Vor zwei Jahren zerstreute sich das letzten Line-Up von TOTO aufgrund rechtlicher Querelen in alle Winde, darunter das wohl beste Tastenduo der Rockgeschichte. Der tourmüde Pianist/Organist David Paich scheint sich wohl endgültig in die Rente verabschiedet zu haben, der Yamaha-Synthesizerpionier Steve Porcaro beschäftigt sich lieber mit Studioaufnahmen. Die beiden letzten Verbliebenen des harten Kerns, Sänger JOSPEH WILLIAMS und Gitarrist STEVE LUKATHER konnten es aber nicht lassen und trommelten eine neue Mannschaft zusammen, von der lediglich Multiinstrumentalist Warren Ham Stallgeruch hat. Doch bevor es hoffentlich im Sommer auf Open Air-Tour geht, haben die beiden langjährigen Recken jeweils noch ein Studioalbum an den Start gebracht. Wie weit weg ist "I Found The Sun Again" vom Sound der von ihm mitbegründeten Legende?
So ganz solo sind die beiden jedenfalls nicht unterwegs, denn sie haben sich gegenseitig im Studio besucht und auch teilweise zusammen komponiert, sogar gemeinsame Fotos gibt es im Digipack zu bewundern. Dazu gesellen sich noch eine alte Bekannte und interessante Studiogäste, die auf beiden Scheiben mitgewirkt haben. Man muss das eher als Zwillingsveröffentlichung ansehen, denn auch das Artwork ist beinahe identisch, wobei die Coverphotographie von Lukather verdächtig an das Konterfei erinnert, dass einem dem Colos-Saal entgegen blickt. Hier war aber Alex Solca verantwortlich ebenso für das von Williams. Im Layout unterscheiden sich beide lediglich durch die Farbwahl, wobei ich da "blau" und "rot" genau umgekehrt platziert hätte, weil es meinem Empfinden nach besser die jeweilige Musik zur Geltung bringt.
Durchaus überraschend gibt es zu Beginn Synthesizerflächen und elektronische Beats, sowie einen Bass, der tief in die Magengrube drückt. Klar flirren die Gitarren mal vorbei und setzt das Piano ein paar Tupfer, doch "Never Saw You Coming setzt sogar beim Gesang auf Atmosphäre. Die bisherigen Frontmänner der Formation, der er seit ein paar Jahren wieder zugehört, tobten sich solo auch im melodischen Rock aus, Williams scheint es da nicht genug zu sagen zu geben. Wobei der Mann das Wort solo sehr genau nimmt, denn vieles hat er im Alleingang programmiert, bei manchen Songs teils die gesamten Rhythmusspuren. Was schade ist, wenn man sich den stets präsenten Bass anhört, wenn dieser von Cracks wie Leland Sklar oder Nathan East bedient wird.
Doch die Scheibe will woanders hin, vieles könnte man fast als zeitgemäßen R´n´B bezeichnen, auf jeden Fall sehr radiotauglich, auch wenn sich die Merkmale seit den Radiotagen von TOTO deutlich gewandelt haben. Es lässt sich aber nicht verleugnen, dass einige Songs in der Disziplin eine gute Figur abgeben, wie das wunderbar melancholische "Wilma Figadoux". Streicher und die schöne Stimme von Hannah Ruick sorgen trotz elektronischer Untermalung für wohlige Wärme, die Synthies hallen wie ein Echo über den Gesang und reichern ihn mit reichlich Atmosphäre an. Eines der Cover weist den Weg dorthin, "Don´t Give Up" von PETER GABRIEL fügt sich mit der Art Lieder gut zusammen, das ebenfalls mit Ruick umgesetzt wurde. Der frühere GENESIS-Sänger brachte diese intelligente Elektronik in den progressiven Rock ein, eine Herangehensweise, die JOSEPH WILLIAMS scheinbar beeinflusst hat.
Mit seinen Bandkollegen ist er vor allem dann nicht so weit weg, wenn es groovt wie in "Black Dahlia", dessen Melodie dezent swingt. Das E-Piano und ein paar bluesige Leads haben hier das Sagen, auch die Vokalarrangements zeugen von viel Gefühl. Und die Handschrift von David Paich ist in "Liberty Man" erkennbar, dem melodischsten Titel der Scheibe, mit viel Hall auf dem Piano und mit genau dem fast poppigen Chorus, denn man erwarten konnte. Die jazzigen Drumfiguren von Simon Phillips bilden dann wieder einen anderen Kontrast dazu. Noch jazziger geht es im Titelsong zu, gerade was die Licks von Steven Overton angeht. Die Synths hingegen liefern die Art verfremdete Bläserklänge ab, welche auch GLORIA ESTEFAN in den Achtzigern gerne gebrauchte.
Eine echte Trompete hingegen findet man im coolen, vom Piano getragenen "No Lessons", das um jazzige Anflüge auch nicht verlegen ist. Das ist allerdings einer der wenigen erwähnenswerten Momente im zweiten Teil von "Denizen Tenant", irgendwie scheint das Pulver da verschossen. Die vielen Elemente fließen trotz aller Verspieltheit schön ineinander, aber wirkliche Höhepunkte gelingen da nicht mehr. Viel zu sehr versinkt das Songwriting im Einheitsbrei aus Beats, flächigen Klängen, jazzigen Einsprengseln und R´n´B-Feeling. Nur wenn man wie in erwähnter Ballade etwas reduzierter zu Werke geht, hält man das Interesse weiter hoch. Wie etwa beim BEATLES-Cover "If I Fell", nicht nur weil Kumpel Lukather hier der Duettpartner ist und die beiden sich beachtenswert als Lennon/McCartney versuchen, sondern auch weil man sich ein weniger bekanntes Material wagte.
Es ist diese elektronische Distanziertheit, die ich eher der blauen Farbe zuschreiben würde, weswegen ich "Denizen Tenant" in jener Farbe akzentuiert hätte. "I Found The Sun Again", das bluesigere Gegenstück von STEVE LUKATHER hätte viel mehr den roten Anstrich verdient gehabt. Während die Songs des Sängers besser ins Ohr gehen, erzielen die Stücke des Sängers mehr Langzeitwirkung, in seiner Gesamtheit das bessere Werk. Beide Alben reflektieren einen Teil der Einflüsse von TOTO, unter dem Strich hätte ein waschechtes Album heraus kommen können, wenn man die Kräfte gebündelt hätte, denn jeder der beiden Longplayer fehlt der letzte Funken, um an die Großtaten anzuschließen. Das ändert nichts daran, dass beide mit Gefühl und Raffinesse eingespielt und produziert wurden. (Pfälzer)
Bewertung:
6,5 / 10
Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 50:24 min
Label: Mascot Label Group
Veröffentlichungstermin: 26.02.2021