Irgendetwas scheint in Italien anders zu laufen. Ist hierzulande progressiver Metal mit weiblichen Vocals leider fast undenkbar, so ist FARTHER PAINT nach SOLISIA bereits die zweite Prog Band aus dem Stiefelland, die mir in den letzten Monaten begegnet. Und da das Land südlich der Alpen in den zurückliegenden Jahren nicht gerade durch viele positive Veröffentlichungen in Sachen Prog von sich Reden gemacht hat, muss man FARTHER PAINT zu den größten Hoffnungen der italienischen Szene zählen. Doch ganz so frisch wie man jetzt denken mag, sind FARTHER PAINT auch nicht mehr, die Band existiert in ihren Grundzügen schon seit 13 Jahren, und nach vier Demos erscheint jetzt endlich das erste vollwertige Studioalbum "Lose Control" beim finnischen Label Lion Music.
Das ist insofern eine schöne Sache, weil FARTHER PAINT etwas aus der altbekannten DREAM THEATER Klonerei ausbrechen, auch wenn unüberhörbar ist, dass sich die Italiener mit dem Schaffen der Herrschaften aus Long Island intensiv beschäftigt haben. Auf der anderen Seite funktionieren diese Experimente nicht immer, denn mit zunehmender Spielzeit verliert die Band den Song aus den Augen und konzentriert sich zu sehr auf’s Frickeln und Experimentieren.
Zu Beginn von "Lose Control" ist aber noch alles in bester Ordnung. Das eröffnende Instrumental gibt auf überschaubarer Länge die Richtung der gesamten Scheibe vor, und geht nahtlos über in den ersten richtigen Song "Hold Me". Und zuerst traut man seinen Ohren kaum, denn die Stimme von Sängerin Monia Rossi würde man so niemals mit einer Metalband in Verbindung bringen.
Mit "No One Is Around Me" folgt das Highlight von "Lose Control" auf dem Fuße. Sowohl von der melodischen als auch von der verspielten Seite her erste Sahne. Beim zweiminütigen Piano-Gesangs-Intermezzo "Chains" zeigen sich FARTHER PAINT von der ruhigen Seite und auch das kann gefallen. Gerade "Chains" beweist, dass Monia Rossi auch außerhalb des Heavy Metals eine gute Figur als Sängerin abgeben würde.
Beim Longtrack "Illusion In My Hands" werden dann erste Anzeichen der Schwäche spürbar. Diesem Song fehlen die Stützpfeiler, irgendetwas, woran man sich als Hörer festhalten und orientieren kann, und auch das zweite Instrumental der Scheibe "Anger" fällt mit fast 7 Minuten zu lang aus, und nervt zusätzlich mit Scratcheinlagen; so hört’s sich jedenfalls an.
Wenigstens "Inside The Cage" kann in der zweiten Hälfte noch Punkte gutmachen, denn auch das abschließende "My Noise" weiß nicht so wirklich zu überzeugen, hat der Song an einigen Stellen doch tatsächlich was von "Lärm". Schade, würden FARTHER PAINT das Niveau der ersten vier Songs über die gesamte Scheibe halten, es wäre unterm Strich locker eine 8 drin.
Der Sound von "Lose Control" geht soweit in Ordnung und lässt jedes Instrument gut zur Geltung kommen. Die Produktion könnte für Metalverhältnisse noch etwas mehr Druck vertragen, gerade was das Schlagzeug angeht. Auf der anderen Seite würde ein richtig derber Drumsound das zarte Stimmchen der Sängerin vermutlich zu sehr zerstören. Die Inanspruchnahme von fremder Hilfe hätte in Sachen Produktion bzw. Arrangements sicherlich nicht geschadet. Doch die Band hat sich dazu entschieden, von der kompletten Aufnahme bis hin zum Artwork alles selber zu machen; sie verlieren augenscheinlich nur ungern die Kontrolle. Mit einem pralleren Sound und weniger Experimenten hätte "Lose Control" eine richtig gute Scheibe werden können.
Wenn man bedenkt, wie viele Jahre die Band in dieses erste Album investieren konnte, ist das Ergebnis schon etwas enttäuschend, und so werden es FARTHER PAINT schwer haben, trotz günstiger Voraussetzungen aus der grauen Masse aufzufallen. (Maik)
Bewertung: 6 / 10
Anzahl der Songs: 8
Spielzeit: 42:47 min
Label: Lion Music
Veröffentlichungsdatum: 12.12.2008
