The Night Flight Orchestra - Aeromantic

nightflichtorchestra aeromantic200nb mehrfachwertungMan muss das Eisen schmieden solange es heiß ist, das dachten sich auch die schwedischen AOR-Piloten, denn sie sind aktuell eines der heißesten Eisen im Rockzirkus. Nicht mal drei Jahre nach ihrem Durchbruch mit "Amber Galactic" legen sie schon die zweite Scheibe nach. In Zwischenzeit hielten sie viele Flugstunden vor Publikum ab, sogar für SOLIWORK, die eigentliche Hauptband von Sänger Björn Strid und Gitarrist David Andersson fanden sie Muse "Verkligheten" einzuspielen. Bei so vielen Betriebsstunden bleibt ab und an etwas auf der Strecke, so trennten sich THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA von Keyboarder Richard Larsson. Im Studio übernahm erst einmal John Lönnmyr die Tasten, ob der Wechsel und das hohe Arbeitstempo Auswirkungen auf "Aeromantic" hat, lest ihr hier.

Sieht man es rein stilistisch, so kann man die Frage nur bejahen, denn sein Spiel und seine Ideen fehlen ein bisschen auf der neuen Scheibe. Lediglich in "Dead Of Winter" kann sein Nachfolger mit einem Solo überzeugen, welches den leicht progressiven Geist von Truppen wie KANSAS atmet. Überhaupt kam der ganz große Wahnwitz, das überdrehte Element ein Stück weit abhanden, so dass man sich in eher normalen Bahnen einpendelt. Der Experimentiergeist der späten Siebziger wurde zurück geschraubt, die Achtziger stehen mehr denn je im Vordergrund, wodurch man sich weniger von anderen Melodic Rock-Kapellen aus dem Frontiers-Roster wie ECLIPSE absetzt. Das gilt auch für die Disco-Elemente, die auf "Sometimes The World Ain´t Enough" stärker vertreten waren, wenigstens gibt es mit "Curves" die beste TOTO-Verneigung seit "Domino".

Was gebelieben ist, ist der typische Opener, mit denen ich noch nie so richtig klar kam, ob die nun "Siberian Queen" oder "Midnight Flyer". Doch THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA halten mit "Servants Of The Air" beherzt an der holprigen Hard Rock-Nummer zum Auftakt fest, die sicherlich ihre Anhänger haben, und die auch immer einen knackigen Auftakt bieten. Vielleicht haben sie einfach zu viel gewollt, auf alle Fälle haben sie zu viel drauf gepackt, kreativ waren sie also. Nicht jede Idee hätte zum Song ausgearbeitet werden müssen, sie wären auch in einem Longtrack untergekommen. So vermisse ich Kompositionen wie "Last Of The Independent Romantics" oder "Transatlantic Blues". So, nun lasst Euch von der Meckerziege nicht ins Bockshorn jagen, denn die meckert auf verdammt hohen Niveau. Wenn man drei Alben in Folge stilistisch so eng aneinander packt und dennoch nie "just more of the same" bietet, hat man einiges richtig gemacht.

Was sie richtig gemacht haben, bekommt man gleich im zweiten Song "Divinyls" um die Ohren gehauen, hier präsentieren sie das was in den Achtzigern so großartig war wie nie zuvor oder danach. Die Melodie läuft mit wenig Aufwand so unfassbar nach vorne, dass es einen mitreißt, so schreibt man einen Hit. Das folgende "If Tonight Is Our Only Chance" kommt noch knalliger daher, für beide Kracher gilt: Flugzeug einfach mal stehen lassen, ab auf die Piste, Backstein auf das Gaspedal, den Arm soweit nach oben aus dem Fenster, dass es an der nächsten Brücke eng wird.
Wer an den Songs keinen Spaß hat, der soll sich im Keller einschließen, trotz einiger Kurskorrekturen beherrschen sie die Lebensfreude zu vermitteln wie keine anderen. Mächtig gerockt wird auch, die aktuelle Single "Taurus" besitzt ebenfalls diesen unglaublichen Drive, nur mit noch mehr Axteinsatz. Im Titeltrack finden wir auch die typischen, fast cleanen Riffs, eines der Markenzeichen, bevor dann der Chorus explodiert. Und wer von den Achtzigern nicht genug bekommen kann, für den toupieren der federnde Bass und die feinen Keyboards von "Sister Mercurial" die New Romantic-Fönwelle.

Bei so viel Bombastballast an Bord darf man sich gerne in schwelgerischen Sphären durch die Lüfte treiben lassen. Näherte die sich das Flugorchester zuletzt mit "Moment Of Thunder" an ASIA an, so hätte "Golden Swansdown" mit seinen programmierten Rhythmusspuren auf "Vigilante" von MAGNUM stehen können. Den ganz großen Wurf landen die Herren und ihre Flugbegleiterinnen mit "Transmissions", welches sich sofort in die Flugbahn des Hörers überträgt. Gelegentlich glaubt man eine Geige zu hören, und tatsächlich schält sich dieses Instrument immer mehr heraus.
Rachel Hall von den britischen Proggies BIG BIG TRAIN streicht den Bogen und übernimmt in der Coda so genial den Steuerknüppel, dass uns nichts anderes übrig bleibt als komplett abzuheben. Der Geist des Original-Schlagzeugs von ABBA, welches bei den Aufnahmen verwendet wurde hinterlässt hier seine tiefen Spuren. Trotz kleiner Makel kann es "Aeromantics" sogar mit dem Vorgänger aufnehmen, "Amber Galactic" bleibt unerreicht, aber möglicherweise war da der Überraschungseffekt am größten. (Pfälzer)


Anzahl der Songs: 13
Spielzeit: 59:31 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 28.02.2020

Bewertung:

Pfaelzer8,5 8,5 / 10


Andreas 6,0 6 / 10

Anne7,0 7 / 10

Klaus6,0 6 / 10

Maikwertung folgt 0 / 10

Pascal8,0 8 / 10

Anna 8,58,5 / 10


nightflichtorchestra aeromantic700

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden