BLIND GUARDIAN sind eine echte Konsensband. Egal, ob Kuttenträger, Schwarzheimer oder Normalo. Zu „The Bard’s Song (In The Forest)" und “Valhalla” singt live jeder mit. Doch irgendwie hat meine Begeisterung für die Krefelder seit ihrem 2006er Album „A Twist In The Myth“ deutlich nachgelassen. Zu progressiv und verkopft wirkte das, was die Band da auf die Fangemeinde losließ. Beim 2010 veröffentlichten „At The Edge Of Time“ konnte mich dann nur „Sacred Worlds“ so richtig begeistern. Für den Nachfolger ließen sich BLIND GUARDIAN viel Zeit. Das 2015 veröffentlichte zehnte Album „Beyond The Red Mirror“ gefiel mir anfangs richtig gut. Doch leider nutzte sich das Ganze recht schnell ab. Jetzt verstaubt die Scheibe in irgendeiner Ecke. Das 2019 veröffentlichte Orchesterwerk „Twilight Orchestra: Legacy Of The Dark Lands“ an dem die Gruppe seit 1996 gearbeitet hatte, und welches so etwas wie ihr Opus Magnus sein soll, finde ich dermaßen langweilig, dass ich es mir auch drei Jahre später nicht bis zum Ende angehört habe.
Wie bereits erwähnt, meine Begeisterung für BLIND GUARDIAN ließ immer mehr nach. Irgendwie hatte man das Gefühl, dass die Musiker ihre Songs wie folgt schreiben: Gitarrist und Hauptsongwriter André Olbrich kommt mit einer Melodie an, danach denkt sich Sänger Hansi Kürsch eine Gesangslinie und einen Text aus, dann packt man gefühlt dreißig Gitarrenspuren von Olbrich und Marcus Siepen übereinander, fügt rund fünfzig Gesangsspuren von Kürsch hinzu, packt die Schlagzeugspuren von Frederik Ehmke und den Bass von welchem Session Musiker auch immer dazu und ballert das Endergebnis dann bis zur Schmerzgrenze mit Chören zu. Fertig ist das nächste Album.
Um es kurz zu machen, alles was nach „Imaginations From The Other Side“ (1995) kam, war zwar technisch und musikalisch über jeden Zweifel erhaben, wirkte aber hoffnungslos überfrachtet und völlig überproduziert. Nun sind seit dem letzten Album „Beyond The Red Mirror“ ganze sieben Jahre ins Land gegangen. Ja, vor drei Jahren erschien „Twilight Orchestra: Legacy Of The Dark Lands“, aber das Album ist keine offizielle BLIND GUARDIAN-Veröffentlichung. Schließlich erschien es unter dem Namen BLIND GUARDIAN TWILIGHT ORCHESTRA.
Da darf man sich schon fragen, ob die Nordhein-Westfalen es mit ihrem elften Album besser machen. Die Antwort liefert das am 02.09. erschienene „The God Machine“ auf dem letztmalig Barend Corbouis, der mittlerweile durch Johan van Stratum ersetzt wurde, am Bass zu hören ist. Schon der Blick aufs Cover zeigt, dass hier einiges anders ist. Statt eines klassischen Fantasy-Gemäldes mutet das Artwork von Peter Mohrbacher eher futuristisch an. Einen Song namens „The God Machine“ gibt es unter den neun enthaltenen Stücken übrigens nicht. Und so steht der Albumtitel für sich selbst. Und wie ist es jetzt geworden das neue Werk der „Blinden Gardinen“?
Das eröffnende „Deliver Us From Evil“ geht sofort ins Ohr, um sich da eine ganze Weile festzusetzen. Eine typische Hymne. Kürsch singt phantastisch. Auch die Chöre sind wieder da. Allerdings wesentlich reduzierter als in der Vergangenheit. Das folgende „Damnation“ lässt es ordentlich krachen. Endlich treten BLIND GUARDIAN mal wieder aufs Gaspedal. Mit dem düster-epischen „Secrets Of The American Gods“ folgt für mich das Highlight der Scheibe. Die Nummer ist natürlich von Neil Gaiman’s Roman „American Gods“ und der gleichnamigen Serie inspiriert. Wer das Buch noch nicht kennt, sollte sich unbedingt die ungekürzte Fassung besorgen. Es lohnt sich!
Ja, und dann kommt „Violent Shadows“ und lässt einem die Kinnlade runterklappen. Meine Fresse, was ist das denn? Die Rheinländer besinnen sich endlich auf ihre Speed Metal Wurzeln und liefern ein Brett ab, wie es wohl niemand mehr von ihnen erwartet hätte. Mehr davon! Mit „Life Beyond The Spheres“ folgt dann der Song, denn man sich noch am ehesten auf „Beyond The Red Mirror“ vorstellen könnte. Und weiter geht die Achterbahnfahrt. Bei „Architects Of Doom“ regiert für BLIND GUARDIAN-Verhältnisse erneut das Gaspedal. Mit „Let It Be No More“ folgt die Ballade des Albums. Diese ist hochemotional, kann aber nicht ganz an vergangene Großtaten anknüpfen. „Blood Of The Elves“ dafür umso mehr.
Wer hier unbedingt ein Haar in der Suppe finden will, findet es ausgerechnet beim finalen „Destiny“. Dieses kommt recht belanglos daher und wirkt künstlich in die Länge gezogen. Tja, und dann hätten wir da noch die Produktion der Scheibe. Charlie Bauerfeind ist sicher eine große Nummer im Heavy Metal, aber ein wenig mehr Ecken und Kanten hätten es schon sein dürfen. Das Schlagzeug ist wie bei den meisten modernen Produktionen verdammt noch mal viel zu leise! Bis auf die kleineren Kritikpunkte liefern BLIND GUARDIAN hier ein richtig gutes Album ab. „The God Machine“ kann zwar nicht ganz mit den Klassikern mithalten, ist aber verdammt dicht dran und zweifelsohne das beste Werk der Krefelder seit mindestens zwanzig Jahren. (Matthias)
Bewertung:
9 / 10
Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: 51:03 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 02.09.2022