Die Akte ACCEPT und Klassik wurde ja schon ganz früh geöffnet, 1985 gab es auf “Metal Heart” die ersten Adaptionen. Seitdem war es sowohl bei den Solingern, als auch bei ihrem früheren Frontmann Udo Dirkschneider ein Thema. U.D.O. standen ja zuletzt am Scheideweg, denn die Tour auf der man sich vom Material der alten Formation verabschieden wollte, geriet zum großen Erfolg. Die jüngsten eigenen Alben waren zwar wieder besser, aber es mussten neue Ideen her. So gab der Wacken-Auftritt mit dem Musikkorps der Bundeswehr die Initialzündung für die neue Scheibe “We Are One” wurde gleich komplett mit diesem Ensemble eingespielt, damit hat Dirkschneider seinen alten Kollegen etwas voraus. Das sind nicht die einzigen Gäste, denn ein paar alte Bekannte mischten beim Songwriting auch wieder mit.
Niemand Geringeres als die beiden alten ACCEPT-Mitstreiter Peter Baltes und Stefan Kaufmann steuerten einige Songideen bei, Baltes hatte die Truppe ja erst vor Kurzem verlassen. Mit der Produktion von Kaufmann war der Sänger mit der legendären Reibeisenstimme nicht mehr zufrieden, weswegen es vor zehn Jahren zum Split kam. Doch nun tauchen beide wieder im Umfeld ihres alten Kumpels auf, mal sehen was da noch kommt, vor allem da das Material streckenweise sehr an die Achtziger erinnert.
Und zwar genau dann wenn es gelingt die Beiträge des Musikkorps wie typische Keyboards der Dekade eingesetzt werden. Dabei lässt der organischere Klang der Blech - und Holzblasinstrumente diese weniger verwässernd als vielmehr atmosphärisch klingen. Erstes richtig gutes Beispiel dafür ist "Future Is The Reason Why", zu dessen Einstieg das Orchester erst einmal mit seinem typischen Fanfaren eröffnen darf. Überhaupt dürfen sich die Damen und Herren der Bundeswehr in der Nummer so richtig austoben, denn im Mittelteil verbreiten sie allerlei Anleihen an russische Folklore, die sich sehr gut einfügen.
Kein Wunder, schließlich fanden die sich bei der früheren Formation der Hauptkomponisten genügend derartige Einflüsse. Auch sonst hat das Lied viel von besagter Legende, wie ein Chor und das Orchester immer wieder in die treibende Strophe hinein schneiden weckt selige Erinnerungen an deren Hochphase. Wenn man dann noch den ACCEPT-Groove von "Mother Earth" hört, kann von einer kompletten Reunion geträumt werden.
Mächtige Chöre und das Bläserkorps heben den klassischen Refrain auf einen neue Stufe, wie zwischen einem Orchesterriff jeder kurz solieren darf ist ganz großes Kino. Direkt im Anschluss geht es mit dem von einem prägnanten Riff getragenen "Rebel Town" weiter auf Zeitreise, der wuchtige Chorus tut sein Übriges. Wie auch der Gitarrensound, genau so hat man sich den Klang der Truppe schon länger gewünscht.
Völlig auf die Spitze treiben es U.D.O. in "Here We Go Again" und "Neon Diamond". Ersteres ist angenehm rockig, das Musikkorps ähnelt hier eher einer Swingband, was richtig Spaß macht. Und in dem wunderbar atmosphärischen Rocker liefert sich der Frontmann ein Duett mit einer weiblichen Stimme, während die Bläser ein Saxophon auspacken.
Diese Dame darf in "Blindfold (The Last Defender)" ganz alleine ran, wobei hier das Ganze eher in die Richtung von Symphonic Acts wie NIGHTWISH geht. Diesen Anspruch untermauert auch das von einer Flöte eingeleitete "Love And Sin" mit seinem schnellen Riff, das von Orchesterelementen schön zugedeckt wird und toll mit den Harmonien spielt. "Children Of The World" ist noch experimenteller angelegt, zuerst übernehmen die Bläser das Geschehen, bevor ein schwerer Groove das Szenario bestimmt. Über eine fast SAVATAGE-artige Bridge geht es dann urplötzlich in einen süßlichen Kinderchor über.
Garniert wie die Scheibe noch von ein paar Instrumentals, in denen die Leadgitarre und die Armeeangehörigen den Ton angeben, aber immer wieder der Chor interessante Klangfarben einbringt. Zu erwähnen vor allem "Blackout", das etwas von "Terminator"-Thema hat und mit einem Dudelsack eingespielte "Beyond Gravity". Das bringt über die gesamte Laufzeit eine ungeheure Abwechslung, zumal der Opener "Pandemonium" noch dezent modern daher stampft.
Mit "We Are One" ist der Band ein großes Befreiungsschlag geglückt, denn eigentlich würden die Songs auch ohne die Fremdbegleitung funktionieren. Gerade die Vielfalt kann gegenüber der letzten ACCEPT gewinnen, da man viel mehr Wert auf Groove anstatt Geschwindigkeit legt, mit "We Strike Back" wird das Gaspedal nur einmal durchgetreten. Doch auch dieses Stück wird durch das Musikkorps der Bundeswehr noch interessanter gestaltet. (Pfälzer)
Bewertung:
8 / 10
Anzahl der Songs: 15
Spielzeit: 74:51 min
Label: AFM Records
Veröffentlichungstermin: 17.07.2020