine gute Balance zwischen Band und Orchester herzustellen, so dass das Orchester auch hören kann. Sie müssen Gehörschutz tragen, weil es sehr, sehr laut ist. Die Band hat in-ears, sozusagen, aber das Orchester hat das nicht, diese Dinger kosten ein Vermögen hier. Sie haben also Monitorboxen und sie müssen in der Lage sein, sich selbst zu hören und alles. Also der Hauptmix wird hier stattfinden und das wird seine Zeit brauchen. Es wird daher für die erste Stunde oder so Chaos herrschen. Ich weiß das. Von daher wird es mich nicht überraschen [lacht].

Anne: Also musst du hauptsächlich mit dem Schlagzeuger zusammenarbeiten?

Benni: Der Schlagzeuger ist hier die Schlüsselfigur. Er hat eine Art elektronisches Metronom im Ohr und ich werde das auch hören und wir haben abgesprochen, wer was wann wo macht. Ich kann dieses selber beginnen und wir gehen bis hierhin und so weiter. Wir haben uns zusammengesetzt und diese logistischen Probleme ausgearbeitet.

Anne: Ich kann mir vorstellen, dass das nicht so einfach ist, wie es klingt.

Benni: Oh nein, nein, nein, nein. Das ist nicht… Einige von den rhythmischen Sachen sind sehr komplex für das Orchester zu spielen. Sehr komplex. Wir haben alle Arten von Polyrhythmen und solche Sachen. Da ist nichts gegeben. Sie müssen sich sehr konzentrieren und werden proben müssen [lacht].

Anne: So weit ich weiß spielen einige Mitglieder des Färöischen Symphonieorchesters auch in Bands. Glaubst du, das ist gut, dass sie sich besser auf die Band einstellen können oder spielt das keine Rolle?

Benni: Natürlich wird es helfen, aber ich glaube, was viele von ihnen… Für einige nicht, aber für einige von Ihnen wird es das erste Mal sein, so zu spielen. Vor allem diese Art von Musik. Vielleicht spielen sie in Bands die sowas spielen wie „Yesterday“ von den BEATLES, oder sowas in der Art, weißt du, mit einem netten Refrain und solchen Sachen. Was sich etwas von dem hier unterscheidet. Es wird helfen, sich anzupassen und andere werden ihre Taufe bestehen müssen [lacht].

Anne: Du bist mehr oder weniger der Chef des Orchesters…

Benni: Ich bin der – könnte man sagen – demokratische Diktator.

Anne: Ja. Und die Band unterscheidet sich davon etwas. Sie sind etwas außen vor. Müssen sie auch auf das hören, was du sagst oder spielen sie und du passt dich daran an?

Benni: Nun, wie ich sage, ich betrachte dirigieren als – ich finde, ein Dirigent in einem wissenschaftlichen Experiment ist ein Katalysator. Und ein Katalysator ist etwas, das man einem Experiment zugibt, damit es geordnet abläuft. Es ist eine zusätzliche Zutat. Und ich sehe mich selbst eher als das denn als jemand, der rote Karten verteilt oder so. Das wird nicht passieren. Vor allem heutzutage nicht. Mein Job ist es, die verschiedenen Stücke zusammenzufügen und Wege der Zusammenarbeit zu finden, so dass es zusammen funktioniert. Also in etwa: “Wir werden versuchen zuzuhören und das zu machen und können wir dies tun?“ „Oh, ja, das ist eine gute Idee, lasst uns das machen:“ und dann fragen alle „Sollten wir das machen?“ „Nein, ich will es so!“ Und dann ist es mein Wort, das zählt. Also es ist eine Kombination.

interview bw 20200205 01Anne: Und das waren alle meine Fragen, leider. Denn es hat mir wirklich Spaß gemacht, mich mit dir zu unterhalten. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast!

Benni: Ich werde die Band um 15:00 Uhr treffen und dann werden wir alles durchgehen, Zeug vorbereiten und dann wird das Orchester um 18:00 Uhr hier sein – Ich denke, sie sind gelandet. Ich denke, hoffe das. Falls sie die Landebahn finden konnten. Nein, nein, ich denke es ist ok und es gibt ein paar logistische Probleme, die wir noch lösen müssen. Im Moment ist es das, dass der Chor mehr zu singen hat als wir dachten. Der Chor ist in 15, 16 Nummern zu hören und es ist unmöglich, alles auswendig zu lernen. Also brauchen sie Ständer. Und dann, wenn es Ständer gibt, können wir keine Stühle haben. Weil wir die Handmikrofone haben und sie müssen ja die Seiten umblättern. Du siehst also, es GIBT Probleme. Und wo soll die Harfe sitzen? Wo ist der Platz dafür? Und all solches Zeug. Und können sie mich sehen, wenn ich hier stehe? Das sind unterschiedliche Dinge mit unterschiedlichen Rätseln. Und wenn der Chor für jeden einen Ständer benötigt, dann sind das 40 Ständer. Nun, das Orchester hat Ständer und die Musikschule hat Ständer. Aber ob sie 40 zusätzliche Ständer haben? Wir werden es herausfinden.

Anne: Es wird irgendwie funktionieren.

Benni: Es wird irgendwie funktionieren.


Livefotos: Anne, Foto von Benni und mir: Andrea H.