Interview mit Sari Schorr

interviews 20190330 sarischorr 0106Gut Ding will Weile haben und so musste die Dame erst Mitte Vierzig werden, bis sie ihr Debütalbum veröffentlichte. Seitdem ist sie einer der Shootingstars in der wieder auflebenden Blues-Szene, die im letzten Jahr mit "Never Say Never" ihr nächstes Werk vorgelegt hat. Vor ihrer Solokarriere ging es schon turbulent in ihrem Leben zu, bei den Aufnahmen zum aktuellen Longplayer nicht viel weniger. Wie in jedem Frühjahr machte SARI SCHORR auch dieses Mal wieder im altehrwürdigen Ducsaal in Freudenburg Station. Nach dem Soundcheck traf NECKBREAKER eine gute gelaunte, fast euphorische Frontfrau, die dem Chaos nur Gutes abgewinnen kann.

Rainer Petry: Zu Beginn gleich mal zur aktuellen Tour, Deutschland steht nun auf dem Programm. Aber eigentlich bist Du ja mehr oder weniger das ganze Jahr unterwegs.

Sari Schorr: Ja, das ist doch phantastisch, ich meine, das ist doch die Belohnung für all die harte Arbeit. Das fängt beim Aufnehmen eines Albums an und geht dann mit dem Zusammenstellen einer Band weiter. Wenn wir dann rausgehen auf Tour und all die Leute treffen, die dieselbe Musik wie wir lieben, das ist einfach der beste Part von allen. Das geht ganz von selbst.

Rainer Petry: Wie viele Konzerte spielst Du in einem Jahr?

Sari Schorr: Oh, schwer zu sagen, die Touren werden immer größer, aber hundert sind es bestimmt.

Rainer Petry: Spielt ihr immer nur alleine oder auch mal Support für größere Acts?

Sari Schorr: Wir sind sehr glücklich, dass wir gerade als Vorband für KING KING im Vereinten Königreich spielten, das war wirklich eine ganz große Tour. Davor waren wir mit ROBIN TROWER unterwegs, das ist großartig da Du viel mehr Leute erreichst als auf Deiner Headliner-Tour. Das ist ebenso schön, Du hast mehr Zeit, kannst mehr Lieder spielen.

Rainer Petry: Wo wir gerade bei Songs sind, lass uns doch über Dein neues Album sprechen. Es fällt ja viel rockiger aus, nicht so bluesig oder gar soulig wie das erste. War das eine bewusste Entscheidung?

Sari Schorr: Ja, war es! Ich wollte ohnehin nicht das gleiche Album noch einmal machen und auch die Grenzen mehr in Richtung dessen ausloten, was Blues Rock ist. Das zog sich schon beim Songwriting und den Texten durch, dazu erlaubte mir die neue Band kreativ freier zu sein, um die Grenzen weiter zu verschieben. Da halfen auch der gute Produzent und Mike Vernon als Executive Producer mich anzutreiben und die Dinge weiter auszubauen, aber immer innerhalb der Stilistik, so dass es weiter Sinn ergab. Aber Musik entwickelt sich immer weiter, so wie sich mein Leben ändert, sich die Erfahrungen ändern, so verändern sich die Dinge über die ich schreiben möchte. Und jene Themen reflektieren eben diese Veränderungen.

Rainer Petry: Du hast die Veränderungen in Deinem Leben erwähnt, wenn ich dem Promoschreiben Glauben schenken darf, änderte sich das sehr oft in den letzten zwei Jahren.

interview 20190330 sarischorr 0101Sari Schorr: Oh mein Gott, ich kann gar nicht glauben, was in den letzten zwei Jahren alles passiert ist, das konnte ich mir nie vorstellen. Aber das habe ich in meinem Leben gelernt, dass Du anpassungsfähig sein musst und niemals nie sagen darfst. (lacht) Gib Deine Träume nie auf und sei auf die Überraschungen vorbereitet, die in Dein Leben kommen. Manchmal geben sie Dir die schönsten Erfahrungen im Leben, doch Du musst offen sein und frei von Furcht vor Veränderungen.
Das ist teilweise hart für mich, denn ich fühle mich mit bestimmten Menschen und Situationen wohl, doch ich lerne mehr für den Moment zu leben und nicht zu sehr an der Vergangenheit festzuhalten. Wenn Du Dich da zu sehr fest hälst, kannst Du nicht mehr richtig im Moment leben und verlierst ebenso ein Stück Zukunft. Deswegen versuche ich nun den Moment zu schätzen, dann sind Veränderungen viel einfacher.

Rainer Petry: Es war zu lesen, dass Du an verschieden Orten gelebt hast, um die Lieder zu komponieren?

Sari Schorr: Ja, so ungefähr war das! Und es war immer schwierig sich von einem Ort zu verabschieden, ich hasse es mich zu verabschieden, sei es von Menschen oder Stätte wo ich war. Ich lerne zu akzeptieren, dass es eine lange Reise mit vielen neuen Abenteuern ist, die ich hinter mich bringen muss. Ich muss mir bewusst machen, dass auch wenn ich einen Menschen oder Ort nie mehr wieder sehe, ich ihn für immer in meiner Erinnerung und meinem Herzen weiter tragen werde.

Rainer Petry: Ist das nicht auch der Preis, den man für das Musikerleben bezahlen muss?

Sari Schorr: (etwas kleinlaut) Ja, das ist eines der Opfer, dass wir bringen müssen. Durch das ganze Umherziehen vermisse ich zuhause viele Dinge mit meiner Familie. Der Geburtstag meines Ehemanns war letzte Woche, ebenso der meiner Nichte, zur Zeit ist meine gesamte Familie auf Urlaub mit meinen großartigen Tanten und wieder einmal bin ich nicht da. Ich habe wenigstens zuvor noch mit ihnen geskypt. Aber sie verstehen und unterstützen mich wirklich, sie wissen dass das der Traum ist, den ich schon mit fünf Jahren hatte, daher sind sie glücklich für mich.


"Lange von der Famile getrennt zu sein ist wohl das Opfer, das jeder Musiker bringen muss!"

WHITESNAKE grüßen mit den eröffnenden Worten des kürzlich wiederveröffentlichten "Slide It In"


Rainer Petry: Wo habt ihr das letzte Album aufgenommen?

Sari Schorr: Das aktuelle Album wurde in England aufgenommen, aber viele Songs davon wurden hier in Deutschland mit meinen deutschen Songwriting-Partner Henning Gehrke geschrieben. Er ist genial, er hat schon mit Udo Lindenberg gearbeitet, das Arbeiten mit ihm ist immer sehr inspirierend. Ich wollte das Album so live wie möglich aufnehmen, denn die Band harmonierte so gut und die Songs funktionierten mit ihr.
Wir haben echt viel investiert, mit dem ganzen Schreiben, Überarbeiten, Stücke Verwerfen und wiederum Einbringen von neuen, so lange bis wir sie für gut genug befanden. Dann sind wir mit ihnen unterwegs gewesen, bis wir sicher waren sie alle in – und auswendig zu kennen. Die Entscheidung die Scheibe live aufzunehmen kam dadurch dass der Hörer die Ehrlichkeit der Performance, die Kommunikation innerhalb der Band spüren sollte.
Das war viel aufregender, wir kamen in dieses alte Studio, wo alles analog war. Es war phantastisch, wir waren alle nahe zusammen in diesem großen Raum und hatten so viel Spaß. Dabei war es die einfachste Sache der Welt, wir haben das komplette Werk in drei Tagen aufgenommen. Alles funktionierte, wir hatten eine tollen Sound Engineer, dem dieses unglaubliche Studio „Grange Farm“ in Norfolk gehört. Es ist ein Wohnstudio, Du gehst dahin, nimmst auf und lebst dort, da gibt es keine Ablenkung, so dass Du Dich auf die Musik fokussierst.

Rainer Petry: Du hast auch eine komplett andere Band als auf dem letzten Album und der Tour vor zwei Jahren.

interview 20190330 sarischorr 0111Sari Schorr: Ja, wie ich schon erwähnte wollte ich das so, denn die Lieder, die ich gerade am Schreiben war, erforderten einen anderen künstlerischen Ansatz. Ash (Wilson, Gitarrist, Anm. d. Autors) war ja eigentlich Support für mich in London, und mein Verleger sagte, dass ich in mir anhören sollte, er sei unfassbar. Normalerweise habe ich keine Möglichkeit mir die Vorbands anzuschauen, doch dieses Mal bin ich raus, stand hinten und konnte kaum glauben was ich hörte. Einfach weil er die Dinge auf dieselbe Weise hört wie ich sie wahrnehme. Als wir uns kennen lernten war da ein direktes Gefühl von Freundschaft.
Dann stieg Bob Frizdema bei KING KING aus und war zu haben, so kam er zu uns. Aktuell ist er aber mit JOANNE SHAW TAYLOR unterwegs, so dass wir mit Stevie Watts arbeiten, was ich auch sehr mag, er ist phantastisch. Er war vor gar nicht langer Zeit mit DANNY BRYANT hier. Nun habe ich eine Band, die in der Konstellation glücklich ist, die Art und Weise wie sie zusammen kam war ganz einfach. Dann wurde Ash noch in der Hitliste der besten Gitarristen in Großbritannien auf Platz 15 gewählt, was sehr aufregend für ihn war.

Rainer Petry: Beim letzten Mal nahm Innes Sibbun etwas zu viel Platz auf der Bühne ein und verdrängte fast den Fokus auf Dich. Hält sich Ash da mehr zurück in der Beziehung?


Sari Schorr: In dieser Band sind wir in einer speziellen Art füreinander da, es gibt keine Egos, jeder spielt mit der Band. Das gilt auch für mich, es geht ja nicht darum, dass ich die ganze Aufmerksamkeit habe. Ich fühle eine unvorstellbare Unterstützung durch diese Band, da ist so viel Liebe auf der Bühne, jeder hört die ganze Zeit dem anderen zu und gibt ihm genug Platz. Ich versuche mein bestes nicht zu Übersingen, damit ausreichend Raum und Luft für die Gitarre und die Hammond bleibt. Wir haben so eine gute Rhythmusfraktion mit Roy Martin am Schlagzeug und Matt Beable am Bass, die den Groove darunter legen. Er hat so viel Power, gibt eine Menge Raum für die Gitarren - und Pianoarbeit und für mich obendrauf dazu zu kommen.

Rainer Petry: Zu etwas völlig anderem, als wir uns das letzte Mal unterhielten fragte ich Dich, ob Deine Familie Verwandte in Deutschland hat, da meine Nachbarn den gleichen Nachnamen besitzen. Hast Du das mal recherchiert?

Sari Schorr: Ja, ich erinnere mich, aber dazu hatte ich nie Zeit. Ich bin mir sicher, dass es da Vorfahren gibt, würde auch diese Geschichte gerne erfahren, aber irgendwann einmal.

Rainer Petry: Was sind die nächsten Pläne nach der Tour?

Sari Schorr: Wir gehen morgen nach London zurück, wo ich zwei Tage frei habe, danach touren wir für weitere zwei Tage im Vereinten Königreich. Dann muss ich in den USA zuerst nach Kalifornien für ein paar Promoangelegenheiten. Wenn ich dann zurück in New York bin, fange ich an, neue Songs zu schreiben. Nach einer kleinen Pause geht es in die Schweiz für ein paar großartige Festivals wie in Rapperswill, einem der besten Festivals überhaupt.

Rainer Petry: Die Songs werden dieses Mal wieder an unterschiedlichen Orten geschrieben?

Sari Schorr: Ich schreibe erneut mit Henning Gehrke, wir haben mit ein paar Stücken angefangen, nun bin ich mit den Texten dran. Es braucht immer lange, deswegen muss ich mich dann in New York ranhalten. Wir haben drei Lieder soweit fertig, mit denen wir so weit sind. Eigentlich vier, an dem anderen versuche ich mich schon seit zwei Jahren, doch ich kann kein passendes Ende dazu finden, vielleicht habe ich jetzt Glück und mir kommt der Geistesblitz.

Rainer Petry: Eigentlich bist Du ja ausgebildete Opernsängerin, wie bist Du zum Blues gekommen?

Sari Schorr: Anfangs galt meine Liebe dem Jazz, doch ich wollte klassische Musik studieren, um meine Stimme auszubauen. Mein Lehrer hielt an mir an, dass ich mit meinem Umfang von fünf Oktaven und meiner Power zur Oper gehe. Ich schrieb aber gerne Songs und war nicht diszipliniert genug, um eine Opernsängerin zu werden. Dazu musst Du sehr hart, genau und diszipliniert sein, doch das ist nicht die Art wie mein Verstand arbeitet. Wenn ich auf die Bühne gehe, will ich spontan sein, ständig überraschen und nicht von vorneherein exakt wissen was passiert.
Ich bin auch keine gute Jazz-Sängerin, ich probierte es, doch meine Stimme ist zu kraftvoll, die akustischen Gitarren und Bässe konnten es mit meinem Volumen nicht aufnehmen. Eines Tages hatte ich das Glück, als ich herausfinden wollte, wer vor meinen großen Jazzidolen wie ELLA FITZGERALD oder ORTHEIA BARNES kam, wo sie ihre Einflüsse her nahmen. Beim Beschäftigen mit dem Thema entdeckte ich die klassischen weiblichen Bluessängerinnen wie MA RAINEY, BESSI SMITH oder BIG MAMA THORNTON. Darin fand ich dann endlich eine Heimat für meine Stimme, worüber ich sehr froh war.


"Ich war froh, mit dem Blues endlich eine Heimat für meine Stimme gefunden zu haben!"

Identitätsfindung einer Ausnahmesängerin


Rainer Petry: Wie viele Jahre hast Du Background gesungen, bevor Mike Vernon Dich entdeckt hat?

Sari Schorr: Ich habe ja immer mein eigenes Ding in der Umgebung von New York gemacht, wo mich JOE LOUIS WALKER singen hörte und war total begeistert. Dann waren wir für ein Jahr auf Tour, ich war sehr froh damit, ich wollte gerne in seiner Band bleiben, doch er meinte, ich müsse solo weiter machen, ich wäre zu gut, um nur für ihn Background zu singen. Ich entgegnete, dass ich glücklich sei, mich als Teil einer Familie sehe und die Frontrolle gar nicht brauche.
Er bestand jedoch darauf, dass ich das wirklich tun sollte, doch erst einmal tourte ich mit POPPA CHUBBY, der ein sehr guter Freund von mir ist, wir tourten auch in Deutschland zusammen. Dann war ich in Memphis, wo Mike auf mich aufmerksam wurde und fragte, ob jemand eine Platte mit mir aufnehmen würde, worauf ich nein sagte. (lacht) Das nächste woran ich mich erinnern kann, war das ich im Studio mit ihm stand, was wunderbar war. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Eine der großen Überraschungen im Leben, die Du nicht planen kannst. Die besten Dinge die Dir passieren sind die, welche Du nicht planst.

Rainer Petry: Was können wir von der heutigen Show erwarten?

Sari Schorr: Es ist unser drittes Mal hier, von daher freue ich mich sehr darauf eine Menge Leute zu treffen die im letzten Jahr oder vor zwei Jahren da waren, ebenso wie viele neue Zuschauer. Es herrscht eine großartige Atmosphäre hier, ich liebe den Club, ich liebe die Leute, die ihn betreiben. Das beflügelt uns, es ist die letzte Show dieser Tour, was noch emotionaler ist, so dass ich sicher bin, dass es eine spezielle Show wird.

Rainer Petry: Ich liebe diesen Club ebenso, er liegt ja in der Mitte vom Nirgendwo, aber die Leute kommen von überall her.

Sari Schorr: Ja, ich habe schon gesehen, wo all die Menschen her kommen und wie weit manche fahren. Ich bin für jeden dankbar, der vorbei kommt um uns zu sehen.

Rainer Petry: Schön, das war es auch von meiner Seite, vielen Dank dass Du Dir die Zeit genommen hast für das Interview.

Sari Schorr: Ich habe zu danken, ich weiß Deine Unterstützung zu schätzen.

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