Selig waren die Zeiten, als man
sich als Schüler tagein tagaus die gottgleiche „Days of purgatory" reinzog und
nicht an menschliches Werk glaubte, diese
wahnsinnig präzisen Riffs konnte einfach kein menschliches Wesen spielen.
Völlig von „Dark saga" in den Bann gezogen
wollte man nichts als diese fantastische,
einzigartige Musik hören, die das Leben in den Grundfesten erschütterte und
eins für alle Mal klar machte: Heavy Metal for life!!
10 Jahre später ist neben der Beibehaltung des Lebenscredos
zumindest der Blick auf ICED EARTH etwas differenzierter geworden, der
Sängerwechsel und das umstrittene „Glorious burden" ließ mich ein wenig von der
lebensprägenden Band entfernen. „Framing
armageddon" rangierte dann
erst einmal etwas weiter hinten auf der Einkaufsliste.
Doch irgendwo liegt noch ein tiefes Vertrauen in die
einstige Lieblingsband und somit war es
selbstverständlich, sich das Ganze auf Tour anzuschauen
und ein für allemal zu entscheiden, auf welchem Platz ICED EARTH heute rangiert!
Stau, überall Stau. Wie entsteht eigentlich so ein Stau?
Sind es die Drängler, oder die Bummler? Die Opas mit Hut? Die ängstlichen
Hausfrauen? Niemand weiß es. Was man
aber weiß, man kommt durch Staus grundsätzlich
zu spät zu allem, was man vorhat, somit komme
ich auch zu spät zu TURISAS, denn beim Betreten der Halle ist schon alles
abgebaut. Mist, denn nach ihrem zweiten Langeisen
zu urteilen, ist die Truppe nicht mehr ganz so
lächerlich, wie man sie das vergangene
Jahr auf Festivals gesehen hatte. Egal, gleich weiter zu der ersten wirklich
interessanten Band.
Jeff Waters schafft es einfach nicht, ein Line Up zusammen
zu halten. Im Mai/Juni begeisterten ANNIHILATOR noch mit einer fantastischen
Besetzung mit einem 17-jährigen Derwisch am Bass, der nun bei der damaligen Vorband
SANCTITY eingestiegen ist und dem großartigen deutschen Drummer Alexander
Landenburg. Eine Besetzung, die perfekt
funktionierte und keine Wünsche offen ließ. Nun sind beide Stellen wieder neu
besetzt, Am Bass ein gesichtloser Kurzhaariger, der gegen seinen jungen,
spritzigen Vorgänger extremst abstinkt und einem bärtigen Menschen an
der Schießbude, der zwar gut spielt aber so viel Metal ausstrahlt wie Brother
Louie in Jeronimos Cadillac.
Wenn man die optisch
katastrophale Neu-Besetzung außen vorlässt (was bei der ersten diesen Jahres,
die zu den besten bisher zählte, nicht einfach ist) bleiben rein musikalisch
keine Wünsche offen. Der Beginn wird mit dem Killer „King of the kill" gleich
schlau gewählt und die Menge dankt es mit
durchgehendem Applaus. Ein wenig zurückhaltender gegenüber der letzten Tour
scheint es schon, aber wie gesagt, da könnte man
sich ewig drüber auslassen...
Vom letzten Album kommen „Operation annihilation"
und „Clown parade" und alte Hits wie „Welcome to your death" und das überaus fantastische
„Phantasmagoria" wissen stets den Fan
zum Ausrasten zu bewegen, egal mit welcher Besetzung, dazu brauch es nur
Gitarrengott Jeff Waters, der neuerdings immer öfter am Mikro zu finden ist.
Trotzdem scheint es, als wäre es sinnvoll, wieder einen Mann
allein am Mikro zu haben, irgendetwas fehlt, vor allem weil Dave Paddens
Charisma als „Frontmann" doch etwas unter
seinem Erscheinungsbild zu leiden hat.
Ja, ich reite immer wieder auf dem Äußeren der Band rum,
denn das Erscheinungsbild trägt nun mal bedeutend zu einer gelungenen
Performance bei und in dieser Besetzung momentan, bei der Mr.Waters als
einziger eine Haarlänge bis zum Kinn aufweist und der Titel des letzten Albums,
„Metal" ausschließlich noch in der Musik zu finden ist, rollen sich dem
Metaller der alten Schule schon die Fußnägel, vor allem, wenn man auf der
TRIVIUM Tour gesehen hat, wie es anders und viel besser geht.
Kritik an der Musik selbst
ist nicht zu äußern, denn bis auf einen kleinen Ausfall von Waters Amp wird
hier die Kult Thrash Keule geschwungen, dass einem nur die Tränen ins Auge
kommen können, Jeff Waters hat Riffs und Hits geschrieben, an
denen sich das Groß der modernen Bands ne ganz
dicke Scheibe abschneiden können. Mr. Waters, bitte suchen sie sich Leute, mit
denen ANNIHILATOR wieder als Metal Band in
Erscheinung tritt, dann wird's auch wieder mit
dem Erfolg!
Vielleicht erlaube ich mir aber auch, über eine meiner Top 5 Bands so zu schimpfen, weil eine andere meiner Top 5 danach alles hat alt aussehen lassen, was in den letzten Wochen und Monaten auf der Bühne war...
Die Band, die für mich bis
einschließlich „Horror show" auf unerschütterlichem Platz Nummer Eins stand
und danach so stark abbaute, weil immer mehr
von den Trademarks zu verschwinden schienen. Handgelenkbrecherische
Staccatoriffs wichen ausladenden Chören, alles wurde epischer, die Rohheit der
Anfangstage, die die Band
zu dem gemacht hat, was sie heute sind, verschwand
immer mehr...
Aber die alten Songs bestehen immer noch und dass sich an
der Einzigartigkeit und bahnbrechenden Qualität derer nichts geändert hat,
beweisen ICED EARTH in Stuttgart mit Vehemenz.
Doch inwieweit ist diese Band
noch ICED EARTH? Nach dem Durchbruchsalbum „Dark Saga" musste Boss John Schaffer
schon den Verlust seines alten Weggefährten Randy
Shawner verkraften, schaffte aber noch locker das Killeralbum „Something wicked
this way comes", das die Band endgültig auf
den Thron des Heavy Metal katapultierte. Danach
wurde es schwierig, immer öfter zitterte das Line Up, Shawner - Nachfolger „Larry
Tarnowski", der fantastische Arbeit leistete,
verschwand nach zwei Alben von der Bildfläche,
Bassist James McDonough ging zu MEGADETH, Richard Christy, Ralph Santolla
und Bobby Jarzombek standen auch nur kurz auf
der Liste. Übrig geblieben sind eigentlich nur Rückkehrer Brent Smedley an
den Drums und Urgestein John Schaffer. Tim Owens am Gesang
musste sich mal wieder mit der Rolle des „Nachfolgers" einer Charisma - Bombe
wie Matthew Barlow zurecht finden. Gesanglich
gibt es an ihm natürlich wie immer nichts
auszusetzen, wenn auch die Stimme Barlows Stilgebend für ICED EARTH war und er
auch heute noch schmerzlich vermisst wird.
Musikalisch klappt alles wie am Schnürchen, keine Frage,
aber wirkliche Leidenschaft lassen die „neuen" Musiker an
Schaffers Seite nicht aufkommen, zu sehr haftet ihnen das Image von „Söldner"-
Musikern an, genau wie zuvor bei ANNIHILATOR.
Troy Seele's Soli sind ausnahmslos sehr gut, passen aber irgendwie nicht ins
Gesamtkonzept, ein Shawner oder Tarnowski war da doch ein ganz
anderes Kaliber! Und so fantastisch
Tim Owens auch singen mag, als Fronter ist er nicht geboren, seine Posen wirken
zu herzlos, man sieht ihm keine Hingabe an,
er schafft es nicht, die teils mystische Lyrik auch visuell umzusetzen.
Schade drum, denn was hier musikalisch abgeliefert wird, ist
für mich als Hardcore Fan einer Band,
die meine letzten 10 Jahre prägte wie keine andere
es je schaffen würde, eine Bahnbrechende Erfahrung und die endgültige
„Versöhnung" mit meiner Number One Band!
Mit dem Opening - Dreier vom neuen Album starten ICED EARTH
ihre 1,5 stündige Show wortlos. Die Reaktionen bleiben ein wenig verhalten, da
die Old School Fans eher auf andere
Songs warten. Und mit dem absoluten ersten Höhepunkt der Show werden genau die
so was von bedient, das schafft nicht mal eine Edelnutte für 500 Euro die
Nacht. ICED EARTH spielen „Stormrider"!! Mit Meister John Schaffer am Gesang!
Wer die Band kennt und vor
allem der, der diese Band auch nur ansatzweise
so verehrt wie es ein gewisser Neckbreaker Schreiberling tut, kann
sich ungefähr ausmalen, dass das Longhorn plötzlich von einer auf die andere
Sekunde um Quadratkilometer zu klein wurde. Völliges Ausrasten mit massig
Freudenpipi in den Augen war nun angesagt, man
war wieder Teenager mit halblangen Haaren, sprang
wie ein bekloppter Affe in seinem kleinen Zimmer von einer Wand
an die andere,
von Boden zu Decke, bangte sich den Schädel
platt, dass es noch Tage später weh tat und versuchte sogar unfassbarerweise
die Riffs des Gotts John „bionischer Unterarm" Schaffer nach zu spielen.
Es ist schön, jung zu bleiben :-)
Nach weiteren neuen Songs, dem „Horror show" Ausflug
„Dracula" und weiteren halb-alten Killer wie „My own saviour" oder „The hunter"
und dem emotional sehr ergreifenden „Gettysburg" - Double „Hold at all cost"
und „High water mark" führt die letzte der drei Zugaben den angesprochenen
Schreiberling nach Verschnaufpause wieder zurück zum völligen Austicken. „Iced
Earth", die Bandhymne schlechthin und mit der
besten Song der alten Tage beschließt ein Konzert, das mit dieser Besetzung
wohl nicht hätte besser laufen können. Ripper singt trotz seiner fehlenden
Frontmann - Qualitäten einfach fantastisch,
wobei ihm die „Dark Saga" Ära deutlich am besten zu Gesicht steht, da ließ er
auch keinen Matthew Barlow vermissen.
John Schaffer ist ICED EARTH, egal wer mit ihm auf der Bühne
steht, wenn er die Songs spielt, wird es immer ICED EARTH sein!!
Und John Schaffer ist durch und durch zufrieden mit seinem
Sänger, was sich zeigt als er ihm wie ein Honigkuchenpferd grinsend auf die
Schulter klopft, nachdem Ripper einen wahnwitzigen langen
Schrei von sich gibt. Es lohnt sich nicht, sich immer wieder nach Barlow zu
sehnen, er wird nicht zurückkommen, wir werden uns mit dem Ripper arrangieren
müssen und rein musikalisch sollte das durchaus funktionieren!
ICED EARTH haben es an
diesem Abend geschafft, mich zu versöhnen und das reicht mir. Wenn ich auch
sterben würde für Songs wie „Dante's inferno",
„Colors", „Pure evil", „When the night falls" und all den anderen,
in Stuttgart haben die 2007er ICED EARTH eine fantastische
Show abgeliefert, eine Old School Heavy Metal Show von 1,5 Stunden, so wie es
sein sollte!
Und die Entscheidung ist gefallen, ICED EARTH bleiben auf Platz
Nummer Eins! ICED EARTH - Fuck
Posers! Heavy Metal for life und basta! (Bernie)
Mehr Bilder findet ihr wie immer in unserer Galerie . Alle Bilder von Bernie (Danke an Blitz).