Umtriebig war der deutsche Gitarrengott schon immer zuletzt kamen die neuen Scheiben im 18-Monats-Takt und auch heuer ist er wieder so flott unterwegs. Dabei fungiert er jetzt wieder unter dem klassischen MSG-Label, nachdem Michael Schenker zuletzt unter TEMPLE OF ROCK oder MICHAEL SCHENKER FEST unterwegs war. Doch egal, wie der Mann seine Formation tauft, wo sein Name drauf steht, ist auch genau das drin, was man von ihm erwartet, Trends waren nie sein Ding. Aus dem Plan mit einer festen Band zu arbeiten wurde aus bekannten Gründen nichts, und so gesellen sich zu Sänger Ronnie Romero noch weitere dazu, auch bei den Schlagzeugern schöpft er mit Bodo Schopf, Brian Tichy und Simon Phillips aus den Vollen. Damit ist noch mehr Personal an Bord als auf den letzten beiden Longplayern, wie wirken sie sich auf "Immortal" aus?
Mit Ralf Scheepers hat man ja scheinbar den richtigen gefunden, um "Drilled To Kill" einzusingen, die JUDAS PRIEST-Anliehen sind nicht von der Hand zu weisen, trotz der Orgelklänge. Die gab es bei Schenker in der Vergangenheit schon öfter, wie bei "Ready To Rock", wenn da auch nicht in dem Tempo. Leider macht die passende Sängerbesetzung noch keinen guten Song, den beim Opener hakt es an mehreren Stellen. Wenn man drei so versierte Fellgerber im Rennen hat, muss am Ende mehr heraus kommen als eintönig nach vorne marschierender Rhythmus, der zudem zu prominent im Mix verankert ist. Schade, denn gerade das klassisch angehauchte Solo des Meisters weiß zu gefallen.
In der Machart präsentiert sich noch "Devil´s Daughter", bei dem ich den Sänger nicht identifizieren kann, was genau der Knackpunkt ist, denn die Performance lässt in meinen Augen zu wünschen übrig. Auch hier wieder zu dominantes Schlagzeug, das Ganze hört sich wie ein Demo von "Assault Attack"-Outtakes an. Natürlich ist das Spiel von MICHAEL SCHENKER heraus zu hören, die Mischung aus jenem Klassiker und seiner Neunziger-Phase zieht sich durch die komplette Scheibe, doch die Qualitätsunterschiede sind leider auffällig. Gerade sein langjähriger Produzent Michael Voss hätte es wissen müssen, dass das Zusammenschneiden von zugesandten Beiträgen nicht zum optimalen Ergebnis führt, mit dem Debüt seines Projekts WOLFPAKK erlitt er ähnlich Schiffbruch.
Zum Glück kommt schon beim zweiten Lied Besserung in Sicht und ein gelungener Gesangsbeitrag von Joe Lynn Turner. Das treibende Riff könnte nicht typischer für Schenker sein, immer ein wenig verdreht, aber niemand lässt solche Töne so fließen wie er. Das gilt auch für die gleitenden Motive im Refrain und ruhigen Mittelpart. Interessant kommen auch die Synthesizereinschübe, doch wie alle Tasteneinsätze verlieren die sich zu sehr im Mix. Wenn man so eine Koryphäe wie Derek Sherinian als Keyboarder holt, sollte dieser prominenter in Erscheinung treten.
Wie stark die MICHAEL SCHENKER GROUP zu arrangieren weiß, zeigt sich wie man in "Come On Over" nach dem sehr melodischen Refrain sofort das Tempo anzieht, da scheint richtig Spielfreude durch. Selbiges gilt für "Queen Of Thorns And Roses", welches den markanten swingenden Schenker-Groove besitzt. Im Stampfrhythmus weiß die Truppe auch zu überzeugen, die kraftvollen Vocals in "Sail The Darkness" sind Balsam auf die Seele derer, die darauf viel Wert legen. Romero lässt mit "Knight Of The Dead" durch seinen eruptiven, rockigen Chorus auch eine schnelle Nummer gelingen.
Trotz der guten Phasen wirkt "Immortal" ein wenig zusammen geschustert, die abschließende Neuinterpretation des SCORPIONS-Debütsongs "In Search Of The Peace Of Mind" will nicht zum Rest des Materials passen. Natürlich ist es verständlich, dass der Gitarrenheld diesen zur Feier seines fünfzigjährigen Jubiläums aufnehmen wollte, aber die psychedelischen und krautigen Welten sind weit entfernt davon, was er heute macht. Im Gegensatz zur biederen Ballade "After The Rain" ist die ruhige Nummer sicher interessant, zumal sie klanglich voller wirkt, wäre aber auf einer Compilation besser aufgehoben gewesen.
Nachdem man unter anderen Etiketten im letzten Jahrzehnt wieder starke Alben veröffentlicht hatte, kommt ausgerechnet mit der Rückkehr zum klassischen MSG-Label die schwächste Scheibe seit man eben dieses hinter sich gelassen hatte. Ob das nun ein Omen ist oder ob einfach die Umstände nicht mehr aus dem guten Material heraus holen ließen, kann man schwer abschätzen. Eine kleinere Pause, um Dinge reifen zu lassen, sollte sich Michael Schenker mal gönnen, auch wenn die Ideen nur so aus seinen Fingen fließen, wie viele tolle Soli belegen. (Pfälzer)
Bewertung:
6 / 10
Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 45:11 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 29.01.2021