08/15-Interviews gibt es schon mehr als genug auf diesem Planeten.
Da freut man sich, wenn man merkt, dass eine Band so richtig Bock auf die Sache hatte. Wie zum Beispiel SICK OF SOCIETY. Doch lest selbst!
Matthias: Hallo Oliver, danke für das Interview wie geht es dir?
Oliver: Wir haben für das Interesse zu danken. Du erwischst mich gerade in freudiger Erwartung eines großen Lottogewinns. Aber mal ehrlich, die Antwort würde ich Dir wahrscheinlich auch in 10 Jahren noch geben können. Ansonsten passt alles soweit – Danke der Nachfrage!
Matthias: Lass uns direkt über euer aktuelles Album "AQ-Punk-Tur" sprechen. Ihr schreibt im dazugehörigen Promotext, dass die 14 Songs wie kleine Nadelstiche sind. Muss Punkrock deiner Meinung manchmal auch weh tun?
Falko: Definitiv. Gerade in der heutigen Zeit ist es unserer Ansicht nach immer wichtiger den Finger in die Wunde zu legen. Auf AQ-Punk-Tur haben wir das vielleicht sogar noch etwas mehr getan als auf unseren vorherigen Alben. Angesichts der aktuellen Themen, die uns umtreiben, hätte es sich seltsam angefühlt ein harmloses Spaß-Album zu machen. Uns war es wichtig, zur jetzigen Zeit genau so ein Album zu machen.
Oliver: Die Einschränkung „manchmal“ passt in dem Zusammenhang nicht für mich. „Immer“ wäre passender. Ich hasse Weichspüler-Punkrock mit zahnlosen Texten. Davon gibt es in der heutigen Zeit mehr als genug. Ich bin da immer wieder erschreckt, wie belanglos manche Bands sein können, die uns als Punkrock angedreht werden. Von daher hat Falko vollkommen recht. In der heutigen Zeit sind unzweifelhafte Statements wichtiger den je…egal ob es den Leuten passt oder nicht. Die Menschen sollen aufwachen und nicht mit einer seichten musikalischen Lachgastherapie von Realitäten abgelenkt werden.
Matthias: Ihr kommt aus Ulm und befasst euch bei "Gentrifiziert" mit dem Thema Gentrifizierung. Kannst du mir sagen wie hier die
Lage in deiner Stadt ist?
Falko: Wir kommen ja mittlerweile zur Hälfte aus Augsburg. Sicherlich ist die Lage in Augsburg und Ulm nicht so extrem wie in Berlin oder anderen Städten. Gentrifizierung ist aber auch bei uns an vielen Stellen zu beobachten. Vor allem die Notwendigkeit immer mehr Wohnraum zu schaffen, führt dazu, dass Räume für Künstler und Musiker immer mehr verdrängt werden. In den letzten Jahren hat dies auch immer wieder etablierte Clubs und Veranstaltungsorte getroffen.
Steini: Ich glaube es gibt gerade kaum mehr Städte, die nicht von dem Thema betroffen sind. Ich sehe das auch bei vielen Bekannten, die derzeit auf der Suche nach einer Wohnung sind und nichts zu einem normalen Preis finden können.
Matthias: Mit "Refugees Welcome" und "Brüder Im Geiste" packt ihr zwei brandaktuelle Themen an. Wie ist denn hierzu das Feedback und gab es schon Reaktionen aus den erwähnten Kreisen?
Falko: Wir erhalten viel zu diesem Themen vor allem Reaktionen von unseren Hörern. Da bekommen wir durchaus den Eindruck den richtigen Punkt getroffen zu haben. Mit den „erwähnten Kreisen“ ist es immer so eine Sache. Wir sind uns durchaus bewusst, dass wir vor allem Musik für unsere Zielgruppe machen. Diejenigen, die man in einem Song kritisiert, hören dagegen meist andere Musik.
Matthias: Was entgegnet ihr eigentlich Leuten, die sagen, dass Bands sich nicht politisch äußern sollten?
Steini: Dieses immer schön wage bleiben bei Aussagen/ Texten stammt doch nur von Leuten, die auf größtmögliches Publikum bzw. Geld aus sind. Da die Band für uns „nur“ Hobby ist, können wir uns erlauben zu sagen und singen was für uns wichtig ist.
Oliver: Letztlich muss das wohl jede Band für sich entscheiden. Ich kann verstehen, wenn sich diesbezüglich jemand nicht aus dem Fenster lehnen möchte – bietet schließlich viel Angriffsfläche.
Für uns ist das allerdings keine Option. Wie Steini schon sagt…Sick Of Society ist Hobby und unter Garantie antikommerziell. Wir müssen niemandem nach dem Maul reden oder uns irgendwo anbiedern. Klare Positionen in diesem Zusammenhang sind für uns einfach wichtig!
Matthias: Ihr existiert seit 1989 und obwohl ich selbst seit 1987 diese Art von Musik höre, habe ich bisher noch nie von euch gehört. Mal ehrlich, wie oft kommt das vor und wie frustrierend ist das?
Steini: Das ist doch nichts Ungewöhnliches, wenn man bedenkt wie viele Bands es gibt. Live waren wir bis Mitte der 2000er auch nur in Süddeutschland unterwegs.
Oliver: Steini hat in der Hinsicht sicher recht, aber letztlich bringst Du es mit Deiner Frage auf den Punkt…mich persönlich frustriert die Sache manchmal ziemlich. Wir versuchen schon seit etlichen Jahren live eine gewisse Präsenz in ganz Deutschland an den Tag zu legen und ziehen auch ansonsten einige Register, um den Bandnamen zu streuen. Offensichtlich nur mit mäßigem Erfolg! Warum das so ist, kann ich Dir allerdings nicht beantworten. Spekulieren will ich darüber auch nicht. Vielleicht hast Du ja eine Idee!?
Wir können einfach nur versuchen weiterzumachen…gute Songs schreiben, eine hohe Livepräsenz zeigen und alle Social Media Kanäle mit sinnigem Inhalt füllen resp. Präsenz zeigen. Der Rest liegt dann nicht mehr in unserer Hand.
An der Tatsache, dass es uns aber schon so lange gibt, erkennst Du allerdings, dass wir offensichtlich eine hohe Frustrationstoleranz besitzen!
Matthias: Hast du das Gefühl, dass sich die Szene in den letzten 3 Jahrzehnten verändert hat und wenn ja wie?
Oliver: Wenn ich ehrlich bin, dann interessieren mich Szenen nicht sonderlich. Klar in den 30 Jahren hat sich sehr viel in allen Bereichen verändert, ob zum Guten oder Schlechten sei mal dahingestellt. Auf Szenen oder sogenannte Szenenzugehörigkeiten im Allgemeinen gebe ich aber persönlich recht wenig. Ich mag Schubladen, abgesehen von meinem Schlafzimmer, nicht!
Matthias: Ihr wart bis 1993 als WICKED POWER und eher im Hardcore und Metal unterwegs. Was führte denn zur Hinwendung zum Punkrock?
Oliver: Als Fizzi 1991 zur Band kam, war das wohl die Initialzündung. Von da an haben sich immer mehr Punk/Rock-Elemente in die Musik eingeschlichen und dann letztlich wohl auch dominiert, als unser damaliger zweiter Gitarrist Thomas die Band 1998 verlassen hat.
Klar, wir haben immer wieder über den Tellerrand geblickt und in anderen Gefilden gewildert, aber der gemeinsame musikalische Nenner war ab 1998 garantiert Punk/Rock.
Vielleicht war es wohl auch der Tatsache geschuldet, dass wir erkennen mussten, dass wir für guten Metal einfach zu schlechte Musiker waren. Ein gewisses Maß an Selbsterkenntnis hat uns dann wohl auch in Richtung Punk/Rock getrieben. Da mehr Proben und Üben einfach keine Optionen waren, sind wir letztlich wohl auch beim Punk/Rock geblieben.
Matthias: Seit 2012 singt ihr nur noch auf Deutsch. Wie kam es dazu?
Steini: Auf dem 2012er Album „Niemals Wie Der Rest“ waren ja noch die Hälfte der Songs auf Englisch. Wir haben seit 2009 immer öfter mit Deutschpunk-Bands gespielt. Das hat wohl doch recht stark abgefärbt.
Oliver: Wenn man ehrlich ist, dann muss man auch zugeben, dass wir bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht sonderlich bemüht waren gute und sinnige Texte zu schreiben. Wenn man allerdings in seiner Muttersprache Texte verfasst, dann merkt man doch recht schnell, ob es sich um billige Scheißhauslyrik handelt oder ob wirklich was dahintersteckt. Dementsprechend hat sich aus meiner Sicht ab diesem Zeitpunkt auch das Niveau der Texte deutlich erhöht.
Matthias: Wie schwer ist es eigentlich Texte auf Deutsch zu schreiben?
Falko: Ich finde es ehrlich gesagt mittlerweile sogar deutlich leichter als Texte auf Englisch zu schreiben. Gerade was die Feinheiten in den Formulierungen betrifft. Man kann durch die Verständlichkeit der Sprache aber natürlich deutlich weniger verbergen. Der Inhalt des Textes steht bei den Songs einfach mehr im Vordergrund. Bei den meisten englischsprachigen Songs versteht man ja oft nicht direkt worüber gesungen wird. Der Inhalt wird dann oft erst beim mehrmaligen Hören oder Nachlesen der Texte klar. Das ist bei deutschsprachigen Texten eine ganz andere Sache.
Matthias: Habt ihr manchmal das Gefühl, dass im deutschsprachigen Punkrock schon alles gesagt wurde?
Falko: Das finde ich nicht unbedingt. Gerade in der Auseinandersetzung mit aktuellen Themen ist immer auch eine Weiterentwicklung zu beobachten. Und viele jüngere Bands aus dem Punkbereich gehen da auch komplett neue Wege und haben oft sehr innovative Texte. Ich denke daher eher, dass sich die inhaltlichen Grenzen der Texte immer weiter verschieben und daher auch längst noch nicht alles gesagt ist.
Matthias: Ihr fragt im Promotext zum Album, ob es heutzutage noch Punkrock braucht. Wie würdest du persönlich auf diese Frage antworten?
Falko: Als Punkband so eine Frage in den Raum zu stellen, war natürlich eine Überspitzung dessen, was man vor allem von Außerhalb der Punkszene häufig zu hören bekommt. Natürlich glauben wir dass es heutzutage noch Punkrock braucht. Und die große Zahl an nach wie vor spannenden Bands aus diesem Bereich zeigt das ja auch immer wieder. Auch wenn das natürlich nicht mehr der klassische „Punkrock“ ist wie vor 20 oder 30 Jahren. Die Idee dahinter scheint aber für viele Bands (uns eingeschlossen) immer noch sehr wichtig zu sein.
Matthias: In 33 Jahren habt ihr sicher viel erlebt. An was erinnerst du dich gerne und was würdest du am liebsten vergessen?
Oliver: Puh, schwierige Frage. Natürlich ist jede Albumveröffentlichung ein Highlight, an das man sich gerne erinnert. Für mich persönlich war aber die Tour in Indonesien 2016 eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Sowas erlebt man im Leben nicht oft.
Auf der anderen Seite war der Ausstieg von Fizzi 2014 und die nachfolgende Absage der UK-Tour ein absolutes Lowlight. Nach über 20 Jahren seinen Kollegen aussteigen zu sehen, war nicht ganz einfach. Zumal Fizzi als Sänger, Gitarrist, Songschreiber und Texter einen sehr großen Anteil an Sick Of Society ausgemacht hat.
Zum Glück leben wir im hier und jetzt und das macht in jedem Fall Mut auf weitere spannende Jahre in der Band.
Matthias: Was motiviert euch nach 3 Jahrzehnten zum Weitermachen?
Steini: Für mich ist der Spaß beim Musizieren das Wichtigste. Natürlich motiviert es auch wenn gute Kritiken zum Album kommen oder wir live spielen können.
Oliver: Darüber habe ich mir eigentlich noch nie großartig Gedanken gemacht. Wahrscheinlich treibt mich die Leere an, die sich auftun würde, wenn plötzlich alles vorbei wäre. Ich kann quasi nicht anders als weiterzumachen und solange sich Mitstreiter finden lassen, entkomme ich dieser Leere erfolgreich.
Matthias: Ich habe in meiner Kritik geschrieben, dass ihr es teilweise mit der wir gegen alle Attitüde übertreibt. Denkst du, dass diese Einstellung noch in die Zeit passt und wenn ja warum?
Falko: Ich glaube nicht das wir gegen alle sind. Das wird natürlich in manchen Texten etwas überspitzt oder sogar übertrieben. Aber genau das macht es für uns textlich auch interessant. In einem Song hat man ja immer ein Motiv und möchte eine klare Haltung ausdrücken. Und da beschäftigen uns die Dinge, die uns nicht gefallen einfach mehr, als das was wir gut finden.
Oliver: Ich kann Deine Anmerkung gut nachvollziehen. Man muss aber letztlich auch berücksichtigen zu welchem Zeitpunkt das Album entstanden ist. Texte über Sex, Drugs & Rock’n’Roll zu verzapfen, während eine Pandemie und andere Scheußlichkeiten das Tagesgeschehen dominieren, wäre komplett deplatziert gewesen. Aus unserer Sicht haben wir die richtigen/wichtigen Themen zum richtigen Zeitpunkt auf die Menschheit losgelassen.
Matthias: Euer Bandname erinnert sehr an SICK OF IT ALL wurdet ihr schon mal verwechselt?
Oliver: Wir werden eher mit Sick Of Society aus den USA verwechselt. Die Jungs haben sich einige Jahre nach uns gegründet und sind wohl auch schon einige Jahre wieder Vergangenheit. Mit Sick Of It All wurden wir meines Wissens nach bisher nie verwechselt. Wir haben allerdings schon einmal mit den Jungs live gespielt und wenn ich mich recht erinnere, hat SOIA auch eine gewisse Mitschuld an unserer Namensgebung. Fizzi und ich waren 1993 auf einem SOIA Konzert. Die Energie und das ganze Drumherum haben uns wohl nachhaltig beeindruckt …
Matthias: Mit wem würdest du gerne einmal die Bühne teilen?
Steini: Bad Religion oder NOFX wären für mich der Traum.
Oliver: Mir würden hier eher Bands einfallen, mit denen ich unter keinen Umständen spielen möchte. Ansonsten ist mir das eigentlich egal. Hauptsache gut drauf und keine unangenehmen Zeitgenossen.
Matthias: Wie kamst du zur Musik?
Steini: ich habe mit 9 Jahren von einem Klassenkameraden die Slayer „Reign in Blood“ kopiert bekommen und bin seit dem ein Fan von schneller und harter Musik.
Oliver: Da ich dem Tod näher bin als meinen Jugendjahren, habe ich daran keine großen Erinnerungen mehr. Zur harten Musik kam ich aber wohl von Bon Jovi über Maiden, Twisted Sister und Slayer. Danach viel Death Metal. Der Grund warum ich dann selber irgendwann angefangen habe auf Töpfen und Schachteln rumzuklopfen war Fizzi. Der kam 1988 in meine Klasse, spielte bereits mit seinem Bruder in einer Band und hinterließ dadurch massiv Eindruck. Tja, danach hat es noch ein Jahr gedauert, bis ich mein erstes Schlagzeug bekommen habe. 33 Jahre später sitze ich nun hier und beantworte diese Fragen. Wie die Zeit doch vergeht …
Matthias: Gibt es Musiker die du bewunderst?
Steini: In Zeiten von Youtube findet man immer mehr krasse Musiker z.B. Charles Berthoud ist für mich ein extrem guter Bassist.
Oliver: Bewundern ist der falsche Ausdruck. Mich frustrieren andere Musiker eher. Unglaublich wie viele gute Schlagzeuger es da draußen gibt. Da ist die eigene Talentfreiheit dann schon echt peinlich. Aber hey, Spaß macht es trotzdem noch und letztlich wird es immer Menschen geben, die Dinge besser können als man selbst. Also warum darüber ärgern …
Matthias: Möchtest du den Fans noch etwas mitteilen? Danke für deine Zeit.
Oliver: Danke fürs Interesse an Sick Of Society. Wir würden uns freuen, wenn Ihr unserem neuen Album „AQ-PUNK-TUR“ eine Chance geben würdet und schaut gerne mal bei unseren Konzerten vorbei.
Bleibt gesund, lasst Euch nicht ärgern und passt auf Euch auf!