Nein, das ist kein Soloprojekt vom SATYRICON-Trommelgott gleichen Namens und hat auch nichts mit der ebenfalls so benannten US-Band zu tun. Vielmehr ist es die Progressiv-Rock-Plattform, mit der Hitkomponist Jem Godfrey seine Leidenschaft für ernsthafte Musik ausleben kann. Gelangweilt vom Job hinter den Kulissen scharrte er vor zwei Jahren eine illustre Truppe aus britischen Prog-Muckern um sich, um mit ihnen das Debüt „Milliontown" einzuspielen. Mit an Bord sind Gitarrist John Mitchell, der einem momentan überall über den Weg läuft sowie die IQ-Mitglieder John Jowitt am Bass und Andy Edwards hinter der Schiessbude. Zwar war danach die Zukunft offen, auch weil Godfrey mit seinem Gesang nicht so zufrieden war, doch mit dem talentierten Declan Burke, der auch die zweite Gitarre übernimmt fand er eine geeignete Stimme. In der Zwischenzeit hatte der Kreativkopf viele Stücke komponiert, aber nicht zwangsläufig für diese Formation, weswegen er sie umarrangierte, bevor er sie aufnahm. Das Ergebnis liegt nun in Form von „Experiments in Mass Appeal" vor.
Dabei ist der Name durchaus Programm, denn das Zweitwerk ist deutlich melodischer und straffer ausgefallen als der Vorgänger, verzichtet aber dennoch nicht auf auslandende Sound-Reisen. Hauptsächlich leben die Songs vom Zusammenspiel von Godfrey´s Keyboard und den akustischen Gitarren, die sehr schön harmonieren. Harmonie ist auch das Stichwort beim Gesang der Neuentdeckung, seine sanfte Stimme fügt sich sehr gut in die Kompositionen ein.
Die Strophen sind alle auffällig ruhig gehalten, bevor sie in den Refrains eruptiv hervorbrechen. Dabei werden sie vielfach von schwebenden Synthie-Flächen getragen. Den Unterschied machen vor allem die Arrangements aus, die den Titeln ihre eigene Identität geben. Denn eigentlich wurden sie als gewöhnliche Rocksongs komponiert, was man den Songs, anhört wenn man die Melodien einmal bis auf das Korsett reduziert.
Zu Beginn der Scheibe kommen zwei schöne getragene Nummern, die durchaus einen gewissen Pop-Appeal haben, aber eher in der Art ihrer Label-Genossen IT BITES. Hier macht sich auch ein wenig das Spiel von Mitchell bemerkbar, der anscheinend bei allen britischen Prog-Produktionen seine Hand im Spiel hat, nachzuhören im Solo des Titelsongs. „Pocket Sun", einer der beiden rockigeren Stücke beginnt mit einem verschachtelten Riff, das an RUSH erinnert. Die andere Nummer ist „Toys", das mit einem Alternative-Einschlag daherkommt.
Nicht nur aufgrund der immer wieder eingestreuten Akkordfolgen klingt das ein wenig wie eine weitere kanadische Band, COHHED & CAMBRIA. Das liegt vor allem auch an der sehr hohen Stimme von Declan Burke, die streckenweise der von Claudio Sanchez ähnelt. Auf den neuen Frontmann hält der Band-Kopf große Stücke, bezeichnet ihn gar als kommenden Prog-Superstar. Ob es so weit kommt steht noch in den Sternen, aber einen guten Job liefert er sicher ab.
inen Ausflug in die Welt der Elektronik unternehmen FROST mit den zusammen hängenden „Dear Dead Boys" und „Falling down". Ersteres kommt flirrend und ein wenig hektisch daher, weiß sich aber gut in den Gesamtkontext einzufügen. Das zweite pulsiert mehr und lebt wie vieles auf „Experiments in Mass Appeal" von der ungewöhnlichen Rhythmik.
Hier entfernen sich die Engländer am meisten von gängigen Prog-Mustern, was ihr erklärtes Ziel ist. Vor allem die ruhigen Abschnitte kommen ohne Begleitung daher, der Rest wechselt zwischen percussiven Elementen und wuchtigen, treibenden Breaks. Nur wenig lässt Schlüsse an die traditionellen britischen Gruppen zu. Da wäre zuerst das schwebende Solo in „Falling down" und dann die konzentrierte Gitarren-Drum-Harmonie in „Wonderland", die an alte GENESIS denken lässt.
Doch auch hier versteht es Godfrey Eigenständigkeit einfließen zu lassen, in dem diese Elemente im ungewöhnlichen Klanggewand kaum zu erkennen sind. Durch das gesamte Album zieht sich ein spaciger, geschliffener, fast schon steriler Sound. Hört sich unpassend an, doch gerade zu den sehr klaren Vocals passt der Mix überraschend gut. Dadurch ergibt sich eine sehr dichte, aber auch unterkühlte Atmosphäre, die das Album aus der Masse abhebt. Nur erschwert diese Distanziertheit trotz aller Melodiefülle den Zugang zum Album, ebenso wie die zu sehr ausgeprägte Laut/Leise-Dynamik. Für alle, die ausgetretene Pfade verlassen wollen, ohne allzu sehr ins verschrobene abzudriften sicherlich ideal. Alle anderen werden ein interessantes, aber nicht hochklassiges Werk vorfinden. (MetalPfälzer)
Bewertung: 7 / 10
Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: 56:51 min
Label: Inside Out
Veröffentlichungstermin: 07.11.2008
