18 Monate nach ihrem Debüt „Transcendental" werfen TO-MERA schon ihre zweite Scheibe auf den Markt. Steuerte der Vorgänger schon sehr in progressiven Gewässern, so wollen die Engländer mit „Delusions" ihren Stil noch weiter verfeinern. Touren mit DREAM THEATER und EMPEROR zeigen schon wie breit ihre Bandbreite gefächert ist. Und so sollen die einzelnen Stimmungen noch mehr herausgearbeitet werden. Ein Blick auf das Label zeigt dann, dass man endgültig alle Nebenbeschäftigungen einstellen sollte beim Konsum dieser Musik.
Dabei fängt es noch harmlos an, treibende Frickel-Riffs treffen auf NIGHTWISH-Gesänge, massenweise Breaks und Keyboardflächen. Doch nach zwei ein halb Minuten zerschneidet Black Metal-Sirren das Bild, das man sich gerade aufbauen wollte. Klar kommen solche Passagen wie zu Beginn hier öfter vor, aber auch an Einsprengseln aller Extrem-Metal-Richtungen wird nicht gespart. Bei „Mirage“ ist es Death Metal, bei „Asylum“ glänzen sie mit Thrash-Riffs und beim SEPULTURA meets STRATOVARIUS-Beginn von „The Glory of a new Day“ wurden die Äxte derbe runtergestimmt.
Doch dann entgleist die Achterbahnfahrt endgültig, aus dem Nichts tauchen Kontrabass und Bläser auf und lassen den Jazz hochleben, irre! Und derartige Wechsel gibt es in jedem Song, mal mehr, mal weniger aus dem Zusammenhang gerissen. Beim erwähnten „Asylum“ gelingt es diese Einflüsse schön mit düsteren Sphären zu vermengen, während sich später die Bläser gekonnt unter die Sechssaiter mischen. Dennoch passiert das ganze meist zu abrupt.
Wie so ziemlich alles auf diesem Album, da geht es hin und her, ständig ein anderes Tempo, ein anderer Stil, ein anderes Detail. Sei es klassischer Metal, schnelle Soli, oder Anleihen an das Traumtheater, ohne die scheinbar die eigenständigste Formation nicht auskommt.
An Instrumenten wird auch alles aufgeboten, was der Fundus hergibt, Tastenmann Hugo Sheppard brilliert auf der Orgel, analogen Synthesizern genauso wie auf dem Piano. Frontgrazie Julie Kiss wirkt indes nicht immer wie die Vorgaben der finnischen Superstars, vielmehr rückt sie in den ruhigen Parts an spätere THE GATHERING oder BJÖRK heran.
Nur Gitarrist Tom McLean bringt wenig Abwechslung in seine Frickel-Attacken, da werden allzu oft die gleichen Grifffolgen und Staccatos verwendet. Dafür überzeugt Schlagwerker Paul Westwood mit unglaublichen Variationen, so dass oft fast er die Melodie vorgibt. Man höre hierzu „Fallen from Grace“ oder die Tribal-Elemente in „The Glory of a new Day“.
Doch insgesamt wirkt “Delusions” doch etwas zu zerfahren, zu unübersichtlich. Warum kann man nicht wenigstens einmal bei einem Grundthema bleiben. Nur selten wiederholt sich eine Melodie in den um die acht Minuten langen Songs. Da wird dauernd vom bombastischen ins trockene, vom derben ins gefühlvolle gewechselt, ohne das dem Hörer Zeit bleibt sich auf etwas einzustellen. Selbst nach dem fünften, sechsten Durchlauf bleibt da nichts ansatzweise hängen.
Gut, man muss attestieren, dass die Scheibe recht einheitlich klingt, den Sampler-Charakter ähnlicher Acts haben sie nicht. TO-MERA gelingt es alles in ihren Sound zu integrieren, man kann eine deutliche Handschrift erkennen. Dazu ist im spieltechnischen Bereich alles sehr gut umgesetzt und die Produktion kann sich sehen lassen.
Nichts desto trotz bleibt unterm Strich ein schwer zu konsumierendes Machwerk, an dem eher Musikwissenschaftler ihre Freude haben. Selbst für erfahrene Prog-Hörer kratzt das ziemlich an der Nerv-Grenze. (MetalPfälzer)
Bewertung: 5,5 / 10 Punkten
Anzahl der Songs: 8
Spielzeit: 62:05 min
Label: Candlelight Records
Veröffentlichungstermin: 18.02.2008
