Mit dem Erfolg wachsen auch die Ansprüche, daher wird der Druck bei den Saarländern nicht kleiner. Drei Jahre ließen sie sich für den achten Longplayer Zeit, was aber auch Corona-bedingt sein dürfte. Eine ausgemachte Liveformation wie POWERWOLF trifft der Wegfall von Konzerten natürlich hart, nach dem bislang letzten hat man Mühe gehabt, um aus Mexiko heimzukommen. Flucht nach vorne war noch immer eine gute Idee und so haben sie für den Oktober eine Reihe Wolfsnächte zum Release angekündigt. Produktionstechnisch wurde auch an den Stellschrauben gedreht, wie wirkt sich das auf "Call Of The Wild" aus?
Auf den ersten Blick recht wenig, denn nach ein paar Introtönen erhebt sich ein Chor und ab geht der Ritt mit Orgel und messerscharfen Riffs, der Titel "Faster Than The Flame" ist mehr als Programm. Chorarrangements nehmen kurz den Fuß vom Pedal, aufmerksame Beobachterhören da schon, dass dieses Stilmittel anders angewendet wurde. Sowohl die Orchestrationen wie auch die Chöre sind enger in die Songs eingebunden, unterstützen die Dynamik nicht mehr nur, sondern setzen selbst Akzente. Wo man oft ein Riff erwartet hätte kommt das Orchester aus den Tasten von Falk Maria Schlegel zu Zug, auf der anderen Seite sind normal als mehrstimmige Shouts konzipierte Gesänge auf Chorformat aufgebläht.
Im gleichen Galopp reitet "Beast Of Gévaudan" weiter, wenn auch die Strophe etwas getragener daher kommt und erst mit den Drums in Fahrt kommt. Hier macht sich ein Problem der neuen Herangehensweise bemerkbar, die Rhythmusgitarren werden zurück gefahren, den Drive erzeugen diesmal andere Elemente. Beim rhythmischen "Sermon Of Swords" hätte sich der Verfasser dieser Zeilen ein paar mehr Staccato gewünscht, die gut hinein gepasst hätten. Die Lieder werden dadurch kompakter, leider bleibt aber weniger hängen, weil die knappen Spielzeiten am Ohr vorbei rauschen. Dieses Manko versuchen POWERWOLF durch gewohntes Songwriting auszugleichen, was aber unterm Strich dort jeglicher Entwicklung den Raum nimmt.
"Varcolac" ist genau der Stampfer mir slawische angehauchten Chormelodien, den der Fan schon in "Werewolves Of Armenia" oder "Nightside Of Siberia" geliefert bekam. Ein Stück mit deutschen Lyrics und ein paar lateinischen gibt es auch, wobei in "Glaubenskraft" erstmals ernste Töne angeschlagen werden. Immer lustig geht eben heutzutage nicht mehr, aber mit dem fanfarenhaften "Undress To Confess" ist für Witz gesorgt. Schnelle Leads über der Orgel bringt der Titeltrack und mit "Blood On Blood (Faloadh)" führt man eine beim Vorgänger eingeführte Spielweise fort. Schon damals gab es bei "Incense & Iron" ein paar folkloristische Instrumente aus der Soundbibliothek und einen Folk Metal-Anstrich der ENSIFERUM-Kategorie.
Ebenfalls das erste Mal komponierte man auf "Sacrament Of Sin" mit "Where The Wild Wolves Have Gone" eine Ballade, die hier gleich eine Fortsetzung findet. Dabei ist "Alive Or Undead" ebenso vom Piano getragen, gibt sich vielleicht ein wenig theatralischer und hymnenhafter, kann aber im Refrain nicht ganz den weiten Raum füllen. Irgendwie fehlt an einigen Stellen der Zugang, die große Begeisterung, das ist zu viel Malen nach Zahlen. Auf dem letzten Dreher gab es diesen Achtzigertouch mit ein paar klebrigen Synthies, eigentlich ein Sakrileg, aber bei den Wölfen bricht man gerne so etwas. Den Schmiss geht ein wenig ab, und wenn dann geht man mit dem tanzbaren "Dance With The Dead" den Schritt noch ein wenig weiter, gerät aber ins Fahrwasser von Acts wie BATTLE BEAST.
Schwer zu sagen, woran es liegt, dass "Call Of The Wild" nicht so zündet wie der ganz große Teil des Backkataloges. Mit so einem außergewöhnlichen Stil wird es immer schwerer sich neu zu erfinden, ohne die angestammten Merkmale hinter sich zu lassen. Ob die Wahl dieses Mal mehr selbst zu machen und mit Joest VanDeBroek nur einen Co-Produzenten hinzu zu ziehen dabei nicht kontraproduktiv war, lässt sich schwer sagen. Die Umstände in der Pandemie dürften auch dazu beigetragen haben, die sich die Aufnahmen schwieriger gestalteten, gerade an den Phrasierungen von Attila Dorn hätte man feilen können. Spaß dürfte die Scheibe bei aller Kritik den Anhängern trotzdem machen, womöglich werden sich live ein paar Klassiker heraus bilden, die Gefahr für den Karriereknick sehe ich trotz der leichten Enttäuschung nicht. (Pfälzer)
"Wenn man wie ich POWERWOLF seit dem ersten Album größtenteils mit Begeisterung begleitet hat, dann tut dieses Album nach 15 Jahren einfach nur weh. Mindestens die Hälfte der Songs fallen in die Kategorie uninspirierte Scheiße. Ich finde, da darf man auch nichts mehr beschönigen oder nett umschreiben. Nein, nein, nein, "Varcolac", "Sermon Of Swords", "Reverent Of Rats", "Blood For Blood"...alles stinklangweilig. Wo ist der Humor der Band? Wo sind die Hymnen? Fast alles ist verloren gegangen bei dem Versuch mehr und mehr wie eine Kopie von SABATON zu klingen." (Maik)
Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 40:05 min
Label: Napalm Records
Veröffentlichungstermin: 16.07.2021
Bewertung: