Die kalifornische Band THE OFFSPRING ist sicherlich nicht nur in unserer Redaktion etwas umstritten, sondern steht ähnlich wie die Kollegen von GREEN DAY ganz allgemein unter einer gewissen Beobachtung, schließlich hat sich die Band im Laufe der Jahre, inzwischen kann man sogar von Jahrzehnten sprechen, spürbar stark von ihren Punkrock-Wurzeln verabschiedet. Wer die Band lediglich aus dem Radio kennt, wird sie schnell auf den Singlehit „Pretty Fly (For A White Guy)“ (1998) reduzieren, wer wie meine Wenigkeit Anfang bis Mitte der Neunziger Jahre angefangen hat, ernsthaft Musik zu hören, der wird 1994 „Self Esteem“ samt seinem coolen Video rauf und runter gehört und gekuckt haben.
Wenn man ganz realistisch ist, gleicht es einem kleinen Wunder, dass gerade diese Band aus Orange County plus/minus 40 Millionen Platten im Laufe der Zeit verkauft hat, denn die ersten beiden Alben „The Offspring“ (1989) und „Ignition“ (1992) boten vor allem Krach und nicht gerade perfektes Songwriting, diese beiden Platten waren noch ganz klar vom Punk beeinflusst, wohingegen das Durchbruchalbum „Smash“ (1994) deutlich auch von dem damals steil gehenden Grunge beeinflusst wurde, verglichen mit PEARL JAM, SOUNDGARDEN oder ALICE IN CHAINS wirkte aber auch das Drittwerk der Band noch ungeschliffen und lärmig. Die Alben danach wurden dann stetig poppiger und die Band wurde zu einem Teil des Mainstreams, womit wir dann auch einen großen Sprung ins aktuelle Jahr machen können, denn „Dexter“ und „Noodles“ präsentieren uns diesen Monat nach mehrjähriger Pause ihr zehntes Studioalbum und ich muss sagen, dieses ist erstaunlich gut geworden.
THE OFFSPRING klingen auf diesem Album so frisch als hätte es keine Pause gegeben, das Ding macht echt gute Laune und pendelt geschickt zwischen Punk und Modern Alternative Rock, ohne zu sehr radiorockkompatibel zu sein. Mit dem Titelstück sowie „Army Of One“ hat man gleich zu Beginn zwei richtig starke Songs parat, die Hymnencharakter haben, und weitere THE OFFSPRING Standards wie „Coming For You“ und „Behind Your Walls“ gehen ebenfalls gut rein. Schwieriger wird es da etwas bei der Ska-Nummer „We Never Have Sex Anymore“, die mir zu gewöhnungsbedürftig ist, sowie beim Schlusstrack „Gone Away Requiem“. Ganz grundsätzlich finde ich es prima, dass sich THE OFFSPRING hier an eine Pianoballade rantrauen, ich bin sicher, es gibt nicht viele Songs der Band, die emotional so viel hergeben. Auf der anderen Seite klingt das Stück eher nach einer Coverversion, insbesondere die Melodieführung kommt mir arg bekannt vor von dem Stück „Mad World“ (TEARS FOR FEARS/GARY JULES).
Was ich ebenfalls nicht ganz so gelungen finde an „Let The Bad Times Roll“, ist der Sound. Zwar hat man erneut mit Bob Rock im Studio gearbeitet, für mich klingt es aber nicht so, als sei das komplette Album in einem Guss fertig gestellt worden, sondern es klingt so, als hätte man „Let The Bad Times Roll“ in mehreren Etappen aufgenommen, teilweise fühlt es sich so an, als höre man ein Compilationalbum aus verschiedenen Phasen einer Band.
Verzichtbar sind zudem zweifelsfrei das kurze Cover von „In The Hall Of The Mountain King“ sowie das Outro „Lullaby“, dieses beide kurzen Stücke untermauern, dass „Let The Bad Times Roll“ etwas zerfahren wirkt. Pluspunkte hingegen gibt es für die beiden klassischen Punksongs im hinteren Albumdrittel „The Opioid Diaries“ und „Hassan Chop“, die wie eine Mischung aus BAD RELIGION und SYSTEM OF A DOWN klingen.
„Let The Bad Times Roll“ ist sicherlich nicht das Album des Jahres, THE OFFSPRING zeigen nach fast zehnjähriger Pause aber immerhin, dass sie noch relevant für die Szene sind und legen ein durchweg kurzweiliges Album vor, das eine gute Stimmung verbreitet und das ist in der aktuellen Zeit alles andere als ein Fehler. (Maik)
Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 33:20 min
Label: Concord/Universal
Veröffentlichungstermin: 16.04.2021
Bewertung: