Wer meint, die jetzige Gitarrenszene hätte nichts mehr Überraschendes zu bieten, hat sicherlich (leider) recht. Die Core-Gefilde sind mittlerweile überfischt, Pagan- und Folk-Bands dudeln zum größten Teil nur noch nervig vor sich hin und im traditionellen Heavy-Metal sind die Ideen der Achtziger eh schon x-Mal geklaut und recycelt worden.
Was bleibt, ist der Crossover-Sektor in dem nach wie vor munter die Stile gemischt und gekreuzt werden und sich die Vielfalt bei ausreichendem handwerklichen Geschick positiv entwickeln kann.
Als aktuellstes Beispiel dürfen ROOTWATER aus Polen herhalten, die mit ihrem dritten Langeisen "Visionism" um die Ecke kommen und den Rezensenten so manches "Aha" und "Oha" entlocken konnten!
Eines ist sicher: Metal-Puristen werden bei diesen Polen das Weite suchen, aber für Scheuklappen-Träger ist "Visionism" sicherlich ohnehin nicht gedacht. Hier regiert ein feines Potpourri aus SYSTEM OF A DOWN (Stimmlich sowie durch Einbindung der Folk-Momente), FAITH NO MORE (beschwörende Keyboards und Mike Patton-ähnliche Gesangslinien) sowie fettem Ami-Neo-Thrash der Marke DEVIL DRIVER und einem Schuß SLIPKNOT.
Immer überraschend, immer frisch und immer Metal - das sind in etwa die Eckdaten von ROOTWATER. Das monumentale Intro führt den Hörer dabei ein wenig in die Irre; denn daß danach eine Stunde so wüst gekreuzübert wird, ist hier noch nicht abzusehen - es kommen so viele Zutaten in den Mixer, daß der geneigte Hörer viele Durchläufe brauchen wird, um alle herauszuschmecken. Das Ergebnis ist dennoch ein homogener Cocktail, der die verschiedensten Geschmacksknospen anspricht.
So ist beispielsweise das unheilvolle "Alive" neben den stampfenden "Living In A Cage" und "Timeless" einer der großen Höhepunkte auf "Visionism". Aber auch "The Ministry" mit seinen überraschend eingestzten Bläsern sorgt für ein fettes Grinsen - a propos Tröten: "Haydamaka" ist ein nahezu astreiner Ska-Song geworden, der zusätzlich gegen Ende Folk-Elemente miteinfließen ließ und einen gelungenen Abschluss von "Visionism" bildet. Desweiteren kann ich eigentlich keinen wirklichen Ausfall registrieren; einzig "Closer" gerät mir mit dem ewigen "Ajeeajeeajee"-Gesang ein wenig ZU nervig.
Fazit: ROOTWATER ist mit ihrem dritten Streich ein mitunter zwar anstrengendes, aber hochwertiges und originelles Album gelungen - Fans der oben genannten Bands werden mit den Polen einen neuen Leckerbissen entdecken.
Ob die Erfolgsspanne in Sphären von SOAD reichen wird, wage ich dennoch zu bezweifeln - dazu ist das Ganze dann doch zu unkommerziell. (Brix)
Bewertung: 8 / 10
Anzahl der Songs: 15
Spielzeit: 60:19
Label: Mystic Production/Soulfood
Veröffentlichungstermin: 19.03.2010
