Drei Jahre nach dem exzellenten Album "We Were Exploding Anyway" und einem darauf folgenden Soundtrack zu "Lautlos Im Weltraum" kommt endlich der nächste Silberling "Wild Light" von 65DAYSOFSTATIC in die Läden. Die anfänglich im instrumentalen Math-Rock/Postrock agierende Band entwickelte sich im Laufe der Zeit immer mehr in die elektronische Richtung. Gerade bei dem letzten Album rückte die Gitarre deutlich in den Hintergrund und schuf mehr Platz für Synthesizer und einen elektronischen Clubsound. Eigentlich gar nicht mehr so stark unsere Neckbreaker Kategorie. Dennoch ist "We Were Exploding Anyway" in meinen Augen ein wahres Meisterwerk. Eingängige, verträumte Sounds, die Postrockstruktur der Songs und die progressive Ader lassen einen in andere Sphären schweben. Die Messlatte für 65DAYSOFSTATIC liegt in meinen Augen enorm weit oben und es dürfte sehr schwierig sein an den Vorgänger anzuknüpfen. Daher ist meine Spannung bezüglich "Wild Light" und der weiteren Entwicklung der Engländer entsprechend hoch.
Ob die Briten mit "Wild Light" an den Erfolg des Vorgängers anschließen können? Um ehrlich zu sein, ich habe nach zig Durchläufen keine Ahnung. Nie war ich so zwiegespalten. Während ein Teil in mir diese Frage mit einem lauthalsen "Ja, Gott verdammt JA" beantworten will, ist ein anderer Teil von mir da deutlich zaghafter. Bei den ersten Durchläufen stellte sich bei mir eine große Enttäuschung ein und die Bewertung wäre sicherlich nicht ganz so berauschend ausgefallen. Mittlerweile packt mich das Album auf ganz üble Art und Weise und will mich zu Höchstwertungen animieren, wenn mir auch immer noch die ein oder andere Sache ein wenig aufstößt. Doch Schritt für Schritt, wo liegen die Schwächen und Stärken?
In "Wild Light" dominieren, wie bereits bei dem Vorgänger, elektronische Sounds und Gitarren sind meist im Hintergrund zu finden. Ob es sich dabei um eine Stärke oder Schwäche handelt muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich stehe der Sache eher neutral gegenüber, denn "We Were Exploding Anyway" konnte bereits unter Beweis stellen, dass die Briten fabelhafte Musik machen, ob mit elektronischer Dominanz oder eben nicht.
Ein Hauptproblem liegt im zeitlichen Aspekt. "Wild Light" kann in meinen Augen einfach nicht nebenher gehört werden. Es braucht die volle Aufmerksamkeit. Ein weiterer Punkt ist definitiv die Anlaufzeit. Zunächst plätscherte der Silberling bei mir ohne roten Faden, gar chaotisch, vor sich hin. Erst nach zig Durchläufen konnte der neuste Streich seine wahre Gewalt offenbaren. Auch der Wiedererkennungswert, bzw. die Einprägsamkeit sind keine Stärken des Albums. Für mich beginnt die Reise bei jedem Durchlauf des Albums aufs Neue und am Ende bleibt nichts davon hängen. Ohrwürmer sucht man vergeblich. Kann "Wild Light" diese Mankos überhaupt ausgleichen?
Oh ja! Und wie!!! Wenn die Anlaufzeit überstanden ist, offenbart sich ein Monster auf höchstem Niveau. Ich kann gar nicht recht in Worte fassen wie sehr mich 65DAYSOFSTATIC plötzlich flashen. Bereits der Ambientopener "Heat Death Infinity Splitter", der mit seinen warmen, langezogenen Klängen den Weg in eine 50 minütige verträumte Reise ebnet, trumpft mit Atmosphäre und Tiefgang auf. Zunächst stempelte ich diesen Track als unglaublich langweilig ab doch nach dem zündenden Erlebnis des Albums offenbart auch der Opener sein Fesselungsvermögen.
Die Scheibe steigert sich von nun an in eine immer größere Extase. Sei es der Folgetrack "Prism", der eine immer wahnsinnigere Soundwand aufbaut um einen letzlich wieder sanft auf den Boden der Realität zurück zu bringen, oder das mächtige "The Undertow", in welchem immer wieder Piano-Breaks für Gänsehaut sorgen um sich anschließend nur noch weiter in einem Klanggewitter über einen her zu machen.
Doch die Steigerung nimmt einfach kein Ende. "Blackspots", "Sleepwalk City" und "Taipei" sind endgültig der Tritt aus der Realität. Hier kommen die klassischen Rockinstrumente schon mehr zum Einsatz und bauen nur immer größere Soundwände auf, welche immer wieder in einem Post-Rock Gewitter explodieren. So langsam halte ich "Wild Light" einfach nicht mehr aus! Vollkommen im positiven Sinne. Ich fühle mich an der Hand genommen, durch die Tiefen des Weltalls gezogen und entdecke immer wieder schönere Bereiche. Man könnte schon fast Freudetränen vergießen, vor allem durch die immer wiederkehrenden Piano-Parts, die die exklusive Reise immer wieder kurzzeitig unterbrechen und einem Gelegenheit geben das bisherige zu verarbeiten. Nach der Berg- und Talfahrt durch "Unmake The Wild Light" wird man schließlich mit "The Passage" wieder sanft in der Realität abgesetzt.
Wie soll man ein solches Album bewerten? Es ist von Anfang bis Ende unglaublich komplex. Schwächen sind definitiv gegeben. Wenn man sich rein auf die musikalische Finesse beschränkt ist es definitiv seine 9 Punkte wert. Auch Intensität, bzw. Tiefgang, trumpft mit Höchstwertung auf. Dennoch ist es ein sehr spezielles Album und vermutlich eher den Leuten vorbehalten, die in Musik nur zu gerne viel Zeit investieren. Doch trotz aller genannten Kritikpunkte treibt mich die Tatsache, dass ich am Ende eines Durchlaufs immer wieder über beide Ohren grinsend und kopfschüttelnd auf meiner Couch sitze, dazu eine sehr hohe Bewertung abzugeben. Zu intensiv ist die Reise, die mich immer wieder komplett aus der Realität katapuliert als dass ich den Schwächen eine zu große Bedeutung beimessen könnte. (Sebastian)
Bewertung: 9 / 10
Anzahl der Songs: 8
Spielzeit: 50:19 min
Label: Superball Music
Veröffentlichungstermin: 13.09.2013