ICON haben gerufen und (fast) alle sind gekommen. Die saarländischen Death-Metal-Urgesteine hatten beschlossen, dass sie noch ein allerletztes Mal zusammenkommen wollten, um die Band und die Vergangenheit zu feiern und um ICON würdig zu Grabe zu tragen. Der Abend sollte ein Fest werden und so wurden viele Wegbegleiter als Vorbands eingeladen. Schon beim Lesen des Billings fühlte man sich mindestens 15 Jahre in die Vergangenheit versetzt – ICON, INFINIGHT und ZEROGOD zusammen auf einem Konzert. Das ist schon verdammt lange her, dass sowas zum letzten Mal stattgefunden hat. Dass es ein Abend um in der Vergangenheit zu schwelgen werden würde, dass sah man schon vor der Halle, wo man auf Dutzende bekannte Gesichter traf, von denen man einige schon Jahre nicht mehr gesehen hatte. Doch schnell stellte sich eine Stimmung „wie friher“ ein.
CULT OF SOTEIRA
Zunächst jedoch gab es zum Aufwärmen was Neues. Denn CULT OF SOTEIRA waren sozusagen die Ausreißer des Abends – eine Band, so neu, dass sie noch kaum etwas veröffentlicht hat und erst wenige Auftritte hinter sich hat. Auch wenn die einzelnen Mitglieder natürlich alles andere als Neulinge in der Szene sind. Doch wer genau dahinter steckt, das muss man schon wissen – denn dahinter stecken ist hier durchaus wörtlich zu nehmen, die Musiker der Band verbergen sich nämlich hinter diversen aufwendig gestalteten Masken. Das alleine verlangt schon Respekt ab, denn spätestens auf den Sommerfestivals wird das unangenehm. Die Sängerin bietet sowohl Cleangesang als auch Growls, zusätzliche Growls werden vom Bassisten beigesteuert. Auf dem Backdrop werden die ganze Zeit Videos gezeigt, was mir persönlich etwas zu viel des Guten ist. Ich kann nicht schielen und daher immer nur entweder Band oder Videos anschauen und auf der Bühne gibt es eigentlich genug zu sehen, die Videos finde ich jetzt eher störend. Dafür hätte auf der Bühne gerne noch etwas mehr Action sein dürfen, die Bandmitglieder standen doch etwas steif herum. Da die Band jedoch noch nicht viele Auftritte hatte kann sich das ja durchaus noch zum Positiven ändern. Rein musikalisch war ich sehr gespannt auf die Truppe und auch wenn sie nicht meine bevorzugte Stilrichtung spielen, so konnten sie doch überzeugen. Es wurde sogar eine Zugabe gefordert, die jedoch leider nicht drin war. Davon in Zukunft gerne mehr.
ZEROGOD
Dann ging es auch schon mit den “alten” Bands los. ZEROGOD stammen zwar aus Pirmasens, man hat ihnen in der saarländischen Musikszene jedoch von jeher Asyl gewährt (wir sind ja gar nicht so). Es ist tatsächlich schon über 15 Jahre her, dass ich ZEROGOD zum letzten Mal live gesehen habe. Und doch ist es wieder – fast – wie früher. Die Band macht keine Gefangenen und geht von Anfang an in die Vollen – vielleicht hält das Publikum deshalb lieber etwas Sicherheitsabstand. Doch das soll sich im Laufe des Gigs auch noch ändern. Sänger Flo kann nicht nur gut brüllen, er ist auch gut im Labern und textet das Publikum zwischen den Songs gerne mal zu und findet sogar eine thematische Verbindung zwischen deutschem Beamtentum und „Double Fist Nose Driller“. Dass auf die Szene Verlass ist, das erfährt Gitarrist Thilo als er feststellt „Ich bin verstimmt! Warum sagt mir niemand, dass ich verstimmt bin??“ und sowohl von der Bühne als auch aus dem Publikum kommt „Thilo, du bist verstimmt!“ Man hilft ja gerne. ZEROGOD liefern von Anfang an eine energiegeladene Show, doch man merkt gegen Ende, dass sie doch etwas langsamer werden. Vielleicht sind sie dann in den letzten 15 Jahren doch ein wenig gealtert. Nichtsdestotrotz hat es richtig Spaß gemacht, die Pirmasenser endlich mal wieder live zu sehen und sie haben das Publikum ordentlich für die nachfolgenden Bands angeheizt.
Setlist ZEROGOD:
My Worst Enemy
Drowned In Excrements
Microcosmic Chaos
Wulgaru
Olymp Zeroed
Double Fist Nose Driller
Dead Man Switch
R’lyeh Rising
Narrator’s Revenge
INFINIGHT
Bei INFINIGHT ist es nicht ganz so lange her, dass ich sie zum letzten Mal gesehen habe – aber auch erschreckende sieben Jahre. Und da frage ich mich nun selbst, wie ich das überhaupt geschafft habe. Beim Fünfer gab es seitdem zumindest eine offensichtliche Veränderung, denn Kai Schmidt hat die Band verlassen und Christian Junker ist neu mit dabei. Wenn ich mich nicht irre ist das der erste Besetzungswechsel in mehr als 20 Jahren Bandgeschichte. Auf jeden Fall schaffen es INFINIGHT, jeden im Saal sofort in die Vergangenheit zu katapultieren. Mit „Like Puppets“ und „The Downward Spiral“ eröffnen sie das Set und diese Songs kann wohl jeder im Raum mitsingen, so lange kennt man diese Stücke schon. Auch Sänger Martin spart nicht an Ansagen, auch er ist begeistert, wie viel vom Vibe der frühen 2000er heute im Saal herumschwirrt und freut sich, dass „alle“ gekommen sind. Auch wenn das leider nicht stimmt. Doch dazu später mehr. INFINIGHT sind immer ein Garant für gute Stimmung und der heutige Abend ist da keine Ausnahme. Zu „Gallery Of Dreams“ begibt sich Martin ins Publikum, um gemeinsam mit diesem zu feiern – und vielleicht auch, um es etwas näher zu locken. Die Zuschauer halten noch immer einen gewissen Sicherheitsabstand zur Bühne ein, den der Fünfer jedoch zunehmend verkleinern kann, bis am Ende sogar ein paar Fans direkt vor der Bühne stehen und mit Martin um die Wette headbangen. Kein Wunder, spielt man doch den „Sommerhit des Jahres 2008“, „Here To Conquer“. Mit „Goodbye, Cruel World“ verabschieden sich INFINIGHT und es wird Zeit für das Highlight des Abends.
Setlist INFINIGHT:
Like Puppets
The Downward Spiral
Sea Of Knowledge
Gallery Of Dreams
For The Crown
-
Here To Conquer
Goodbye, Cruel World
ICON
Doch nicht nur das musikalische, auch das emotionale Highlight und der Grund, warum die meisten hier sind, steht nun an. Um die Zeit der Umbaupause zu überbrücken, haben ICON sich etwas besonderes ausgedacht, und auf der Leinwand über der Bühne werden Fotos aus den Anfangstagen der Band eingeblendet – der Zeit mit Drummer Bosco Domenico, mit dem auch das Set eröffnet wird. Da werden wieder viele Erinnerungen wach – und nicht nur die Bandmitglieder sind auf diesen Fotos zu sehen, auch der ein oder andere Anwesende ist hier abgebildet. Denn – wie es viele an diesem Abend schon gesagt haben: Im Saarland sind wir eine große Metalfamilie und dieser Abend ist unser Familientreffen. Aber manche der Fotos machen auch ganz schön wehmütig. Im Gegensatz dazu geht es musikalisch von Anfang an richtig zur Sache und man merkt der Band an, welchen Spaß sie hat, noch einmal gemeinsam auf der Bühne zu stehen. Nicht nur Sänger Thommy, auch Gitarrist Rob greift gerne zum Mikro, um mehr oder weniger lange Storys zum Besten zu geben. Manni Zewe, der ja eigentlich Gitarrist ist, greift an diesem Abend aushilfsweise zum Bass und tritt damit nicht nur in sprichwörtlich große Fußstapfen. Da ICON an diesem Abend zwei Drummer unterbringen müssen, besteht das erste Set nur aus Songs von der „Blindzone“, deren Titelsong diesen Block dann auch beendet. In der kurzen Umbaupause für den Drummerwechsel zu Michael „Epi“ Volz werden dann wieder Fotos an die Wand geworfen, dieses Mal aus den späteren Jahren. Und die Wehmut wird so langsam größer, insbesondere beim letzten Bild, das den verstorbenen Bassisten Daniel Pilato zeigt. Nun werden auch die Ansagen der Truppe immer emotionaler, denn jetzt geht es wirklich auf das Ende der Band zu und jeder Song, der gespielt wird, ist ein Song näher am Finale. Dennoch verliert man nicht den Spaß und reißt auch noch den ein oder anderen Witz – oder fragt sich wie Rob, ob man eigentlich den Song noch hinbekommt, den man ursprünglich selbst vor Jahren mal geschrieben hat.
Doch es kommt, was unvermeidbar ist. „Misanthropic Mayhem“ ist der allerletzte Song, den es von ICON jemals live zu hören geben wird. Die Reunion ist zu Ende, die Band wird offiziell aufgelöst. Die Jungs streifen sich T-Shirts mit der Aufschrift „ICON 2003-2024 – But Brothers Forever“ über und auch Daniel, der einfach fehlt, ist mit anwesend. In Bildern, mit seinem Bass, der auf die Bühne geholt wird, und in Gedanken derer auf und vor der Bühne. Tränen fließen, und das nicht nur auf der Bühne. Hier wird eine Band zu Grabe getragen und eine Ära geht zu Ende. Und auch wenn viele der Musiker an diesem Abend betont haben, wie toll es ist, dass „alle“ da waren – es waren eben nicht alle da. Die meisten Anwesenden dürften so zwischen 40 und 50 sein und ich finde es schon erschreckend, wie viele nicht mehr unter uns sind und so verdammt jung gehen mussten. So manche*n, die/den man früher auf gefühlt jedem Konzert getroffen hat, wird man nie wieder treffen. Sich das bewusst zu machen, ist schon hart. ABER – es war ein verdammt geiler Abend. Ja, es wurde geweint. Aber wir haben auch richtig viel gelacht. Wir hatten jede Menge „echt saarländisch Todesblei“ (und auch ein bißchen Pfälzer Geboller). Man hat so viele Leute getroffen, die man schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen hat, so viele Gespräche geführt, in Erinnerungen geschwelgt, und ich habe an einem Abend mehr Leute umarmt als im ganzen Monat davor. Es war wunderschön. Es war ein Fest. Danke für diesen Abend, danke für alles, ICON! (Anne) Icon - One Night Only (Fotos: Anne)
Setlist ICON:
Reign Of Fire
Harvest Of Hate
Friendly Fire
Blindzone
-------------------------------
The Gate
My Private Hell
Trust
Lies
The Beast
Cold Mountain
Disharmony
Pain
Misanthropic Mayhem