Coppelius - Extrablatt

coppelius_extrablattCOPPELIUS sind eine sehr höfliche Band, wenn nicht so gar die höflichste überhaupt. Wo sonst wird das Publikum gesiezt oder bekommt während des Auftritts kleine Snacks auf dem Silbertablett serviert („Möchten Sie vielleicht eine Brezel?“)? Und weil die Band so höflich ist, hat sie ihren Anhängern auch ausreichend Zeit gegeben, sich mit dem Vorgängeralbum „Zinnober“ in Ruhe auseinander zu setzen (wobei wahrscheinlich die meiste Zeit dafür draufging, sich vom Anblick des gar nicht mal so schönen Covers zu erholen). Wie auch immer, angeblich musizieren COPPELIUS ja schon seit 200 Jahren miteinander, aber ich glaube, da haben die Berliner etwas geflunkert.

Aber ich will mal nicht so sein und lasse das grade mal noch so durchgehen. Denn normalerweise gehören COPPELIUS zu den Bands, die ich mir live (und in Farbe) sehr gerne ansehe, die mir auf Platte aus unerfindlichen Gründen aber eher nicht so gefallen. Dennoch - ich nehme das jetzt einfach mal ganz frech vorweg: Das „Extrablatt“ kann ich mir sehr gut anhören. Wobei ich gestehen muß, daß ich das am Anfang auch nicht besonders gut fand. Aber wenn man die Scheibe dann erst mal ein paarmal gehört hat, dann beginnt sie, einem doch zu gefallen. Das steigert sich dann immer mehr, bis man sie richtig gerne hat.

COPPELIUS bleiben ihrem Sound, den sie selbst als Kammercore bezeichnen, auch auf ihrem vierten Album treu und das ist auch gut so. Wer die Band bisher noch nicht kannte, dem sei gesagt, daß die Berliner wie SUBWAY TO SALLY meets IRON MAIDEN klingen – allerdings ganz ohne Gitarren, dafür aber mit Klarinette, Cello und Kontrabass. Und ja, das klingt richtig gut. Sogar die Klarinette, die eigentlich einen (zumindest in meinen Ohren) eher unangenehmen Klang hat, paßt hier einfach perfekt.

Los geht es mit „Spieldose“, das sich dank seines Intros mit Klängen vom Aufziehen und Abspielen einer Spieldose perfekt als Opener des Albums macht. Ansonsten ist der Song eher ruhig geraten, aber schon mit „Welt im Wahn“ wird es passend zum Text schnell und hektisch, das textliche Thema wurde musikalisch perfekt umgesetzt. Überhaupt kann man sagen, daß „Extrablatt“ eine Scheibe ohne Ausfälle geworden ist. Sicher gibt es immer den ein oder anderen Song, der einem nicht so gut gefällt; auch mir gefallen nicht alle Songs auf diesem Album gleich gut. Aber das müssen sie ja auch nicht.

Dafür gibt es auf „Extrablatt“ aber richtig viele Songs, die, wenn sie sich erstmal ordentlich in den Gehörgängen festgesetzt haben, da auch nicht mehr rausgehen. Und die versprechen, live auch richtig gut Stimmung zu machen. Immer mit dabei: der typische COPPELIUS-Humor, der besonders in Songs wie „Bitten Danken Petitieren“ zum Vorschein kommt. Auch schön: das romantische „Glaubtet ihr?“, das bei genauerer Betrachtung irgendwie nicht mehr so romantisch ist.

Aber auch richtig hart rocken können die Berliner, wie sie mit „Mitten ins Herz“ wieder einmal beweisen. Ebenso machen sie bei den Songs mit englischen Texten eine gute Figur. Auch wenn die mit 3 von 14 eindeutig in der Minderheit sind. Und daß COPPELIUS auch gut covern können, das zeigen sie mit zwei Covern, die das bestätigen, was ich oben schon sagte: Klingt wie SUBWAY TO SALLY meets IRON MAIDEN. Denn als „Hommagen“ gibt es „Running Free“ (IRON MAIDEN), das auch ohne Gitarren echt gut klingen kann, sowie „Maria“ von SUBWAY TO SALLY, das wirklich wunderschön geworden ist und mir fast schon besser als das Original gefällt (und das sage ich als langjähriger SUBWAY TO SALLY-Fan).

Fans der Band können bei „Extrablatt“ also bedenkenlos zugreifen. Und wer sich nicht sicher ist, ob das hier was für ihn ist, der sollte auf jeden Fall ein Konzert der Band besuchen. Denn die Gastspiele des Sechsers sind immer äußerst amüsant und machen auch dann Spaß, wenn man keine Songs der Band kennt. Und spätestens dann wird man erkennen: COPPELIUS hilft! (Anne)



Bewertung: 8 / 10

Anzahl der Songs: 14
Spielzeit: 49:55 min
Label: Fame Records
Veröffentlichungstermin: 15.02.2013