Wie meine Redaktionskollegin Sarah-Jane in ihrem Artikel bereits angekündigt hat, haben wir vom Neckbreaker Magazin in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe von Interviews geführt mit Vertretern der nationalen und internationalen Kulturszene - genauer gesagt mit vielen verschiedenen Veranstaltern, Bands, Künstlern und Promotern.
Wir möchten damit den Menschen, die für uns Musikliebhaber mit ihrer Kreativität und ihrem Engagement so besonders wichtig sind, eine Plattform bieten, euch und uns mitzuteilen, wie sie mit den Einschränkungen durch die "Corona-Maßnahmen" leben und umgehen.
Schwierig ist die Situation vor allem für Soloselbstständige, denn sie leben ja nur davon, dass sie gebucht werden, und das tut aktuell eben keiner. Achim Lanzendorf führt als Tontechniker die Firma In Your Ear im rheinischen Meerbusch. Ihn traf die Krise aus heiterem Himmel, denn er war als Techniker mit der Rock Meets Classic-Tournee unterwegs, welche auch Redakteure von Neckbreaker besuchen wollten. Leider musste die mittendrin abgebrochen werden, was auch für Fans schmerzhaft war, da keiner weiß, ob da Programm so nachgeholt wird. Von einem Tag auf den anderen stand Lanzendorf ohne Arbeit da, alle Planungen und Investitionen waren dahin. Ende April unterhielt sich unser Redakteur Rainer mit ihm über den Stand der Dinge.
Neckbreaker Magazin: Wie beeinflusst das Veranstaltungsverbot Eure tägliche Arbeit? Welche Auswirkungen hat das ganz konkret auf Euch?
Achim Lanzendorf: Das entspricht einem Berufsverbot, also seit Mitte März keine Aufträge und kein Einkommen mehr! Bis auf wenige Ausnahmen bei Rundfunk und Fernsehen, betrifft das die komplette Branche. Was noch durchgeführt wird, arbeitet zur Zeit allerdings auch mit eingeschränktem Personalaufwand
Neckbreaker Magazin: Haltet Ihr persönlich das Veranstaltungsverbot für eher angemessen oder eher übertrieben?
Achim Lanzendorf: Da niemand beurteilen kann, wie problematisch die Infektion wirklich ist, gibt es zur Zeit wenig Alternativen.
Neckbreaker Magazin: Erwartet Ihr, dass Euch später mal Bands ganz konkret unterstützen werden, z.B. durch den Verzicht auf Gage?
Achim Lanzendorf: Wird eher die Ausnahme sein, ist allerdings schon vorgekommen, daß Künstler einen Teil Ihrer Gage an die Crew zusätzlich zu unserer normalen Gage weiter gereicht haben.
Neckbreaker Magazin: Welche Maßnahmen, ggf. auch freiwillige, werdet Ihr ergreifen, damit Besucher zukünftig sicher Eure Konzerte besuchen können?
Achim Lanzendorf: Wir müssen leider abwarten, was uns an Auflagen erteilt wird. Alles Andere würde von Behörden nicht akzeptiert.
Neckbreaker Magazin: Rechnet Ihr in Zukunft mit konkreten Auflagen des Gesetzgebers bei der Durchführung von Events und was würde Euch vor besonders große Herausforderungen stellen?
Achim Lanzendorf: Mit Sicherheit werden wir noch monatelang Auflagen haben, die von absolutem Veranstaltungsverbot bis zu Abstandsregelungen o.ä. reichen werden. Letzteres heißt aber auch, daß Konzerte nicht mehr rentabel sind, wenn man in einer 1000 Personen Location nur 150 Leute rein lassen darf. Bedeutet für unbestuhlte Veranstaltungen also, daß es kein Veranstalter machen wird, da die Kosten weit höher als die Einnahmen sind.
Neckbreaker Magazin: Wann glaubt Ihr, geht es endlich mit Konzerten und Festivals wieder weiter?
Achim Lanzendorf: Wenn überhaupt erst im Spätherbst mit kleineren Veranstaltungen.
Neckbreaker Magazin: Befürchtet Ihr, dass das aktuell weit verbreitete Livestreaming von Konzerten zukünftig negative Auswirkungen auf Euer Business haben wird?
Achim Lanzendorf: Grundsätzlich eher nicht. Die Leute wollen doch auch das echte Live Erlebnis haben wollen. Allerdings hat uns auch der 9.11 damals einen gehörigen Umsatzverlust beschert, da viele Veranstaltungen gar nicht oder nur noch eingeschränkt statt gefunden haben.
Neckbreaker Magazin: Habt Ihr bereits eine staatliche Unterstützung erhalten oder habt Ihr Hoffnung darauf, dass der Staat Euch unterstützt?
Achim Lanzendorf: Haben die meisten in unserer Branche beantragt und auch oft bekommen. Das hilft allerdings nicht über ein halbes Jahr oder länger hinweg. So ergeht es auch Veranstaltern, Locations und Technikfirmen. Da wird mit Sicherheit in einigen Wochen die erste Sterbewelle einsetzen.
Neckbreaker Magazin: Was hättet Ihr als Teil der Kulturszene anders gemacht, wenn Ihr auf Entscheidungen hättet Einfluss nehmen können?
Achim Lanzendorf: Schwer zu sagen, da keiner beurteilen konnte, wie sich das medizinische Problem auswächst. Allerdings sollte man aufgrund neuer Erkenntnisse auch Entscheidungen überdenken und Maßnahmen anpassen.
Neckbreaker Magazin: Nach welchen Kriterien plant Ihr eigentlich zukünftige Veranstaltungen, wenn man diese momentan eigentlich gar nicht richtig planen kann? Befürchtet Ihr einen Overkill an Konzerte im Herbst/Winter?
Achim Lanzendorf: Einen Overkill wird es wohl nur begrenzt geben können. Die Ressourcen Veranstaltungsstätten, Material und Personal sind begrenzt. Es sind viele Veranstaltungen auch einfach mal auf das entsprechende Datum in 2021 verschoben worden.
Davon ab, weiß noch keiner, wann ausländische Künstler überhaupt wieder ein- und ausreisen können und wann man wieder Hotels für die buchen kann
Neckbreaker Magazin: Vor was habt Ihr momentan am meisten Angst?
Achim Lanzendorf: Das wir irgendwann keine Berücksichtigung bei finanzieller Unterstützung erhalten, da die Kulturszene ja nicht als systemrelevant eingestuft wird. Wie viele Arbeitsplätze da dran hängen ist ja keinem bewußt. Der Kreis geht ja über Künstler, Veranstalter und technisches Personal hinaus bis hin zur Klofrau, dem Würstchenverkäufer, Merchandiser,...
Neckbreaker Magazin: Könnt Ihr der Situation eigentlich auch etwas Positives abgewinnen?
Achim Lanzendorf: Nach inzwischen sieben Wochen nicht mehr!