Sari Schorr - Live in Europe

sarischorr liveineuropeAls Spätberufene will sie es anscheinend wissen, nur so ist der Tatendrang zu erklären, den die Dame an den Tag legt. Nach zwei Alben ist sie ständig auf Tour, wenn auch mit wechselnden Musikern, was die Sache spannend hält. Abgesehen davon, dass die geplante Tour dem leidigen Thema zum Opfer fiel, was das Energiebündel wurmen dürfte hat sie sich einen anderen Traum erfüllt. Livealben haben sie schon immer fasziniert und der Gedanke treibt SARI SCHORR schon länger umher, nun wurde er in die Tat umgesetzt. Dabei sind Livealben kleinerer Acts immer mit Vorsicht zu genießen, weil oft auf der Bühne nicht die große Produktion gefahren werden kann. Als Bühnenact weiß die New Yorkerin mit ihrer Hintermannschaft zu überzeugen, kann die Power mit "Live In Europe" auf Konserve übertragen werden?

Es schadet zumindest einmal nichts, dass die Songs bei drei verschiedenen Events aufgenommen wurden, auch wenn das kompakte Konzertfeeling nicht ganz rüberkommt. Zu dieser Tatsache tragen auch die beiden Akustiknummern am Ende des Albums bei, was eher einen Compilation-Charakter erzeugt. Vor allem "King Of Rock And Roll" wirkt in dieser Version etwas verbraten, auch wenn die Bearbeitung wirklich gut ist. Der Song hat so eine Power und bringt die gewaltige Stimme von Schorr optimal zur Geltung, sowas gehört als Opener.
So ist es die angesprochene vokale Kraft, welche das Album zusammen hält, denn als ausgebildete Sängerin weiß sie jeden Ton großartig zu phrasieren. Zwar kann sie nicht über die volle Länge eines Gigs so perfekt intonieren wie auf ihrem Debüt, doch da holte mit Mike Vernon ein Altmeister an den Reglern wirklich alles aus ihr heraus. Auf den Brettern, die die Welt bedeuten kann sie davon immer noch genug umsetzen und überzeugt neben ihrer Wucht auch mit einer tollen Bandbreite, welche sich durch das Material der ersten beiden Scheiben zieht.

Dabei liegt der Fokus auf dem letzten Album, von dem auch die beiden wunderbaren Westcoast-Nummern auf dem Livedokument zu finden sind. Hier beweist die Sängerin nicht nur viel Gefühl, sondern auch feinstes Melodieverständnis. Von beiden Scheiben bringt man die darauf befindliche Coverversion und zusätzlich den immer gerne gespielten Willie Dixon-Gassenhauer "I Just Want To Make Love To You".  Bei dem kann dann die Band ihre ganze Klasse ausspielen und jammt minutenlang nach Herzenslaune. Während Matt Beable die dicken Saiten drückt, legt Roy Martin das solide Drumfundament darunter, auf dem sich Gitarrist Ash Wilson und wahlweise Bob Frizdema oder Steve Watts an den Tasten austoben.

Dabei kommen ihre Beiträge im Klangbild auch sehr gut zur Geltung, denn der sehr transparente Sound bringt alles optimal zur Geltung. Was Henning Gehrke hier gezaubert hat ist absolut großartig und ist das ganz große Plus von "Live In Europe". Selten hat man so einen livehaftigen Bühnenklang erlebt, der dennoch so kraftvoll daher kommt. Da hört man einfach den rauchigen Club in England ebenso heraus wie das Festival in der Schweiz, bei dem auch das Publikum gut eingefangen wurde. Die Instrumente bewahren bei der Produktion ihre eigene Charakteristik, dazu ist alles gut ausgewogen und die jeweiligen Führungsmusiker werden passend heraus gearbeitet.

Die Harmonien zwischen Orgel und Gitarre haben im Rhythmusbereich mächtig Druck wie im Auftakt "New Revolution" oder dem großartigen "Damn The Reason". Wobei das alles nie steril rüberkommt, sondern warm und erdig, wie im außergewöhnlich sphärischen Solo des Klassikers "Black Betty", bei welchem sich die Musiker an den Vorgaben von Leadbelly orientieren. Man höre auch, wie die Hi-Hat vibriert, wenn Martin die Songs mit dem Schlagzeug einzählt oder die Saiten der Klampfe bei den erwähnten melodischeren Songs. Auch das Piano hat seine Einsätze, bei denen es Akzente setzen kann, sei es beim rockigen "Valentina" oder dem bezaubernden akustischen BAD COMPANY-Cover "Ready For Love".

SARI SCHORR ist es gelungen, die Stimmung und Emotionen ihrer Gigs auf einem Tonträger spürbar zu machen, obwohl man kein komplettes Konzert vorgesetzt bekommt. Die durchscheinende Spielfreude wird nicht durch die Schnitte zerstört, sondern stellt sich bei jedem Track sofort ein, als wäre man dabei. Das Verständnis dieser exzellenten Mucker untereinander ist ebenso klasse, das Zusammenspiel sehr tight, was das Hörerlebnis neben dem superben Sound noch steigert. Jetzt muss nur noch dieses verdammte Virus verschwinden, damit alles wieder für die Augen wahrnehmbar ist, auch in der Seele fehlen die Bilder und der Energieaustausch, bis dahin ist "Live In Europe" ein würdiger Ersatz. (Pfälzer)

 

 

Bewertung:

Pfaelzer8,0 8 / 10


Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 61:15 min
Label: Manhaton Records
Veröffentlichungstermin: 06.03.2020

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