IRON LUNGS sind kompliziert. Es ist schwierig, diese Band zu mögen, aber andererseits ist es auch schwierig, diese Band nicht zu mögen. Entstanden ist sie aus einem Zusammenschluss von Leuten ganz unterschiedlicher musikalischer Herkunft, darunter Fríði Djurhuus, den man heute vor allem als Joe Shit von JOE & THE SHITBOYS kennt und Danny Baldurson, der mit seinen fast schon schnulzigen Popsongs bekannt geworden ist. Und so verworren diese Beschreibung klingt, so verworren klingt auch die Musik der Färinger.
Ja, es ist Metal, soviel kann man schon mal feststellen. Aber in welche Schublade steckt man das Kind denn nun? Denn hier hört man Elemente von Death Metal, Metalcore, Thrash Metal, Nu-Metal und hier und insgesamt ist es dann doch auch ziemlich progressiv. Und das alles am liebsten gleichzeitig, beziehungsweise im ständigen Wechsel. Dazu kommen noch ständige Tempowechsel und das macht das Werk des Fünfers dann doch oft ziemlich anstrengend und ist eher was für die Perverslinge unter den Musikfans.
Und als wäre es nicht schon schwer genug, unter diesen Voraussetzungen über das neue Album zu schreiben, so gibt es noch einen ganz anderen Grund, warum mir dieses Review schwer fällt. Denn Sänger Mikkjal G. Hansen, einer der besten färöischen Sänger und Frontmänner, ist im letzten Jahr gestorben. Es fühlt sich immer noch unwirklich an. Im Mai habe ich ihn noch live gesehen, im Juli zum letzten Mal so gesehen und im September war er dann plötzlich nicht mehr da. Damit ist „In Torment Triumphant“ wohl die letzte Aufnahme, auf der man Mikkjal (bekannt vor allem von Bands wie SIC und AMOKK, zuletzt auch MARRA), hören kann und somit etwas ganz besonderes. Aber es macht das Hören der Scheibe auf emotionaler Ebene nicht gerade einfacher.
Doch zurück zum Album selbst. Der Opener „Light Eater“ erinnert beim sanften Intro noch etwas an RAMMSTEINs „Puppe“, steigert sich allmählich und wird dann plötzlich extrem hart. Mikkjals Screams holen den Hörer direkt an der Haustür ab und führen ihn direkt in die Welt von IRON LUNGS. Herrlich melodische, harmonische Parts wechseln sich mit vertrackten und sperrigen Elementen ab. Und gegen Ende verändert sich das Gesicht des Songs dann noch einmal radikal. Mikkjal wird hier am Gesang von Jón Aldará (HAMFERÐ) unterstützt, oder besser gesagt ergänzt, denn die Mikkjals Screams und Jóns Growls greifen hier perfekt ineinander. Und da Gäste sich ja wohlfühlen sollen, klingt dieser Part auch musikalisch durchaus Hamferðesk.
„I Have No Mouth And I Must Scream“, das bereits 2019 als Single veröffentlicht wurde, klingt nicht nur vom Titel her vertrackt. Auch musikalisch geht es wieder in alle Richtungen. Beinahe driftet man sogar Richtung Post Metal ab. Der Gesang steht hier oft im Vordergrund und unterstreicht die abgehackten Melodien. Aber immer wieder geht es auch sehr melodisch und sanft zu, ja, es gibt sogar einen kurzen akustischen Part.
Mit Mikkjals unvergleichlichen Screams geht es bei „It Stalks Those Fields Of Crystal“ gleich in die Vollen, obwohl der Songs vom Tempo her eher ruhig bleibt. Hier findet man herrlich fiese, dunkle, doomige Parts, auch wieder sperrige Einschläge und dennoch liegt über allem der typische IRON-LUNGS-Groove. Mikkjal läuft zur Höchstform auf und zeigt, wie variabel seine Stimme ist. „Come Now Fire“ fällt auf dem Album etwas aus dem Rahmen, denn es ist der mit weitem Abstand kürzeste Song darauf. Auch musikalisch zeigt man sich zunächst von einer anderen, melodisch-sanften Seite, bevor es wieder ein paar sperrige Parts gibt. Aber insgesamt ist „Come Now Fire“ wohl der eingängigste und melodischste Song des Albums.
„Prometheus“ ist für mich der schwierigste Song des Albums. Man findet die bereits bekannten Wechsel zwischen Melodie und Härte, aber auf keinem Song klingt der Gesang so intensiv und schmerzerfüllt, bei keinem anderen sind Mikkjals Screams so fies. Und dann kommt dazu noch das plötzliche Ende. Instrumental hat man das Gefühl, dass der Song alles dafür tut, dass man ihn nicht mag. Extrem abgehackte Melodiefetzen fliegen dem Hören um die Ohren und der Gesang drückt auf die Seele. Und trotzdem ist es irgendwie gut.
„In Torment Triumphant“ ist ein spezielles Album und IRON LUNGS sind eine spezielle Band. Sowas muss man halt schon mögen. Wie es mit der Band nun überhaupt weiter geht, wer eventuell der neue Sänger wird, das steht noch in den Sternen. Nichtsdestotrotz ist es aber ein gutes Album von Musikern, die alle ihr Handwerk verstehen und denen es einfach egal ist, ob ihre Musik auch anderen gefällt und die wild die Stile mischen, wie sie ihnen gerade in die Hände fallen. IRON LUNGS sitzen zwischen allen Stühlen und bisher ist es wohl noch niemandem gelungen, eine wirklich passende Stilbeschreibung zu finden, obwohl es sogar Konstrukte wie Okkult Math-Artcore gibt. Keine wird der Band wirklich gerecht. Und das ist auch gut so, denn könnte man Eigenständigkeit besser beschreiben? Mein persönlicher Geschmack ist es nicht – aber das muss es ja auch gar nicht. (Anne)
Bewertung:
7,5 / 10
Anzahl der Songs: 5
Spielzeit: 32:45 min
Label: Tutl Records
Veröffentlichungstermin: 03.02.2022