Nightwish + Beast In Black (27.11.2018, Saarbrücken)

nightwish tourflyerAls die damals blutjungen Finnen vor fast auf den Tag genau 19 Jahren zum ersten Mal in der saarländischen Hauptstadt auftraten, konnte noch niemand ahnen, das sie einmal für die großen Hallen bestimmt sein werden. Doch mit jedem Album wurde die Position weiter ausgebaut und auch musikalisch erklomm man stets eine neue Stufe. Zum Glück für NIGHTWISH stellte sich der Erfolg auch ein, die heutige Opulenz ließe sich kaum mehr in einen kleinen Club bringen. Nun wird es Zeit zurück zu blicken, was die Truppe im letzten Jahr mit der Compilation "Decades" tat, welche nun auch der laufenden Tour ihren Namen gab. Diese führte sie auch in die Saarlandhalle, wo NECKBREAKER für Euch vor Ort war. Begleitet werden sie mal wieder von Landsleuten, BEAST IN BLACK sind ein Ableger von BATTLE BEAST, die auch schon für die Band eröffnet hat.

BEAST IN BLACK
Schon zwanzig Minuten vor dem offiziellen Beginn fiel der Startschuss für den Support, den erst so niemand mitbekommen hat. Die Textzeile aus dem Refrain von JUDAS PRIESTs "Night Crawler" gab der Combo den Namen, weswegen das Stück auch lauter als die Hintergrundbeschallung ausfiel, stilistisch fiel er jedenfalls nicht aus der Reihe. So dämmerte es den Anwesenden erst, dass es los ging, als Drummer Atte Palokangas hinter seinem Kit Platz nahm und gleich das Geschehen an sich riss. Mit dem neuen Mann hat man echt einen guten Fang gemacht, denn er entpuppte sich als echter Hingucker. Die Becken wurden sehr hoch gehangen, damit man ungehinderten Sichtkontakt hatte und die Schläge spektakulärer wirkten. Da ließ der bärtige Schlagwerker die Stöcke wunderbar kreisen, spielte viel mit ihnen, speziell bei den Zwischentakten, und schlug sich sogar mal gegen den Kopf.

Spaß hatten auch die anderen, die direkt im Anschluss auf die Bühne rannten und da eigentlich nie still standen. Am Engagement hat es nicht gelegen, dass die Jungs einen zwiespältigen Eindruck hinterließen. Bandgründer Anton Kabanen und sein Axtpartner, der frühere U.D.O.-Mann Kasperi Heikkinen waren permanent unterwegs und rotierten ständig mit Viersaiter Mate Molnar oder trafen sich zum gemeinsamen abrocken. Gerade bei der Rhythmusarbeit wurden auch die Mähnen geschwenkt, ein paar Posen obendrein erhöhten die Schauwerte.
Sehr agil war auch Sänger Yannis Papadopoulos, der oft noch auf den Drumriser kletterte, um dann sofort wieder runterzuspringen. Auch seine Gestik untermalte die Songs sehr gut, er zog alle Register, die Arme waren fast pausenlos in der Luft, wenn nicht das Mikro vor den Mund halten musste. Doch irgendwie nahm ich ihm das nicht ab, das wirkte alles zu gestellt, zu gekünstelt. Heavy Metal ist nunmal aggressive Musik und das konnte ich bei ihm nicht erkennen, all seine Bewegungen ließen den Biss vermissen, da half auch die mögliche Ausrede, dass die Jacke zu eng war wenig.

Irgendwie gab er trotz aller Bemühungen kein gutes Bild ab, auch sein Vortrag litt unter mangelnder Authenzität, selbstsicherer Frontmann geht anders. Viele Ansagen wurden wild heraus geschrien, damit lockt man ein paar Wacken-Gröler hinterm Ofen vor, aber mal echte Präsenz wäre besser gewesen. Vielleicht hatte er Probleme damit, gegen die massive Wand anzusingen, die vom DAT-Rekorder kam, denn teilweise glich das der Mini-Playbackshow. Kann man machen, nur sollte der Mischer beides ausgewogen zusammen bringen, doch oft stand Papadopoulus hinter den Chören zurück. Dazu legte man mächtig Hall auf die Backgroundchöre der beiden Sechssaiter, um die vielleicht etwas böser wirken zu lassen. Doch neben dem unnötig aufgeblasenen Ton fügten sich auch diese nie wirklich ins Gesamtbild ein.

Die beiden hatten aber auch so ihre Probleme mit den Einspielungen, denn hätten sie keine Solospots gehabt, man hätte meinen können, ihre Arbeitsgeräte wären gar nicht eingestöpselt. Wenn man schon so viele Tastenklänge in seine Songs packt, dann bringt man bitteschön einen Keyboarder mit, da sind die vielgescholtenen FREEDOM CALL um einiges ehrlicher. Doch damit nicht genug, es gab noch ein paar Dancefloor-kompatible Beats zu verarbeiten, die man von AMARANTHE her kennt. Vor allem bei "Crazy, Mad, Insane" fielen diese ins Gewicht und die Idee mit den Sonnebrillen bei der Saitenfraktion, über deren Gläser je ein Wort des Titels lief, war arg grenzwertig.
Das war insofern alles schade, denn bei homogener Abmischung könnten sich Nummern wie "Eternal Fire", "Blind And Frozen", die Halbballade "Born Again" oder der schnelle Rausschmeißer "End Of The World" als starke Tracks herausstellen. An griffigen Melodien mangelte es BEAST IN BLACK sicher nicht, weswegen sie auch viele Zuschauer auf ihre Seite ziehen konnten. Zumindest diejenigen, welche in der Lage waren über die Unwägbarkeiten hinweg zu sehen. Insofern ist das schon schade, denn eigentlich machte das durchaus Spaß, aber so offen mein Ohr für neue Einflüsse ist, manches an der Umsetzung ging für mich nicht.

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NIGHTWISH
Da direkt nach der Vorband der Vorhang fiel, konnte man nicht sehen, was dahinter veranstaltet wurde, deren Produktion war schon ansprechend, doch als der Blick wieder frei gegeben wurde, erwies sich die Bühne als riesig. Und der Platz sollte auch genutzt werden, die massive LED-Wand im Backdrop setzte sich auf den drei Risern fort. Zeit zum Staunen hatte man erstmal, das Intro von Troy Donnockley dauerte doch lange, am Ende der zwei Stunden wären mehr Songs drin gewesen. Als es dann endlich los ging wurden die Showeffekte bis zum Exzess ausgereizt, Pyros ballerten, die Flammen schossen wunderbar analog zu den symphonischen Klängen empor, dass die Betriebstemperatur sofort erreicht wurde.
Was die Fürsten des bombastischen Metal hier liefern sollten, war absolut vom Feinsten, das fing schon bei wunderbaren Landschaftsmotiven oder irren Animationen auf dem Screen an. Durch die Einbettung der Aufbauten in die Installationen schien es oft so, dass Keyboards und Schlagzeug angehoben werden würden, einmal hatte es den Effekt, dass das Drumkit in einen Korridor hineingezogen werden würde. Dazu unterlegten die Bilder auch perfekt die Geschichte hinter den Songs, lieferten streckenweise Textzeilen zum Mitsingen. An Licht wurde ebenso alles aufgefahren was möglich ist, gerade wenn die Bandmitglieder von Kegeln umspült wurden, ergab das eine wunderbare Atmosphäre.

Atmosphäre war natürlich bei den Liedern oft ein Thema, doch zu Beginn hagelte es erst einmal ein paar kernigere Nummern und Hits, um die Menge abzuholen. Man musste allerdings feststellen, dass die vielen optischen Reize die meisten doch sehr ablenkten, auch wenn der Applaus sehr mächtig ausfiel, standen die meisten während der Show eher staunend herum. Einige beklagten auch das Photoverbot, was mir persönlich entgegen kam, da befinden sich einige Acts auf einem guten Weg. Wenn die Hände nach oben gingen, dann fast nur zum Klatschen, ein paar mehr Fäuste oder Haarrotoren hätten es sein dürfen, doch das Publikum ist eben mittlerweile schon sehr im Mainstream angekommen.
Dabei zeigte vor allem Frontdame Floor Jansen sehr ausgiebig, wie man es denn richtig macht und bangte oft zu den metallischen Attacken ihrer Mitstreiter. Das schlacksige Energiebündel war ständig unterwegs und suchte den Kontakt zum Publikum, was aufgrund der Gerätschaften auf der Bühne erschwert wurde. Optisch konnte sie in Minikleid und hautenger Hose trotz des ganzen Drumherum immer noch heraus stechen und gesanglich brachte sie eine enorme Power mit und konnte vollauf überzeugen. Ob ruhige Passagen oder die fast opernhaften Melodiebögen, hier saß alles, wenn sie auch bei den kraftvollen Momenten ihre größten Stärken hat, sicher die Metal-affinste Person auf der Bühne.

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Doch so eine Frontfrau benötigt diese Band, die eben führt und das Ganze zu einem Rockhappening macht. Ihre Mitstreiter waren ja eher hinter ihren Instrumenten gebunden und die beiden Saitendehner stolzierten eher herum, was aber zur Erhabenheit der Kompositionen passte. Interessant zu sehen, wie die Sechs trotz der teilweise größeren Entfernungen auf der Bühne miteinander kommunizierten, die Band bot eine sehr geschlossene Leistung. Wenn dann Gitarrist Emppu Vuorinen zu Bandkopf Tuomas Holopainen herüber ging, um mit ihm die sensationelle Harmonie des ersten "Oceanborn"-Stückes anzustimmen, zeigte dass wie sehr sie sich bewusst sind, etwas Großes geschaffen zu haben.
Dass es der Tastenmann inmitten der ganzen Orchesterwucht, die er samplete, noch fertig brachte ein paar Synthesizersoli einzustreuen, zeigte wie ausgeklügelt seine Werke sind. Solieren durfte der Sechssaiter auch zu Genüge, dabei saß alles - ob schnelle Fingerübungen oder wunderschöne warme Töne. Teilweise wirkte Vuorinens Lächeln etwas gequält, körperlich schien er etwas angeschlagen zu sein, doch er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Hinter ihm auf dessen rechten Riser stand mit Troy Donockley noch eine tolle Unterstützung bei den doppelten Leads, es zeigt wie die Formation harmoniert, wenn solche neu arrangierten Parts funktionieren.

Der Brite erwies sich ohnehin als absoluter Multiinstrumentalist und hatte ein ganzes Arsenal um sich versammelt. Nicht nur Blasinstrumente wie Flöten oder Dudelsack, auch an Gitarre und Mandoline erwies er sich als Könner und fügte dem dichten Sound weitere Details hinzu. Selbst bei den Backgroundchören kam er zum Einsatz, eine weitere Facette der Klangkathedralen, die so perfekt eingebettet wurde. Größtenteils wurden die männlichen Vocals natürlich von Marco Hietala übernommen, wenn er auch dieses Mal keinen Solospot hatte. Dafür mimte er den coolen Rocker auf der linken Bühnenseite und packte einen schicken Doppelneck-Bass aus. Dazu half das sehr transparente Soundgewand, alles wunderbar in Szene zu setzen, jeder einzelne Ton war klar vernehmbar. Zusammen mit der kompletten Produktion war das eine traumhafte Erfahrung für alle Sinne, die Zuschauer könnten sich darin völlig verlieren.

Ein Programm für einen solchen Abend zu erstellen ist keine leichte Aufgabe, neben ein paar Pflichthits konnten NIGHTWISH aus den Vollen schöpfen, sogar ein Song der "Over The Hills And Far Away"-EP kam zum Einsatz. Der Verfasser dieser Zeilen kam aber erneut nicht in den Genuss von "Stargazers", obwohl sehr viel vom Frühwerk gespielt wurde. Von "Wishmaster" verzichtete man sogar auf den Titelsong, während es von "Dark Passion Play" gar nichts und von "Century Child" lediglich den Song gab, mit dem ich nie klar kam. "Amaranthe" war zu Beginn der Tour noch im Set, wurde von einem weiteren "Imaginearum"-Titel ersetzt, mir wäre da lieber weniger von "Once" gewesen.
Doch das sieht jeder anders und zeigt die vielen Facetten der Finnen, die den Mut hatten, den Mammuttrack ihres aktuellen Werkes fast komplett aufzuführen. Keine Diskussionen gab es bei der Umsetzung des Materials, die perfekt zwischen Power, Anspruch und Dramatik changierte. Gerade gegen Ende gab der Pyrotechniker richtig Gas, da blieb manchem öfter das Herz stehen, von oben regnend, von unten feuernd, oben brennend, die komplette Palette eben. So wurde der Gig zu einem Triumphzug, den die Anhänger entsprechend würdigten und am Ende mächtig Jubel aufbranden ließen. Nur bei den Shirtpreisen von vierzig Euro könnte man denen aber ein wenig entgegen kommen. (Pfälzer)

Setlist NIGHTWISH:
Dark Chest Of Wonders
I Wish I Had An Angel
10th Man Down
Come Cover Me
Gethsemane
Elán
Sacrament Of Wilderness
Dead Boys Poem
Elvenjig/Elvenpath
I Want My Tears Back
Last Ride Of The Day
The Kinslayer
The Carpenter
The Devil And The Deep Dark Ocean
Nemo
Slaying The Dreamer
Greatest Show On Earth Part 1-3
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Ghost Love Score

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