Konzerte im Ducsaal in Freudenburg sind seit Jahrzehnten außergewöhnlich und unvergleichbar; es ist als befinde man sich mit der Band oder dem Künstler im heimischen Wohnzimmer. Der alteigesessene Familienbetrieb um „Ducsaal-Manni“ (Manfred Weber) versteht es wie kein anderer, Weltklasse-Musiker und Bands fernab kommerzieller Intensionen dem Publikum so nah wie möglich zu bringen. Und das kann man nur, wenn man selbst der größte Musik-Fan ist und sich als Förderer am wohlsten fühlt. Stets merkt man ihm seine Musikleidenschaft an, wenn er in der DJ-Kabine auf der oberen Tribüne mit dem Publikum sein fundiertes Musikwissen teilt und ihnen interessante Fakten bevorstehender Konzerte näherbringt.
So läuft das seit den Achtzigerjahren in dem 1500-Einwohnerort, der direkt ans Saarland grenzt. Ich denke gerne an die unzähligen Nächte in eben jenem Ducsaal zurück. Hier feierte am Wochenende die Dorfjugend der näheren Umgebung und das heftig und lang. Die beste Zeit der Welt für uns, die keinen Bock auf die affektierten Discogesellschaft des Chic oder Dorian Gray hatten. Nein, wir soffen lieber auf hohem Niveau zu den Klängen von TOTO oder LED ZEPPELIN.
Unverändert bis heute ist die Tatsache, dass man sich an diesem besonderen Ort als Teil einer Familie fühlt und die Gewissheit hat, nicht abgezockt zu werden. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum Künstler wie DONOVAN, RICHIE HAVENS, JANE, NAZARETH, RANDY HANSEN, ANA POPOVIC, ANSLEY LISTER, DANA FUCHS, WISHBONE ASH und unzählige hochkarätige Künstler und Bands immer wieder den Weg zu diesem Ort finden.
Und gestern, am 04. Mai 2024 gab sich dann zum wiederholten Mal die legendäre deutsche Rock-Legende EPITAPH die Ehre, die man fast schon als Stammgast bezeichnen kann. Gegen 19:00 Uhr war ich wie gewohnt da, um in der zum Ducsaal zugehörigen Gaststätte „Webers Wirtshaus“ eines der besten Schnitzel weit und breit zu essen. Die Kneipe rappelvoll mit Einheimischen und Konzertbesuchern und mittendrin, wie beim Familienessen, die Jungs von EPITAPH, die sich ebenfalls für den kommenden Gig stärkten. Nach und nach trafen die überwiegend betagteren Fans jenseits der 50, allesamt offenkundig Musikexperten ein, erkennbar an den Band-T-Shirts von EPITAPH, WISHBONE ASH oder THE WHO. Alle hatten dabei beim Passieren ein paar nette Worte für die Band parat und wünschten ihnen einen guten Auftritt, wobei das Quartett sichtlich erfreut war und immer Zeit für eine kurze Unterhaltung fand.
Im Konzertsaal selbst hatten sich an diesem Abend nur ca. 100 Gäste versammelt, darunter auch einige aus der Heimatregion der Band. Ungewöhnlich gegenüber so manch andern anderen Konzertstätten ist auch die Tatsache, dass die Bedienungen extrem auf Zack, schnell und freundlich sind. Auch die Getränkepreise sind mehr als moderat und ich muss nicht aus einem beschissenen Plastikbecher trinken (mit Pfand). Im Ducsaal findet eine Verschmelzung mit den Musikern statt, indem man bis auf einen halben Meter an die Künstler und die Bühne herantreten kann und nicht durch dubiose Türsteher in „sogenannte Schranken“ gewiesen wird. Nein, im Ducsaal sind die Fans Teil des äußerst intimen Musikprogramms und das ist außergewöhnlich und einfach fantastisch.
Nun aber zu EPITAPH. Das Konzert beginnt pünktlich um 21:00 Uhr mit den bestens aufgelegten EPITAPH-Urgesteinen Cliff Jackson (Gesang/Gitarre), Bernd Kolbe (Gesang/Bass), Heinz Glass (Background/Gitarre) und dem neu eingestiegenen, deutlich jüngeren Drummer Carsten Steinkämper, die an diesem Abend ohne Keyboarder in klassischer Vierer-Besetzung antreten. Und die routinierten, bestens eingespielten Rocker machten dem Motto ihrer Tour alle Ehre: „Five Decades Of Classic Rock“ zeigen eine Band, die handgemachte, zeitlose Rockmusik, fette Riffs und satte Hooklines präsentieren und diesen wunderbaren „Gitarren-Twin-Sound“ zelebrieren, der ansonsten nur WISHBONE ASH in dieser Form gelingt.
Die 1969 gegründete Formation hat bereits in den 1970ern Musikgeschichte geschrieben. Als erste deutsche Band tourten sie mehrfach in den USA und produzierten in Chicago das Album „Outside The Law“ (1974). Sie können auf Fernsehauftritte im Beat Club und mehrfach im Rockpalast des WDR zurückblicken und tourten mit ganz Großen wie ZZ-TOP oder RORY GALLAGHER. Heute nach über fünfzig Jahren stehen sie immer noch auf der Bühne und man verspürt die intensive Leidenschaft, auch vor 100 Fans alles zu geben.
So wurde das Publikum an diesem Abend Zeitzeuge einer Reise durch bewegte fünfzig Jahre Bandgeschichte, erlebte moderne Hardrock-Songs wie das neuere, zeitgemäße und knüppelharte „Lost In America“, frühe Klassiker wie dem unwiderstehlichen, von Bernd Kolbe gesungenen „Woman“, mit der wunderbaren Slide-Begleitung von Heinz Glass im Duell mit dem kongenialen Cliff Jackson; ein fantastischer, alle Zeiten überdauernder harter Rocker. Der junge Drummer Carsten Steinkämper sorgt mit tierischer Härte für einen unglaublichen Groove und Vorwärtsdrive.
„Windy City“ vom 2019er Album „Long Ago Tomorrow“-Album swingt wie der Teufel; sau stark gesungen von Cliff Jackson. Agil und spielfreudig mit gewohnt geilen Gitarrensoli präsentieren sie „Bad Feeling“ vom 1980er Album „See You In Alaska“, sicher einer der memorabelsten Songs. Die Virtuosität an ihren Instrumenten zeigt das Quartett durchgängig, „Going To Chicago“ ist Bluesrock in reinster Form, da stört es auch keinen Menschen, dass weder Kolbe noch Jackson begnadete Sänger sind; das macht sie um so authentischer. Allein die zahlreichen Doppel-Leads und ausgedehnten Kompositionen adeln diese Band zurecht mit dem Prädikat „Legenden“. Blues-Feeling ist auch angesagt bei der Covernummer des JIMI HNEDRIX-Originals „Villanova Junction“. Ein irres Gitarrenintermezzo von Jackson und Glass aber hier vermisst man dann doch ein wenig die dominierende Hammondorgel.
Egal, über zwei Stunden sprühen die Jungs von EPITAPH vor Energie, beziehen das Publikum gekonnt in die Nummern ein. Bernd Kolbe, dem gefühlt 20 cm Bewegungsspielraum zur Verfügung stehen, scherzt über die Angst ins Schlagzeug zu fallen, was nicht schlimm sei, er aber befürchte, heutzutage nicht mehr aufstehen zu können. Und trotz aller Nostalgiegefühle präsentiert sich die Band frisch und vielfältig, eben „Five Decades Of Progressive Classic Rock At Its Best“.
Fazit: Ein beeindruckendes Konzert in einem wunderbaren Live-Club. Danke EPITAPH, dass ihr auch vor 100 Menschen einfach alles gebt, wenn es auch Tausende sein sollten. Aber seid euch gewiss; die Zuhörer an diesem Abend verstehen etwas von guter Rockmusik und wissen euren Auftritt sehr zu würdigen und danke Manfred Weber, dass dieser einzigartige Ort seit so langer Zeit existiert. (Bernd Eberlein)
(Fotos: Bernd)