Necrolepsia - Mørke Makter


Es hat schon länger kein Album mehr gegeben, auf das ich so lange gewartet habe. Und noch länger keines, zu dem ich eine so enge Bindung habe. Denn die ersten Songs wurden bereits vor sieben Jahren als Demoversionen veröffentlicht und haben mir und meinem Mann so gut gefallen, dass wir sie auf unserer Hochzeit gespielt haben. Ja, so ein wenig Black’n’Roll macht sich echt gut auf einer Hochzeit, kann ich nur empfehlen.

Seitdem habe ich gewartet (und ja, vielleicht auch ein bisschen gedrängelt und genervt), dass die Songs endlich anständig aufgenommen werden, denn meiner Meinung nach war das Material schon immer viel zu gut, um nur auf YouTube und privaten Rechnern vor sich hinzudümpeln. Letztendlich sind dann aus den ursprünglich fünf Songs sogar zehn geworden und aus der EP ein ganzes Album, das das Debütalbum der Färinger markiert.

Musikalisch kann man schon deutlich einen Unterschied zwischen den alten und den erst später entstandenen Songs hören. Die alten haben mehr Groove und klingen genau so, wie man sich Black’n’Roll vorstellt und sind auch eindeutig von Bands wie SATYRICON, KHOLD und ABBATH inspiriert. Die neuen dagegen sind melodiöser, eigenständiger und auch ein klein wenig sperriger, tendieren auch mehr Richtung Black Metal, ohne jedoch zu weit von der Black’n’Roll-Schiene abzuweichen.

Ich gebe zu, ich musste mich erst an die neuen Versionen der alten Songs gewöhnen. „Necrolepsia“, „Dystre Dommer“, „Dødens Véer“, „Fienden“ und „Plagesalmen“ habe ich in den letzten sieben Jahren so oft gehört (die Songs sind zum Beispiel perfekt wenn man nachts mit dem Auto unterwegs ist und etwas braucht, das wach hält), dass ich sie in- und auswendig kenne. Da fallen dann auch kleine Änderungen auf. Meistens sind diese jedoch ohnehin positiv, allerdings vermisse ich schmerzlich den hingekotzten Shout nach dem leicht hektischen, harten Mittelpart in „Necrolepsia“.

Wer verbirgt sich eigentlich hinter NECROLEPSIA? Keine Unbekannten in der färöischen Metalszene. Hauptsongwriter und Bandgründer John Åge Frost kennt man auch von HAMRADUN, HAMFERÐ und anderen Bands, Schlagzeuger Sigurd Justinussen war in EARTH DIVIDE und GORESQUAD aktiv und Bassist Finnur Nielsen spielt auch bei ASYLLEX. Doch es gibt noch weitere bekannte Mitwirkende. So findet sich unter den Gästen beim Chor z.B. Pól Arni Holm, ebenfalls von HAMRADUN und der Mix wurde von Hans Hammer, seines Zeichens Gitarrist bei TÝR, vorgenommen.

Doch es gibt noch mehr zu entdecken auf diesem Album, das auch über die Musik hinaus sehr interessant ist. Denn obwohl es die Platte einer rein färöischen Band ist, sind die Texte alle auf Norwegisch. Laut John Åge Frost hat dies gleich mehrere Gründe, denn es soll sowohl Norwegen als Herkunftsland des Black Metal huldigen, aber auch auf die Verbindung, die die Färöer zu Norwegen haben, hinweisen (immerhin gehörten sie rund 800 Jahre zu Norwegen) und es gibt auch persönliche Verbindungen zu dem Land.

In den Texten geht es oft um lebende Tote, aber es handelt sich nicht um plumpe Zombiestories, sondern die Texte sind mehr als Kampf mit den eigenen inneren Dämonen zu verstehen. Äußerst interessant finde ich persönlich, wie gut die Gedichte von William Heinesen thematisch dazu passen. Ja, richtig. William Heinesen, der wohl berühmteste Schriftsteller und bildende Künstler der Färöer hat nicht nur Bücher geschrieben, sondern auch Gedichte und mir war bisher nicht bewusst, wie düster diese teilweise sind.

Ich weiß nicht, wann genau diese Gedichte entstanden sind, doch nicht nur der Titel „Leningrad“ deutet darauf hin, dass sie während des Zweiten Weltkriegs geschrieben wurden oder zumindest diese Thematik behandeln. Und wenn man dann bedenkt, dass William Heinesen während des Zweiten Weltkriegs ungefähr in dem Alter war, in dem ich jetzt bin und wir schon wieder einen Krieg in Europa haben – es macht die Texte noch nachvollziehbarer und eindringlicher. William Heinesen hat alle seine Werke auf Dänisch geschrieben – aus Gründen der Kontinuität wurden sie daher für dieses Album ins Norwegische übertragen.

Eine weitere Überraschung bietet sicher „Foruten Vind“, denn dahinter verbirgt sich die eigentlich recht sanfte Volksweise „Vem Kann Segla Förutan Vind?“, die von den Ålandinseln stammen soll. Auch hier wurde der Text vom Schwedischen ins Norwegische übertragen. Außerdem beweisen NECROLEPSIA, dass man auch dieses Stück schwarzmetallisch spielen kann, allerdings unterscheidet es sich durch die Melodie und auch den Text doch sehr vom Rest des Albums und ich hätte es daher vielleicht eher ganz ans Ende gestellt. Das wird jedoch von „Plagesalmen“ gebildet, das zunächst richtig heftig zur Sache geht, dann aber mit Ambient Sounds des isländischen Künstlers K. Fenrir endet, die dem ganzen Album nochmal einen Ticken mehr Düsternis mitgeben.

Ich bin sicher etwas voreingenommen, was die alten Stücke angeht, da ich die einfach schon so oft gehört habe, dass sie mir besser gefallen als die neueren Stücke. Aber das wird dem neuen Material nicht gerecht. Nicht umsonst wurden „October“ und das großartige „Atterglans“ als erste Singles veröffentlicht. Und „Leningrad“ erinnert mich mit seinen Soundsamples von marschierenden Soldaten und Fliegeralarm immer an BLACK SABBATHs „War Pigs“ (obwohl da die Soundsamples gar nicht vorkommen). Aber der Song hat auch einfach einen fantastischen Groove und die Chöre verleihen dem Stück, genau wie „Vinternatt“, noch zusätzliche Tiefe.

Insgesamt ist „Mørke Makter“ ein richtig cooles Black’n’Roll-Album geworden, dass ich jedem Fan der oben bereits genannten SATYRICON und KHOLD nur ans Herz legen kann. Trotz der textlichen Ernsthaftigkeit macht es einfach Spaß und ich hoffe, dass ich die Stücke auch bald mal live erleben kann. (Anne)


Bewertung:

Anne8,5 8,5 / 10


Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 41:56 min
Label: Tutl Records
Veröffentlichungstermin: 15.08.2024

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