Schon wieder Norwegen, schon wieder Karisma Records und schon wieder eine Formation, die ihre Einflüsse aus den frühen Zeiten der Rockgeschichte zieht. Kaum ist die AIRBAG etwas aus der Rotation draußen, da legt das Bergener Label mit THE BRIMSTONE SOLAR RADIATION BAND nach. Im Gegensatz zu anderen interessanten Neuerscheinungen aus dem Land der Fjorde hat man es hier aber nicht mit einem Debüt zu tun, denn „Smorgasbrod“ ist bereits der dritte Longplayer der Truppe.
Vier Jahre ließ man die Fans auf ein neues Album warten, da hatte man genug Zeit, in den Archiven der Populärmusik zu kramen um ganz alte Ideen weiter zu spinnen. Damit dürfte auch klar sein, dass gestandene Metalheads, welche die Tarnhosen auch im heimischen Gemach tragen, gerne weiterscrollen können, erst recht wenn sie AMORPHIS ihre Hinwendung zu neo-hippesken Sounds nie verziehen haben. Der Rest möge meinen Worten weiter folgen, es lohnt sich.
Hatte ich ja in der Einleitung noch etwas von zurück geschrieben, ist das sehr ernst zu nehmen, denn es geht verdammt weit zurück. Wir landen irgendwo im Jahr 1966/67, in dem sich etwas zusammenbraute auf beiden Seiten des Ozeans. Während in London die BEATLES immer mehr zur Studioband avancierten, um vieles für die bevorstehende Progressive-Welle vorzubereiten, schwappte vom Ashbury/Haight-District an der Pazifikküste die FlowerPower-Bewegung über den Rest der Welt. THE BROMSTONE SOLAR RADIATION BAND landen genau irgendwo dazwischen.
Und so treffen Harmoniegesänge wie sie damals auch von den BEACH BOYS zu hören waren auf entspannte Momente, sei es Canterbury-Relaxtheit oder eben schöne akustische Weisen, die viel Sonnenschein transportieren. Das Ganze würzt man mit vielen kleinen Details und einem gewissen Wahnwitz, tollen Arrangements und erhält am Ende einen sehr schmackhaften Rock-Cocktail, wie er ungewöhnlicher für unsere Zeit nicht sein könnte.
Hier wird so herrlich altmodisch agiert, dass er eine wahre Freude ist, vor allem, da man eine ungeheure Frische an den Tag legt und keine Sekunde angestaubt klingt. Melodien gibt es hier vom Fass, man höre nur „Spain“ oder „Crazy Rainbow“ welches süffig wie Honigmilch rein läuft, nachdem es zunächst kurz sphärisch wie ganz frühe PINK FLOYD anklingt. Die nahmen ja damals auch viele Ideen der BEATLES auf, so dass man sagen könnte, sie machen dort weiter nur in eine andere Richtung.
Bei den vielen von der stromlosen Gitarre begleiteten Songs, etwa dem Opener “Medic“ wähnt man sich tatsächlich im „Summer of Love“, lässt aber auch an Koryphäen wie TOM PETTY und MARK KNOPFLER denken. „The Great Yeah“ hingegen schielt mit seinem Latin-Flair in Richtung SANTANA, wohin gehend „Sanctimonious High“ mit Bläsersätzen aufwartet. Heftige Akkorde kommen eigentlich nur bei „Thin Air“ zum Zug, und auch da recht kurz, wenn sie in die verspielte Strophe brechen um in den süßen von Steel-Gitarren begleiteten Chorus über zu leiten. Da übt man sich lieber in ruhigen Balladen in der Art von „Godspeed Mother Earth“ oder dem mit Geigen verzierten Gospel „Strings To The Bow“.
Nicht nur kompositorisch lässt man diese musikalisch sehr wichtige Phase hochleben, auch soundtechnisch geht das genau in die Richtung. Hier tönt alles eine Ecke kratziger, rauer, trockener, ein gewisser Charme ist dem kauzigen Klangbild allerdings nicht abzusprechen. Es ist ja auch hier nicht so, dass man altbacken klingt, die Produktion hat genug Druck, ist differenziert nur eben die Klangfärbung ist auf diese Ära zugeschnitten. Gerade in den von Blues und Jazz inspirierten Soli erzeugt es eine wohlige Wärme.
Das Einzige was mich etwas ratlos macht, ist die Aussage im Begleitschreiben, dass die Band keinesfalls retro ist. Ich mein, das sagen sogar MUNICIPAL WASTE, welche Stretch-Jeans und Basketball-Steifel tragen und wie GANG GREEN meets ANTHRAX klingen. Okay, im weiteren Sinne könnte man „Smorgasbord“ im Regal durchaus unter BritPop einsortieren, aber hat der seine Einflüsse nicht auch durchgehend von den Fab Four. Wegen seiner Artverwandtheit zu eben jener Stilistik sollten sich die Norweger öfter am anderen Ufer der Nordsee präsentieren, da könnte man mit solcher Musik Erfolg haben. Hierzulande eher weniger, was schade ist, denn die Scheibe macht echt Spaß. (Pfälzer)
Bewertung: 8 / 10
Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 55:15 min
Label: Karisma Records
Veröffentlichungstermin: 02.10.2009
