Interview mit Martin Klein (Infinight)

interview infinight 01Wie meine Redaktionskollegin Sarah-Jane in ihrem Artikel bereits angekündigt hat, haben wir vom Neckbreaker Magazin in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe von Interviews geführt mit Vertretern der nationalen und internationalen Kulturszene - genauer gesagt mit vielen verschiedenen Veranstaltern, Bands, Künstlern und Promotern.
Wir möchten damit den Menschen, die für uns Musikliebhaber mit ihrer Kreativität und ihrem Engagement so besonders wichtig sind, eine Plattform bieten, euch und uns mitzuteilen, wie sie mit den Einschränkungen durch die "Corona-Maßnahmen" leben und umgehen.

INFINIGHT gehören auch schon fast zu den Urgesteinen der saarländischen Metalszene (und aus dieser auch nicht mehr wegzudenken), werden sie im nächsten Jahr doch bereits ihr 20jähriges Jubiläum feiern können. In ihrer langjährigen Geschichte hat die Band sicher schon einiges erlebt, aber sowas wie Corona war noch nicht darunter. Doch dass man auch damit kreativ umgehen kann, das beweisen sie wie viele andere Bands im Moment auch und präsentieren ihre ganze eigene Sicht der Dinge. Sänger Martin Klein hat sich die Zeit genommen, unsere Fragen sehr umfangreich zu beantworten und euch genau zu beschreiben, womit sich INFINIGHT gerade so beschäftigten. Dafür bedanken wir uns herzlich! Das Interview wurde Mitte Mai von unserer Redakteurin Anne aufgezeichnet.


Neckbreaker Magazin: Wie beeinflusst das Kontaktverbot Eure tägliche Arbeit? Welche Auswirkungen hat das ganz konkret auf Euch? Wie probt Ihr zum Beispiel aktuell?


Martin: Hi, erstmal danke für die Gelegenheit zum Interview.
Corona hat schon massive Auswirkungen auf die Arbeit als Band. Proben fällt natürlich flach, weil wir nicht den nötigen Abstand einhalten könnten. Damit liegt auch das Schreiben eigener Songs im Moment größtenteils auf Eis, weil bei uns nicht einer fertige Songs schreibt, sondern die im Proberaum im Zusammenspiel entstehen. Wir spielen neue Ideen normalerweise so lange durch, bis sie sich für uns „rund“ anfühlen – das geht virtuell nur eingeschränkt. Unser für Herbst geplanter Studioaufenthalt mit dem neuen Album Richtung Jahreswechsel hat sich damit so gut wie erledigt.
Und Gigs fallen natürlich aus – wir hatten ja im vergangenen Jahr ziemliche Terminprobleme und deshalb fast keine Gigs. Das führte sogar dazu, dass unser Bassist Kai die Band verließ, weil er aus familiären Gründen wenig Zeit hatte, der Band aber nicht die Auftritte blockieren wollte. In diesem Jahr wollten wir dann wieder öfter auf die Bühne, zunächst mit einer Session-Bassistin, und einige Gigs waren schon gebucht. Und wie jeder in der Branche weiß, generieren Gigs neue Gigs. Das fällt jetzt aus. Im Lauf des Jahres steht ja dann auch die Entscheidung über ein mögliches neues Bandmitglied an. Das wird jetzt natürlich auch alles blockiert.
Auf der anderen Seite haben wir aber weiterhin virtuell regelmäßig Kontakt und arbeiten ja auch zusammen an einigen Sachen. Unser YouTube-Kanal z.B. wird zum ersten Mal nicht nur für Live- und Lyricvideos genutzt, sondern wir veröffentlichen dort jetzt Videos aus der Quarantäne. Das fing damit an, dass ich auf meinem eigenen YouTube-Kanal ein paar bekannte Songs auf Corona umgedichtet habe, weil das meine Art ist, mit dieser Situation umzugehen. Die Idee hab ich dann mal in die Band gebracht, die anderen fanden es gut und „the rest is history“. Diese Sachen kommen, schön einerseits, schade andererseits, sogar besser an als unsere eigenen Songs.

Neckbreaker Magazin: Haltet Ihr persönlich das Veranstaltungsverbot/Kontaktverbot für eher angemessen oder eher übertrieben?

Martin: Wir finden es zwar persönlich sehr schade, weil wir drauf brennen, mal wieder auf die Bühne und in Kontakt mit unseren Fans zu kommen. Aber wir stehen als Band voll hinter dem Veranstaltungsverbot, wie es Anfang März verhängt wurde. Damals war nicht abzusehen, wie sich die Lage entwickeln würde. Und wer schon mal auf einem Metalkonzert war, weiß, dass es dort schwierig ist, im Moshpit Abstand zu halten und generell nicht mit den Körperflüssigkeiten anderer Leute in Kontakt zu kommen. Ich weiß nicht, wie viele Klumpen langer, nasser Haare anderer Leute ich als Zuschauer schon im Gesicht hatte. Als Band kann man natürlich besser Abstand halten, aber auch das wird schwierig. Ich laufe während der Gigs z.B. gerne durchs Publikum, halte den Leuten das Mikro vor die Nase oder hole Leute auf die Bühne – kurz, Abstand ist genau das, was wir bei Gigs eigentlich nicht wollen. Mit den neuen Reproduktionszahlen kann man vorsichtig überlegen, ein paar Sachen wieder zu öffnen. Es gibt ja auch bereits interessante Konzepte, sei es Autokino, Livestreams oder eben YouTube, aber bis wir wieder auf ein normales Metalkonzert können, wird’s wohl noch dauern.

Neckbreaker Magazin: Wärt Ihr als Band gegebenenfalls bereit Veranstaltern und Clubs zu helfen, beispielsweise durch Verzicht auf Gage?

Martin: Ich glaube, das muss man von Gig zu Gig sehen. Wir sind ja glücklicherweise alle berufstätig und nicht auf die Einnahmen aus der Bandkasse angewiesen, insofern könnten wir uns durchaus vorstellen, Veranstaltern da entgegenzukommen. Auf der anderen Seite haben wir aber, Nebentätigkeit oder nicht, als Band auch laufende Kosten, die sich nicht abstellen lassen. Unser Merchverkauf findet zum allergrößten Teil bei Gigs statt, und Spotify und Co. werfen nicht genug Gewinn ab, um diese Kosten zu decken. Und man muss in unserer Lage immer bedenken, dass andere Bands wirklich auf die Gage angewiesen sind, also muss man sich schon auch an den Marktpreisen orientieren, um die nicht für die anderen kaputtzumachen. Man muss halt abwägen – wenn es keine Veranstalter mehr gibt, ist das für die Bands Mist, aber wenn es nach dieser Sache keine Bands mehr gibt, weil keine Gagen mehr gezahlt werden, hat auch keiner was davon.

Neckbreaker Magazin: Welche Maßnahmen, gegebenenfalls auch freiwillige, werdet Ihr ergreifen, damit Besucher zukünftig sicher Eure Konzerte besuchen können? Rechnet Ihr in Zukunft mit konkreten Auflagen des Gesetzgebers bei der Durchführung von Events? Wann glaubt Ihr, geht es endlich mit Konzerten und Festivals wieder weiter?

Martin: Ich fang mal hinten an – im Moment gilt ja ab dem 1.8., dass dann zumindest das explizite Verbot von Großveranstaltungen endet. Auf der anderen Seite ist das Oktoberfest bereits abgesagt, d.h. die Veranstalter des größten Events in Deutschland rechnen offenbar nicht damit, dass im Herbst die Lage besser wird. Aber da haben dann vielleicht kleinere Veranstaltungen wieder Vorteile – man kann Abstandsregelungen mit 100 Leuten einfacher durchhalten als mit 50.000. Was man natürlich generell erwarten kann, ist, dass man mit Krankheitssymptomen eben nicht auf Konzerte geht. Mögliche Maßnahmen darüber hinaus, die wir als Band auch unterstützen würden, sind natürlich Masken, strenge Hygienevorschriften und vielleicht sogar Konzerte mit Stehtischen im richtigen Abstand – alles schon angedacht, alles drin. Und einiges davon wird sicherlich auch so oder so gesetzlich verankert werden, insofern haben wir da eh wenig Spielraum. Nur auf Autokonzerte hätte ich persönlich nicht so viel Lust. Obwohl sogar das ganz witzig werden könnte – Hup for me, Wellesweiler!

Neckbreaker Magazin: Wie steht Ihr zu dem Thema Livestreaming von Konzerten?

Martin: Ich finds cool, was Bands wie GODSLAVE machen, aber unsere Gigs leben vom direkten Kontakt zum Publikum. Je nachdem, wie lange das hier geht, werden wir uns mit dem Konzept sicher auch auseinandersetzen, aber ich persönlich bräuchte dann schon eine Leinwand, auf der ich in der Zoom-Konferenz unser Publikum sehe. Sonst fühlt sich das für mich nicht wie ein Gig an. Aber da gibt’s sicher in den nächsten Monaten immer bessere technische Möglichkeiten, so dass wir das natürlich nicht ausschließen.

Neckbreaker Magazin: Habt Ihr bereits eine staatliche Unterstützung erhalten oder habt Ihr Hoffnung darauf, dass der Staat Euch unterstützt?

Martin: Nein, wie oben schon erwähnt, leben wir ja nicht von der Band. Das Geld sollen lieber diejenigen bekommen, die es wirklich brauchen. Daher werden wir sowas sicher nicht beantragen.

Neckbreaker Magazin: Was hättet Ihr als Teil der Kulturszene anders gemacht, wenn Ihr auf Entscheidungen hättet Einfluss nehmen können?

Martin: Schwierige Frage. Natürlich lässt sich im Nachhinein anders argumentieren, aber vor zwei Monaten wusste ja noch keiner, was passieren würde. Ich denke, die Schließungen waren gerechtfertigt, auch wenn man sich die Zwischenstufen über Parties mit 999 statt 1000 Leuten hätte sparen können. Aber das hätte man mit noch schnellerer und direkterer Unterstützung für Künstler und Veranstalter kombinieren müssen. Wenn man Leuten von jetzt auf gleich die Existenzgrundlage entzieht, muss unser Sozialstaat in der Lage sein, einen Ausgleich zu bieten. Bei den Airlines geht es ja auch – und die Kunstszene hätte sicher einen Bruchteil davon gekostet. Fairerweise muss man natürlich sagen, dass auch viel Hilfe geleistet wurde, aber wie ich aus meinem Bekanntenkreis mitbekomme, hat das teilweise ganz schön gedauert. Aber es war unsere erste Pandemie – falls uns sowas wieder droht, werden sicher einige Fehler nicht wieder passieren.

Neckbreaker Magazin: Wie können Fans und Interessierte Euch ganz konkret unterstützen? Plant Ihr oder habt Ihr schon ein Crowdfunding?

Martin: Wir haben uns gegen Crowdfunding entschieden. Als Fan ist ja mein Geld auch begrenzt, und wenn dann fünf Bands fragen, die ich alle gut finde, steh ich vor einer schwierigen Entscheidung. Die wollen wir in der aktuellen Lage nicht noch schwieriger machen.
Aber natürlich können unsere Fans uns anders helfen: Schaut unsere Youtube-Videos, abonniert unseren Kanal dort (und meinen gerne auch), hört unsere Musik bei Spotify rauf und runter oder bestellt Merch in unserem Webshop – uns hilft jede Kleinigkeit, auch weil man dann merkt, dass die Fans noch da sind und zu uns halten. Als Band ist das extrem wichtig, den Kontakt zu den Fans von beiden Seiten zu haben.

Neckbreaker Magazin: Wovor habt Ihr momentan am meisten Angst?

Martin: Als Band natürlich davor, dass diese Situation noch Monate dauern könnte. Im Sommer wird es wohl nicht so kritisch, aber wenn im Herbst die Infektionszahlen wieder hochgehen und dazu noch alle anderen üblichen saisonalen Krankheiten kommen, kann es sein, dass das Land wieder in den Lockdown geht. Das wäre echt übel. Deswegen muss jetzt einfach jede/r sich vernünftig verhalten, damit wir in der zweiten Jahreshälfte wieder alle zusammen rocken können. Privat – ich denke, die gleichen Sorgen, die sich jeder macht. Familie, Freunde, die eigene Gesundheit – wir gehören zwar noch nicht zur Risikogruppe, aber so ganz jung sind wir auch nicht mehr.

Neckbreaker Magazin: Könnt Ihr der Situation eigentlich auch etwas Positives abgewinnen?

Martin: Schon. Keine Proben und keine sonstigen Verpflichtungen, weil alle Termine ausfallen, bedeuten natürlich mehr Zeit zum Schreiben. Einerseits eigene Songs, zumindest mal als grobe Entwürfe, andererseits hat aber Corona bei mir zu einem regelrechten Kreavitivätsschub geführt. Es gibt so viele Songs, die man mit ein paar Änderungen am Text auf die aktuelle Lage anpassen kann und die ich dann auf meinem Youtube-Kanal veröffentliche.
Als Band werden wir immer professioneller darin, Songs zuhause einzuspielen. Das wird beim nächsten Studioaufenthalt sicher einiges an Zeit sparen. Und eine Sache hat sich auch bei der Band extrem positiv entwickelt: Unser Youtube-Kanal verzeichnet im Moment mehr Besucher als jemals zuvor. Unsere Manowar-Coverversion von Carry On, „Virowar“, die wir Mitte April veröffentlich haben, hat innerhalb kürzester Zeit auf beiden Kanälen über 6000 Views erreicht und läuft aktuell sogar bei Classic Rock Radio. Dafür müssen wir uns natürlich bei unseren Fans bedanken – und das ist vielleicht der wichtigste positive Punkt: Wir merken grade, dass unsere Fans uns auch treu bleiben, wenn wir mal nicht so präsent sein können, wie wir es gern wären. Und wir werden natürlich unseren Teil dazu beitragen, dass das so bleibt.

 

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Bildquelle: Infinight

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