Es ist ja leider schon Normalität, dass Hass und Missionierungen von pseudokompetenten Menschen zu allen erdenklichen Themenbereichen in den sozialen Netzwerken gepostet werden. Aktuell ist der Anlass das Re-Recording eines der größten Heavy Metal Alben aller Zeiten, „Balls To The Wall“, das ursprünglich am 05. Dezember 1983 die Welt mit einem Paukenschlag erschütterte. Das fünfte ACCEPT-Album, das in keinem Plattenregal fehlen sollte, wird nun am 28. Februar 2025 via Reigning Phoenix Music mit dem Titel „Balls To The Wall Reloaded“ erneut erscheinen. Vom „German Tank“ mit seiner Stammband neu eingespielt, aufnahmetechnisch enorm optimiert, verleiht der Original-Sänger von ACCEPT dem Album einen neuen Anstrich, indem er sich zehn der renommiertesten Shouter des Heavy Metal bedient und die Klassiker neu interpretiert.
Hier kommt der Hass im Internet ins Spiel. Urteile werden gefällt vor der Veröffentlichung des Albums. Man hat also lediglich die vorab veröffentliche Single mit Gastsänger Joakim Broden von SABATON als Wertungsmaßstab gehört. Natürlich ist es legitim, einen Diskurs darüber zu führen, ob man ein derart sakrosanktes Album in veränderter Form neu aufnehmen darf. Hauptargument gegen eine Neuveröffentlichung ist, dass ein solch grandioses Album nicht optimiert werden kann; von Abzocke und Ideenmangel ist die Rede, von künstlicher Soundoptimierung und Sängern, welche kontraproduktiv im Kontext der jeweiligen Songs agieren und Udo Dirkschneiders einzigartig raue Stimme durch die Kollaborationen die aggressive Energie verliert.
Man kann aber auch eine differenzierte Sichtweise gelten lassen. Für alte Säcke wie mich ist „Balls To The Wall“ natürlich „ein göttliches Geschenk des Heavy Metal“, steht seit den frühen Achtzigern im Regal und läuft auch heute noch rauf und runter. Aber auch wenn das Original unerreichbar erscheint, kommt die soundtechnisch extrem verbesserte Wiederveröffentlichung sehr interessant in modernerem Gewand. Damit kann man die Scheibe auch als Initiator sehen, um ein jüngeres Metal-Publikum zur Band und zu den Perlen der Achtzigerjahre zu führen.
Ähnlich äußerte sich Udo Dirkschneider zum neuen Album: “Es ist eine kraftvolle Hommage an die Fans und eine Einladung an die nächste Generation, diese Songs mit genauso viel Leidenschaft zu erleben, wie ich sie damals aufgenommen habe. Für mich persönlich ist es eine Reise, die nie endet. „Balls To The Wall“ wird immer ein Teil von mir sein.“ Ich halte das für ein glaubhaftes Statement des metallischen Urgesteins. Auch Michael Schenker hat kürzlich eine beeindruckende Scheibe von seiner Ära als UFO-Gitarrist in Zusammenarbeit mit großartigen Musikern (u.a. Axl Rose, Biff Byford, Slash u.a) herausgebracht, um die legendäre Musik wiederauferstehen zu lassen. Ich denke, es ist gar nicht notwendig, ein abschließendes Urteil zu fällen hinsichtlich der Legitimität von Neuveröffentlichungen.
Zudem dringt Udo Dirkschneider stimmlich immer noch in jedem Song der Duette durch und gemeinsam mit SABATON-Sänger Joakim Broden kommt der Opener „Balls To The Wall“ auch im Duett wie ein Dampfhammer und erscheint mit dem ikonischen Refrain brachial und spannend. Es wäre hier müßig die Songs einzeln zu bewerten, denn über das Album „Balls To The Wall“ ist schon alles geschrieben worden. Die Einspielung des „Reloaded-Albums“ erfolgte durch die ACCEPT-Originale Udo Dirkschneider und Bassist Peter Baltes, gemeinsam mit ihren U.D.O-Bandmitgliedern Andrey Smirnov und Fabian “Dee” Dammers an den Gitarren, sowie Sven Dirkschneider an den Drums. Udo intoniert die einzelnen Songs als Duette mit Joakim Brodén (SABATON), Biff Byford (SAXON), Mille Petrozza (KREATOR), Nils Molin (DYNAZTY/AMARANTHE), Michael Kiske (HELLOWEEN), Ylva Eriksson (BROTHERS OF METAL), Danko Jones, Dee Snider (TWISTED SISTER), Tim "Ripper" Owens (KK's PRIEST) und Doro Pesch in der Ballade „Winter Dreams“. Gerade das für ACCEPT so untypische „Winter Dreams“ erfährt im Duett mit Doro Pesch eine hohe Emotionalität. Danko Jones macht einen großartigen Job bei „Turn Me On“, auch Dee Snider scheint die perfekte Wahl für die Kollaboration in „Losers And Winners“ zu sein. Michael Kiske und Nils Molin erscheinen aus meiner Sicht eher etwas farblos mit ihren sehr differenten Stimmlagen.
Fazit: Ich bin zwiegespalten. Das Original ist für mich das Maß aller Dinge. Aber die hier vorliegende Hommage an ein Meilensteinalbum hat durchaus seine Berechtigung, um wieder erneut in den Fokus der wichtigsten Heavy Metal-Alben zu gelangen. Udo vermag sich auch in den Duetten immer mit seiner markant rauen Stimme durchzusetzen, und zeigt, mit welch brachialer Härte und eingängigen Refrains das Album vor über 40 Jahren die Welt eroberte. Die Gastsänger setzen überwiegend gute und kontrastreiche Akzente und harmonieren stets mit Udo Dirkschneider. Die Intensität des Originals bleibt erhalten und der Aufnahmesound ist hervorragend. Ich sehe „Balls To The Wall Reloaded“ als Inspirationsquelle für künftige Metal-Generationen und eine ehrliche Hommage des ACCEPT-Mitbegründers. Schade ist nur, dass man alte Fehden mit Wolf Hoffmann nicht beilegen kann, denn ein gemeinsamer Song mit Mark Tornillo hätte den Eindruck der Authentizität noch verstärkt. (Bernd Eberlein)
Bewertung:

7 / 10
Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: keine Angabe
Label: Reigning Phoenix Music (RPM)
Veröffentlichungstermin: 28.02.2025