Phil Lynott "Songs For While I’m Away" + Thin Lizzy Live

ThinLizzyIch muss einleitend gleich festhalten, dass meine Rezension wahrscheinlich nicht gänzlich an der erforderlichen Objektivität gemessen werden kann, zähle ich mich doch bekennend zu den ergebenen THIN LIZZY-Fans, der überzeugt ist, dass diese großartige Band ausschließlich Musik für die Ewigkeit geschaffen hat und ihr Mastermind Phil Lynott in seiner Einzigartigkeit als einer der größten Rock-Poeten aller Zeiten nahezu unantastbar erscheint.

Beginnend mit dem Tonträger von THIN LIZZY, der auszugsweise schon mal vor einigen Jahren als „Live At Sydney Harbour“ in grottenschlechter Videoqualität verfügbar war, bringt mich die vorliegende „extended Version“ unter dem Namen "The Boys Are Back In Town Live At The Sydney Opera House October 1978" (wirklich zu lang) nahezu in Ekstase und verlässt kaum noch meinen Plattenteller. Der Sound ist hervorragend mit neu abgemischtem Ton von mehreren Spuren. Zudem wartet die Konzert-DVD mit fünf zusätzlichen Songs aus diesem Set auf, die nie offiziell veröffentlicht wurden, nämlich „Warriors“, „Don`t Believe A Word“, „Still In Love With You“, „Johnny The Fox Meets Jimmy The Weed“ und „Suicide“.

Imaginär erfährt man durch die Soundoptimierung die Vorstellung, dass THIN LIZZY in der Besetzung mit Gary Moore und Scott Gorham an den Gitarren sowie Mark Nauseef an den Drums im heimischen Wohnzimmer spielen. Vor der beeindruckenden Kulisse des berühmten Opernhauses in Sydney läuft der Sänger, Songwriter und Bassist Phil Lynott in seiner euphorisierenden Bühnenpräsenz zur Höchstform auf und die beiden Gitarristen hauen gnadenlos ihre markanten „Double-Leads“ und Hooklines raus.

Klar, „Live And Dangerous“ aus dem Jahr 1978 ist eines der erfolgreichsten und genialsten Live-Alben aller Zeiten und alle Kritiken, dass die Platin-veredelte Scheibe überwiegend im Studio entstanden ist, Vocals und Instrumente neu aufgenommen und das Publikum nachträglich eingespielt wurde, sind obsolet. Dies tut natürlich dem herausragenden Ergebnis keinen Abbruch aber dennoch ist „Live At The Sydney Opera House“ ein echtes Livekonzert, authentischer, kraftvoller und ungeschliffen, wenn es auch erst jetzt durch nachträgliche Optimierung richtig zur Geltung kommt. Die Songauswahl ist bestens, die Band explosiv und in Topverfassung. Der charismatische Phil Lynott ist perfekt bei Stimme und der junge Gary Moore und Scott Gorham lassen es brachial krachen in der vorliegenden Performance. Selten kamen Hits wie „Jailbreak“, „Bad Reputation“, „Are You Ready“ oder „Suicide“ so hart rüber.

Im Fazit würde ich (voreingenommen) ganz klar sagen, dass für THIN LIZZY Fans kein Weg an dem Package vorbeiführt und hier ein einzigartiges Live-Erlebnis vermittelt wird. Für diejenigen, die in der Regel zu Best-Of-Compilationen greifen oder THIN LIZZY neu begegnen, würde ich eher „Live And Dangerous“ empfehlen. Mit „Live In Sydney“ wird jedenfalls einer großartigen, zeitlosen Band mit ihrem Ausnahmesänger und Songwriter aus der Arbeiterklasse Irlands ein (weiteres) Denkmal gesetzt.

Die 113-minütige Dokumentation „Phil Lynott-Songs For While I`m Away“ aus dem Jahr 2020 beschreibt das Leben und die Musik des Protagonisten und den damit verbundenen Einfluss auf die Musikwelt. Der ansprechende Titel des Films stammt von einem THIN LIZZY-Track bzw. einem Gedichtband und der Filmemacher Emer Reynolds stürzt oder beschmutzt das Denkmal Phil Lynott nicht, sondern begegnet ihm mit ehrfürchtigem Respekt.

Der große Aufstieg vom Außenseiter zum Superstar wird anhand Archivmaterial, unveröffentlichter privater Fotos und Videos sowie viel Musik sehr pathetisch dargestellt. Die Dokumentation glänzt zudem durch Interviews mit Wegbegleitern, Bandmitgliedern, Freunden und Familienmitgliedern wie von Midge Ure (Ultravox / THIN LIZZY), Darren Wharton (THIN LIZZY), Scott Gorham (THIN LIZZY), Adam Clayton (U2), Huey Lewis (Huey Lewis & The News), James Hetfield (METALLICA) sowie Phils Frau Caroline Taraskevics und den Töchtern Sarah Lynott und Cathleen Lynott, welche Phil Lynott als Sänger, Poet, Ikone aber auch als Vater beschreiben.

Auch die Schwierigkeiten als schwarzer Junge im Dublin der fünfziger Jahre, das geprägt war von Skepsis und Vorurteilen, werden beleuchtet, der sagenhafte Aufstieg von THIN LIZZY und der Ruhm bis hin zu dem viel zu frühen Tod im Alter von 36 Jahren. Relativ unbeleuchtet bleiben die dunklen Seiten des Rockers, seine Alkohol-, Drogen- und Sexsucht oder seine gelegentliche Wut. Aber Denkmäler muss man nicht immer mit allen Facetten beschmutzen.

Er bleibt Generationen übergreifend eine Ikone der Rockmusik; ein wilder Rocker, ein sanftmütiger Poet, ein Träumer, Vater, Ehemann und getriebener Erfolgsmensch.
Die Dokumentation ist sehr informativ und emotional umgesetzt und zeigt ein eindrucksvolles Bild eines eindrucksvollen Menschen. Mir gefällt dabei primär, dass keiner aus dem Glashaus mit Steinen geworfen hat. Das Set mit der Phil Lynott-Dokumentation wird mit einem renommierten Live-Konzertfilm kombiniert und kommt als 2xDVD+CD und Blu-ray+DVD+CD in den Handel. (Bernd Eberlein)

 

Bewertung Dokumentation:

Ebi8,0 8 / 10


Bewertung CD ("The Boys Are Back In Town Live At The Sydney Opera House October 1978"):

Ebi9,0 9 / 10

Label: Mercury/Universal
Anzahl der Songs: 13
Spielzeit: 48:20 min
Veröffentlichungstermin: 24.06.2022

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