Oh Mann, endlich bin ich mal wieder in der Garage. Zum letzten Mal war ich hier am 25.09.2020. Und dann fand durch Corona bedingt ja fast ein Jahr lang überhaupt gar nichts statt und dann nur spärlich und nicht immer für meinen Geschmack. Tatsächlich war ich auch fast 2 Jahre überhaupt nicht in Saarbrücken. Was soll man da auch (außer arm werden durch Parkgebühren), wenn es keine Konzerte gibt? Egal, jetzt bin ich endlich wieder da und es fühlt sich gut an, wieder die wohlbekannten Gemäuer der Garage zu betreten und an jeder Ecke Freunde und Bekannte zu treffen. Wie früher.
„Wie früher“ könnte auch das Motto dieses Konzertabends sein. BLIND GUARDIAN sind gekommen, um mit ihren Fans 30 Jahre „Somewhere Far Beyond“ zu feiern und eröffnen die zugehörige Tour in Saarbrücken. 30 Jahre! Kinder, sind wir alt geworden. Dieses Album könnte ja selber schon Kinder im schulpflichtigen Alter haben. Aber das macht ja nichts, denn „Somewhere Far Beyond“ sieht man das Alter ja nicht an. Nach wie vor ist es eines der besten BLIND-GUARDIAN-Alben (haben die überhaupt ein schlechtes?) und für unzählige Hits und Hymnen verantwortlich. Eine Vorband gibt es nicht, was ich auch gar nicht schlimm finde. Irgendwie würde, egal welche Band da spielte, diese das runde BLIND-GUARDIAN-Bild des Abends zerstören. Statt einer Vorband gibt es die Doku „30 Years Somewhere Far Beyond“, die eben nicht nur die Entstehungszeit des Albums abdeckt, sondern in der Gegenwart mit den zuletzt gespielten Shows im Juli 2022 endet. Das ist interessant und nett, aber mit knapp 40 Minuten echt zu lang, um es auf einer Liveveranstaltung zu zeigen. Zu Hause würde ich mir das ja gerne in Ruhe ansehen, aber auf dem Konzert? Zumal man, je nachdem, wo man steht, sowieso so gut wie nichts davon sieht. Mit der Zeit nervt es dann einfach.
Das sehen große Teile des Publikums wohl auch so. Als „Valhalla“ in der Doku ertönt, singen die Leute das einfach weiter und ignorieren die Doku, nach ca. 30 Minuten gibt es die ersten Pfiffe und „Aufhören!“-Rufe. Ich finde, für die Livevorführung hätte es auch eine fünfzehnminütige Zusammenfassung getan. Das hier ist einfach zu viel und macht die Leute missmutig. Dass man den Krefeldern aber so ziemlich alles verzeiht, zeigt sich, als die Band die Bühne betritt und von tosendem Applaus und Jubel empfangen wird.
Der erste Teil der Show bietet wenige Überraschungen, „Somewhere Far Beyond“ wird in seiner gesamten Länge durchgespielt. Beim Opener „Time What Is Time“ hapert es mit dem Sound, Hansi Kürsch ist kaum zu hören, aber zum Glück bessert sich das schnell deutlich. Der Sänger hat, wie in letzter Zeit öfter mal, wohl einen Clown gefrühstückt und zu Beginn bin ich mir nicht wirklich sicher, ob er sich über Saarbrücken lustig machen will oder ernsthaft begeistert ist. Auf jeden Fall würde ich mir wünschen, dass die Band auf jeder ihrer Touren in der Landeshauptstadt Station macht. Mit aller Gewalt versucht Hansi Kürsch, für jeden Song eine passende Einleitung zu finden. So trägt er selbst heute zum Ärgernis seiner Mitmusiker nicht seine eigentlichen, mehr metal-tauglichen, rein schwarzen „Bühnenschuhe“, sondern welche mit weißen Streifen (uh!). Das kann die Szenepolizei so natürlich nicht stehen lassen und Hansi muss zum Schämen ins „Black Chamber“. Und natürlich hat man es ganz und gar nicht leicht im „Theater Of Pain“. Wahrscheinlich sind da mittlerweile ohnehin alle Bandmitglieder drin. In dem Alter hat man ja so langsam Rücken, nicht?
Da man die Songs von „Somewhere Far Beyond“ in der gleichen Reihenfolge wie auf dem Album spielt, kommt einer der Songs, die sonst eher am Ende der Setlist stehen, heute schon ziemlich früh. Aber auch ohne die bereits feststehende Songreihenfolge wissen Fans der Band was kommt, wenn die Akustikgitarren ausgepackt werden. „The Bard’s Song – In The Forest“ lässt selbst Hansi Kürsch zur Bühnendeko verkommen, denn dieses Stück schafft das Publikum auch alleine – und das in beeindruckender Lautstärke. „The Bard’s Song“ ist ja eigentlich immer ein ganz besonderes Erlebnis, aber ich muss ja sagen: In Saarbrücken hat es nochmal deutlich mehr gerockt als z.B. vor anderthalb Monaten auf dem Dong. Respekt.
Respekt zollt auch Hansi Kürsch. Nachdem die „Pflicht“ (= „Somewhere Far Beyond“) abgefrühstückt ist und es an die „Kür“ geht, bedankt sich der Sänger ausgiebig bei der Garage und ihren Mitarbeitern für die tolle Behandlung, die sie vor Ort erfahren haben und fordert das Publikum auf, Clubs wie die Garage zu unterstützen – damit auch weiterhin Konzerte stattfinden können. Denn ohne die Clubs sind wir alle – Bands wie Publikum – nichts. Recht hat er.
In der „Kür“ gibt es dann ein paar Standard-Klassiker, ohne die BLIND GUARDIAN sich auf keine Bühne stellen müssen. Aber mit „Banish From Sanctuary“ vom 1989er Album “Follow The Blind” bringt man auch einen Song, den man nicht so häufig live hört. Da sowohl die Jubiläumstour als auch das neue Album der Krefelder dank Corona und anderer Umstände teilweise mehrfach verschoben werden mussten, haben sich BLIND GUARDIAN selbst in eine Promosackgasse manövriert. Genau heute erscheint das neue Album, das man ja eigentlich auch gerne vorstellen möchte. Aber die Leute haben ja bezahlt, um den alten Scheiß zu hören. Und darum gibt es heute auch nur einen einzigen Song vom neuen Album, nämlich „Violent Shadows“. (übrigens neben „Sacred Worlds“ der einzige heute gespielte Song, der nach 2000 erschienen ist). Das zugehörige Album musste ich mir natürlich im Anschluss gleich kaufen und höre es jetzt gerade, während ich diese Zeilen schreibe. Die Band hat sich übrigens nicht lumpen lassen (oder hatte Langeweile im schönen Saarbrücken) und hat sämtliche an diesem Abend verkauften Alben vorab signiert.
So langsam gehen Hansi Kürsch die Ansagen aus, aber das macht nichts, die Musik spricht für sich. Es ist wirklich beeindruckend, welche Qualität diese Band über die Jahre abgeliefert hat und dass sie selbst mit einem Set, das (fast) nur aus alten Songs besteht, so begeistern kann. Gegen Ende wird es auch nochmal richtig gut, denn das bisher ignorierte Überalbum „Imaginations From The Other Side“ wird mit gleich zwei Songs bedacht. Und gäbe es ein besseres Stück als „And The Story Ends“, um einen Auftritt zu beenden?
Aber es ist ja noch gar nicht zu Ende. Zum einen wollen die Zuschauer die Band so auf keinen Fall wieder gehen lassen, zum anderen fehlen ja noch zwei weitere Nummern, ohne die zu spielen die Band niemals die Bühne verlässt. Zu diesen beiden gibt es zunächst noch „Sacred Worlds“ und dann bin ich verwirrt. Wieso man zuerst „Valhalla“ und dann erst „Mirror, Mirror“ spielt, erschließt sich mir nicht. Zumal ja „Valhalla“ auch immer so ein typischer Schlusssong ist, den man auch prima dazu nutzen kann, dass das Publikum sich noch minutenlang mit sich selbst beschäftigen kann. Da kann man schon mal duschen gehen, und die Leute singen immer noch. Auch Hansi behauptet vorher großspurig, es liege ja in der Hand des Publikums, wie lange der Song dauert, bricht dann aber doch frühzeitig ab. Also, guter Mann, so lassen sich keine neuen Rekorde aufstellen!
Nichtsdestotrotz haben BLIND GUARDIAN geliefert. Die Band hat wieder einmal ihre überragende Klasse bewiesen und ich glaube, im Publikum haben sich so einige wieder um 30 Jahre jünger gefühlt. Was waren das für Zeiten, als die „Somewhere Far Beyond“ rauskam! Es war so schön, beinahe magisch, sich noch einmal für ein paar Stunden in diese Zeit zurückzuversetzen und noch einmal diese alten, zum Teil selten gespielten Songs zu hören. Danke, BLIND GUARDIAN!
Nicht danken möchte ich den Menschen, die meinen, sie haben das Recht, sich unter Einsatz ihres puren Körpergewichtes einfach durchs Publikum walzen zu können. Niemand mag euch! Gebt den Leuten halt mal zwei Sekunden Zeit, zur Seite zu gehen. Hölle. Wie auch immer, ich hoffe, dass BLIND GUARDIAN jetzt ganz bald mit der nächsten Tour zum neuen Album um die Ecke kommen und dann auch wieder in Saarbrücken Station machen. Ich wäre dabei!. (Anne)
Setlist BLIND GUARDIAN:
Time What Is Time
Journey Through The Dark
Black Chamber
Theatre Of Pain
The Quest For Tanelorn
Ashes To Ashes
The Bard's Song - In The Forest
The Bard's Song - The Hobbit
The Piper's Calling
Somewhere Far Beyond
Lord Of The Rings
Nightfall
Banish From Sanctuary
Violent Shadows
Born In A Mourning Hall
Time Stands Still (At The Iron Hill)
And The Story Ends
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Sacred Worlds
Valhalla
Mirror Mirror
Fotos: Klaus
Blind Guardian (Fotos: Klaus)