G! Festival (13.-15.07.2023, Syðrugøta (FO))

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vorbericht G 01Das G! ist ein genreübergreifendes Musikfestival, das in diesem Jahr vom 13. bis 15. Juli in Syðrugøta auf Eysturoy stattfand. 2018 hatte ich es zum ersten Mal zu dem Festival auf den Färöern geschafft und seitdem wollte ich immer mal wieder hin. Doch dann kam Corona und hat vieles zunichte gemacht. 2020 fiel ja bekanntermaßen alles aus – selbst auf den Färöern, obwohl diese immer mal wieder vollkommen frei von Corona waren. 2021 sollte das Festival dann stattfinden, ich hatte schon die Akkreditierung in der Tasche, die Reise auf die Färöer war gebucht – und dann entschieden Politiker eine Woche vorher, dass das Festival doch nicht stattfinden durfte. Da die Macher des G! aber schon immer etwas rebellisch waren, gab es eine deutliche abgespeckte, „heimliche“ eintägige Version, bei der man dann doch so einige einheimische Bands sehen konnte – und das völlig umsonst. 2022 konnte das Festival dann wieder wie gewohnt stattfinden. Und dieses Jahr war es dann auch für mich endlich wieder soweit. Es hieß: Auf zum G!

Dieses Mal war ich nicht nur akkreditiert, sondern ich gehörte zum Delegates-Programm, was bedeutet, dass ich neben der eigentlichen Akkreditierung auch in den Genuss zusätzlicher Vergünstigungen wie Ausflügen, Verpflegung und – ganz wichtig – der Hot Pot Flatrate kam. Dieses Programm startete bereits mittwochsabends. Und ich hatte auch in weiterer Hinsicht Glück, denn mittlerweile ist Theodor, einer meiner färöischen Freunde, nach Syðrugøta gezogen, so dass ich bei ihm Quartier beziehen konnte – und nur etwa zwei Minuten zu Fuß bis zur großen Bühne auf dem Strand hatte. Besser geht nicht. Am Mittwoch reiste ich an, rechtzeitig bevor die Straßensperrungen im Ort in Kraft traten, so dass ich meinen ganzen Kram einfach bei meinem Freund ausladen konnte. Das Auto parkte ich dann im Nachbarort Gøtugjógv, da auswärtige Autos innerhalb der gesperrten Zone wohl nicht so gern gesehen werden. Nun noch schnell Festivalbändchen und Ausweise abholen und schon bin ich zu allen Schandtaten bereit. Nach einem gemütlichen Abendessen geht es gegen 19:30 Uhr zum Kennenlernen von Delegierten, Veranstaltern und anderen. Treffpunkt ist „Valhøll“, ein Gebäude mitten auf dem Festivalgelände und ständiger Anlaufpunkt. Von hier aus soll es zu einem „Haus in der Nähe“ gehen.

Was zunächst nach einer etwas seltsamen Beschreibung klingt, ist jedoch typisch färöisch – und noch einmal speziell „syðrugøtisch“: Wir fallen mit kompletter Mannschaft in ein Privathaus ein. Da man auf den Färöern die Schuhe auszieht, bevor man ein Haus betritt, bildet sich ein ansehnlicher Haufen an der Haustür. Im Haus befinden sich nicht nur Pressevertreter aus aller Welt, sondern auch Musiker und Mitarbeiter der färöischen Musikbranche. Wir lernen Glenn, den Leiter von FMX (Faroe Music Export) kennen und ich treffe Marianna wieder, die mich immer mit den neuesten Tutl-Veröffentlichungen versorgt. Das Essen ist typisch färöisch: Häppchen mit Trockenfisch, getrocknetem Schafsfleisch usw. Aber auch mit einem Brotaufstrich aus Algen aus heimischem Anbau. Das weckt bei mir sofort Erinnerungen an mein G! vor fünf Jahren, wo ich auf einem Vortrag über den Algenanbau war – und tatsächlich: Der Besitzer des Hauses stellt sich als der Eigentümer der Firma heraus, die die Algen anbaut.

Doch an diesem Abend geht es nicht nur ums Kennenlernen und Essen (und Bier!), es geht natürlich auch um die Musik und daher werden uns gleich zwei Akustikauftritte geboten. Einmal MARIANNA WINTER, die uns drei ihrer Songs präsentiert und mit ihrer lockeren, fröhlich-frechen Art das Publikum im Nu im Griff hat. Und dann spielt auch SON OF FORTUNE noch drei Stücke. Darüber freue ich mich ganz besonders, denn SON OF FORTUNE gehört zu meinen färöischen Lieblingsbands, die ich aber schon lange nicht mehr live gesehen habe und zudem spielt Benjamin Petersen, der Mann hinter SON OF FORTUNE, auch noch „Oyðin“, ein Stück, das er unter seinem eigenen Namen veröffentlicht hat und das ich einfach liebe.

Während ich bereits seit Sonntag auf den Färöern bin, sind die meisten anderen Delegates erst heute angereist, so dass viele müde sind und der heutige Abend ein recht frühes Ende findet. Aber so kann ich ihn bei Theodor in großer Runde (ich bin natürlich nicht der einzige Gast während des Festivals, sondern insgesamt sind rund 20 Menschen bei ihm untergebracht) noch gemütlich ausklingen lassen.


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Donnerstag, 13.07.2023

Der Tag beginnt für uns Delegates mit dem gemeinsamen Frühstück in „Valhøll“, danach geht es zusammen mit dem Bus nach Gjógv, um uns etwas von der beeindruckenden färöischen Natur zu zeigen. Unterwegs halten wir kurz oberhalb von Funningur, wo jeder die weltbekannte Aussicht fotografieren kann. Dann geht es auch schon nach Gjógv. Leider hat man den Fehler gemacht, den Leuten schon unterwegs zu sagen, dass man in Gjógv Papageitaucher sehen kann. Mit dem Effekt, dass alle sofort losrennen, als sich die Bustüren öffnen. Unser eigentlich vorgesehener Führer gibt auf. Ich sag’s ja immer: Eine Gruppe Erwachsener zusammenzuhalten ist schwerer als eine Gruppe Kindergartenkinder.

Mehr oder weniger zielstrebig geht es zur namensgebenden Gjógv, wo wir auch tatsächlich fast auf Tuchfühlung mit den Papageitauchern gehen können. Einige sitzen weniger als zwei Meter vom Weg entfernt und man bekommt meine Mitdelegierten kaum da weg. Es sind aber auch putzige Tiere. Eigentlich sollen wir den Rundweg hoch auf die Klippen gehen, aber geschätzt bleibt mindestens die Hälfte bei den Papageitauchern zurück. Dabei hat man von oben eine fantastische Aussicht auf das Meer, die Klippen, das Tal und kommt auch richtig nah an die Eissturmvögel ran. Ich war schon oft hier, aber es ist immer wieder schön.

Wieder am Bus angekommen ist es Zeit für einen Snack und Getränke (wenn die Färinger auf eines achten, dann dass ihre Gäste niemals hungrig oder durstig sind), anschließend geht es wieder zurück zum Festivalgelände. Vorher gibt es jedoch noch einen kurzen Zwischenstopp mit Aussicht auf die Felsnadeln Risin und Kellingin. Am Nachmittag sind wir wieder zurück auf dem Festivalgelände. Es bleibt noch genügend Zeit, sich etwas auszuruhen, bevor es mit der Hauptsache – der Musik – weitergeht.

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BENJAMIN RAJANI

Das Festival wird musikalisch vom jungen Musiker BENJAMIN RAJANI eröffnet, der in diesem Jahr beim Talentwettbewerb „Sement“ den dritten Platz belegt hat und daher auf dem G! spielen darf. Offiziell spielt er Singer/Songwriter, tatsächlich ist es aber eher unaufgeregter, verträumter Pop, der fast schon niedlich wirkt. Am Keyboard steht hier übrigens kein Geringerer als Eli Tausen Á Lava, der schon einige Musikpreise einheimsen konnte. Gegen Ende wird es dann jedoch etwas rockiger, das gefällt mir doch deutlich besser. Die Songs haben die typisch färöische Melancholie; es fehlt jedoch das gewisse Etwas, um die Stücke wirklich interessant und mitreißend zu machen. Allerdings hat Benjamin eine wunderbare klare Stimme, die auch im Duett sehr schön klingt. Aus dem Jungen kann noch was werden, wenn das Songwriting etwas interessanter wird. Vielleicht funktioniert seine Musik auf Platte auch besser als live. Zuschauermäßig ist noch nicht allzu viel los, so dass einem die Band schon auch etwas leid tut.

Setlist BENJAMIN RAJANI:
Stjørnuhav
Verjugarð
Royni Enn At Gloyma
Bæði So Og So
Lívsins Balkong
Orð Eru Fátøk
Symfoni

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DANIA O. TAUSEN

Das ändert sich schlagartig mit dem Auftritt von DANIA O. TAUSEN. Die junge Sängerin kann deutlich mehr Zuschauer vor die Bühne ziehen und macht auch wesentlich mehr Stimmung. Das liegt zum einen an ihren flotteren, rockigeren Songs, aber Dania ist in der färöischen Musikszene auch schon etablierter. Auch handelt es sich um eine holistische Künstlerin, die nicht nur Musik veröffentlicht, sondern auch schon einen Gedichtband geschrieben hat und in einem Film mitgespielt hat (in dem sie zwar sich selbst gespielt hat, aber dennoch). Dania hat eine ganz eigene, sehr erfrischende Art, die alltäglichsten Dinge anzusprechen und sich dabei geschickt und poetisch auszudrücken. Auch wenn sie rein musikalisch nicht so ganz meine Baustelle ist, mag ich sie dennoch aufgrund ihrer Texte sehr gerne. Auch ihre Stimme ist einfach wahnsinnig angenehm. Bei ihrem Auftritt auf dem G! konzentriert sie sich vor allem auf ihr neues Album „Ja/Nei – Og Restin Av Vikuni“, das jedoch erst im September erscheinen wird. Mit „Alt Annað Enn Vanligt“ spielt sie gerade einmal einen Song vom noch aktuellen Album „Gonguteigatúnatos“. Es macht Spaß, der jungen Künstlerin zuzusehen, sie bringt ihre Songs sehr authentisch rüber und interagiert auch viel mit dem Publikum. Leider trifft das nicht auf alle Bandmitglieder zu, die oft etwas unbeteiligt wirken. Danias Auftritt ist aber auch der erste von vielen Künstlerinnen, die von jetzt an für mehrere Stunden die Bühnen des G! beherrschen werden.

Setlist DANIA O. TAUSEN:
Alt Annað Enn Vanligt
Eg Gleði Meg At Sakna Teg
At Siga Ja Er Nei
Eg Burdi Keypt Mær Hús Í Bergen
Og Tað Er Bara Tað
Tú Pjøvist Ikki At Leggja Alt Tú Hugsar Á Facebook
Aftaná Ein Langan Arbeiðsdag
Kann Eg Hava Armin Soleiðis Her?
Vit Bíða At Breyðið Skal Poppa
Eg Vil Frysta Løtuna

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LUCKY LO

Weiter geht es mit der ersten Band auf der Hauptbühne. LUCKY LO, die ursprünglich aus Schweden stammt, aber schon seit Jahren in Kopenhagen wohnt, versprüht vom ersten Augenblick an pure Spielfreude. Sie hüpft und tanzt ausgelassen barfuß über die Bühne und ihren Enthusiasmus überträgt sie mit Leichtigkeit auf das Publikum, das sie begeistert feiert. Sie trägt einen der offiziellen G!-Strickpullover (ja, auf dem G! gibt es neben dem üblichen Festivalmerchandise auch offizielle Strickwaren) und scheint auch sonst eine enge Verbindung zum Festival und/oder den Färöern zu haben. Sie bleibt für das gesamte Festival und ist später immer wieder in Begleitung von färöischen Künstlerinnen auf dem Gelände zu sehen. Für ihren neuen Song „Yes To Myself“, den sie mit „Life is too short to say no!“ ankündigt, holt sie sich einige färöische Sängerinnen als Unterstützung auf die Bühne, darunter Lea Kampmann und Elinborg Pálsdóttir. Mit „Hey! Let’s Go“ gibt es auch noch eine Weltpremiere, denn LUCKY LO spielt diesen Song auf dem G! zum allerersten Mal live. Die Schwedin gehört zu den Künstlern, die ich bisher nicht kannte (was vor allem daran liegen dürfte, dass ich kaum Pop höre), aber auf den Färöern scheint sie durchaus sehr bekannt zu sein und das ist ja auch das Schöne am G!: Man entdeckt gute Künstler, von denen man ansonsten nie etwas gehört hätte.

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TAMARA

Es geht zurück zur kleinen Bühne auf dem Spielplatz. Hier spielt nun TAMARA, die noch ganz am Anfang ihrer musikalischen Karriere steht. Erst im Herbst wird ihre Debüt-EP erscheinen. Aber in der färöischen Musikszene ist sie durchaus bekannt, gewann sie doch 2020 den Talentwettbewerb Sement und stand schon oft gemeinsam mit Jasmin Mote auf der Bühne. Die Sängerin mit tansanischen Wurzeln hat eine wunderbar soulige Stimme und spielt sanften Soulpop, der jedoch auch immer mal wieder heftige Ausbrüche hat. Zu Beginn ihres Auftritts wirkt sie noch etwas schüchtern, wird dann jedoch langsam immer selbstsicherer. Sie hat auch eine Art Fanclub mitgebracht, der ihr die ganze Zeit aus der ersten Reihe zujubelt. Überhaupt ist es schön zu sehen, dass es bei der Generation der jungen färöischen Sängerinnen kein Konkurrenzdenken gibt, sondern sich alle gegenseitig unterstützen. So steht hier natürlich auch Jasmin Mote im Publikum um ihre Freundin zu bejubeln. Tamara bekommt viel Applaus für diesen Auftritt und auch wenn ihre Musik nicht ganz meinen Geschmack trifft, so finde ich ihre Stimme doch wahnsinnig toll. Man darf gespannt sein, was man in Zukunft noch von ihr hört.

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EIVØR

Und schon ist es an der Zeit für die Königin des G!, wie sie auch offiziell angekündigt wird. Ein G! ohne EIVØR ist nur schwer vorstellbar und bisher auch nur selten vorgekommen. Selbst 2021, als sie nicht spielte, war sie zumindest als Zuschauerin vor Ort. EIVØR ist in Syðrugøta aufgewachsen. „Als Kind habe ich an diesem Strand gespielt!“ sagt sie auf Englisch und zeigt auf den Strand, auf dem wir alle stehen, ihr Elternhaus in Sichtweite. Sie war von Anfang an beim G! dabei und so soll es bleiben. Warum sie allerdings schon freitags und so früh ran muss, das verstehe ich nicht so recht. Die Sängerin könnte problemlos einen Abend füllen, hier steht ihr nur eine Stunde Spielzeit zur Verfügung. Und dabei kann sie locker den größten Publikumsandrang des Festivals verzeichnen, es herrscht ordentliches Gedränge vor der Bühne. Das Publikum liebt EIVØR und EIVØR liebt das Publikum. Als sie ihren großen Hit „Trollabundin“ spielt, singen alle mit und sie dreht das Mikro in Richtung Zuschauer – ein magischer Moment. Hier sind alle miteinander verbunden – Band, Publikum, die mächtige Natur der Färöer. Man wünscht sich, dass dieser Auftritt niemals enden möge. Auch bei „Í Tokuni“ singen alle lauthals mit und man fühlt sich als Teil eines großen Ganzen, hier an diesem Strand. Man kann sich geradezu in das Ich des Songs hineinversetzen, das sich in den Bergen oberhalb von Gøta im Nebel verirrt hat und nun die Lichter und Klänge des Dorfes sucht. Zuletzt spielte EIVØR immer öfter zusammen mit Metalbands oder auf Metalfestivals, sogar auf dem Wacken Open Air – und das zeigt sich auch etwas in ihrer Musik, denn „Falling Free“ wird in der Liveversion deutlich heftiger als auf Platte. Viel zu früh geht der Auftritt zu Ende und ohne Zugabe will sie niemand gehen lassen. Also kommt sie noch einmal für „Verð Mín“ zurück und fesselt uns ein letztes Mal mit ihren Zauberkräften und ihrer Stimme aus einer anderen Welt. Ein fantastischer Auftritt, von dem ich noch lange zehren werde. Ich wünschte nur, er wäre noch länger gewesen.

Setlist EIVØR:
Salt
Brotin
Silvitni
Let It Come
Gullspunnin
Trollabundin
True Love
Í Tokuni
Falling Free
-------------------
Verð Mín

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JAZZYGOLD

Pink, pinker, JAZZYGOLD. Es geht zurück zur Spielplatzbühne, wo das neue Alter Ego von Jasmin Mote seinen Auftritt hat. Die Sängerin ist erwachsen geworden und hat die kleine Jasmin zurückgelassen. Jetzt ist sie deutlich selbstbewusster als JAZZYGOLD unterwegs. Konsequenterweise spielt sie auch keine JASMIN-Songs mehr, sondern nur noch die neuen Songs, die sie für JAZZYGOLD geschrieben hat. Darin geht es um all die Probleme, die man in seinen 20ern auf den Färöern so haben kann. Ob man sich selbst langweilig findet, man nach einer Party oder einem Konzert noch alleine bis in den Morgen weiter trinkt oder man nach dem Schlussmachen so fertig ist, dass man sich in seiner Verzweiflung die Haare rot färbt – junge Leute, vor allem Frauen, können sich hiermit identifizieren. Auch Jasmin hat ihren Fanclub mit dabei, der einfach alles laut bejubelt und vor der Bühne Party macht, während sie mit ihrer soulig-warmen Stimme und einer gehörigen Portion Selbstironie ihre Songs auf der Bühne inszeniert. Dabei ist der Auftritt auch ein historisches Ereignis, denn es ist der allererste Auftritt von JAZZYGOLD auf den Färöern (davor spielte sie bereits auf dem Trondheim Calling und The Great Escape Festival). Und dass sich die jungen färöischen Sängerinnen gegenseitig unterstützen, das sieht man hier ganz praktisch, denn Marianna Winter und Dania O. Tausen fungieren hier als Backgroundsängerinnen. Am Ende überzeugt JAZZYGOLD so sehr, dass das Publikum noch eine Zugabe sehen möchte, die aber nicht drin ist.

Setlist JAZZYGOLD:
-
-
Boring Like Me
-
Lonely Afterparties
Leave
Day Off
Lonely Place
Dyed My Hair Red
Sweet Beginnings

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MARIUS DC

Denn schon 10 Minuten später soll auf der gleichen Bühne MARIUS DC spielen. Obwohl der Junge erst 19 Jahre alt ist, ist er schon ein alter Hase in der färöischen Musikszene. Bereits mit 13 Jahren stand er zum ersten Mal auf einer Bühne und war einst der jüngste Rapper der Färöer. Eigentlich sollte er bereits 2020 und 2021 auf dem G! spielen, woraus ja aus bekannten Gründen nichts wurde. Umso mehr freut er sich, dass es jetzt endlich geklappt hat. Auf der Bühne lässt Marius die Sau raus und macht einen auf dicke Hose, denn das erwartet man ja auch von einem Rapper. Abseits der Bühne ist er ein freundlicher junger Mann, der stets seinen kleinen Bruder im Schlepptau hat und in seiner ganzen Art deutlich älter als 19 wirkt. Er kann nicht ganz so viele Fans vor der Bühne versammeln wie die Frauen vor ihm – aber die, die da sind, flippen völlig aus und feiern ihn ab. Dabei bezieht MARIUS DC das Publikum regelmäßig mit ein und kommuniziert viel mit ihm. Sei es nun, dass er das von einem Zuschauer entgegengereckte Handy nimmt und sich mal eben selbst filmt, oder dass er sich weit über die Absperrungen lehnt. Überhaupt scheint er mehr auf den Boxen oder im Fotograben zu stehen als auf der Bühne selbst. Ich bin kein großer Fan von Hip Hop, aber MARIUS DC macht einfach Spaß und überzeugt.

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SAINT LEVANT

Es geht zurück zum Strand, wo mit SAINT LEVANT der Headliner des heutigen Tages spielt. Auch hier dominiert die Farbe Pink, was man wohl als leichte Provokation auffassen kann. In Palästina aufgewachsen hat Marwan Abdelhamid auch algerische und französische Einflüsse und vermischt Englisch, Französisch und Arabisch in seinen Texten. Seine Musik ist Pop mit eindeutiger R&B- und Hip-Hop-Schlagseite. Auch hier muss ich wieder gestehen, dass ich noch nie was von ihm gehört habe. Er ist wohl auf Tiktok ziemlich groß und ich wohl zu alt für sowas. Nicht jedoch die jungen Färinger, die ihn wie einen König feiern. Aber hey, einen Song kenne ich: Das KHALED-Cover „Aicha“. Und französischer Rap in Rosa ist ja auch mal was. Wirklich überzeugen kann mich die Band jedoch nicht, muss ich gestehen.

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LAMBRINI GIRLS

Für mich geht es zurück zur Spielplatzbühne. Dort spielen jetzt die LAMBRINI GIRLS aus England. Ein Freund meinte „Ach, das ist doch bloß JOE & THE SHITBOYS in weiblich!“. Vielleicht ist das der Grund, warum deren Sänger Fríði mir heute mehrfach sagte, dass ich die LAMBRINI GIRLS unbedingt sehen muss. Und was soll ich sagen – sie waren DIE Band des Tages. Ich würde mal behaupten, mindestens 90 Prozent der Anwesenden kennen von der Band genauso viel wie ich – nämlich nichts. Aber sie fressen den Mädels aus der Hand. Das ist schon eine Leistung, ein Publikum, das einen überhaupt nicht kennt, derart mitzureißen. Die LAMBRINI GIRLS scheinen aus einer anderen Welt zu kommen. Sie sind frech, sie sind laut, sie sind wild, der Spaß und die Interaktion mit dem Publikum sind ihnen deutlich wichtiger als die Musik – sie sind Punk. Punk, wie er im Buche steht. Die Mädels verbringen mehr Zeit im Publikum als auf der Bühne – einzig die Schlagzeugerin muss zurückbleiben. Dabei drücken sie auch gerne mal ihre Instrumente ahnungslosen Zuschauern in die Hand und lassen diese weiterspielen. Im Laufe ihres Auftritts ziehen die Musikerinnen sich bis auf die Unterwäsche aus (was alleine schon deshalb Respekt verdient hat, da in dieser Nacht Temperaturen von um die 6°C herrschen), lassen sich von den Zuschauern buchstäblich auf Händen tragen, spritzen Sekt ins Publikum und sind einfach ausgelassen. Die Sängerin klettert sogar auf das Häuschen, in dem Sound- und Lichttechniker stehen und dirigiert von dort das Publikum. Gerade das wird erst hinterher richtig lustig, als ich bereits wieder zurück im Haus meines Freundes Theodor bin. Nach getaner Arbeit taucht auch Lichttechniker Súni auf, der davon berichtet, wie verwundert er war, dass auf einmal alle in seine Richtung schauten und er zuerst gar nicht verstanden hat, was los ist und sich dann gefragt hat, wie die überhaupt da hoch kam. Da meinte Theodors Schwester: „Ach, das waren wir. Die hat gefragt, ob wir ihr helfen können, also haben wir sie da hochgehoben.“ Musikalisch gehören die LAMBRINI GIRLS vielleicht nicht gerade zur Spitzenklasse, aber mit ihrer sozialkritischen, selbstbewussten und selbstbestimmten Art haben sie die Herzen aller an diesem Abend gewonnen. Und scheiße, haben die den Bau abgerissen. Wenn das nicht absolut genial war, dann weiß ich auch nicht.

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Freitag, 14.07.2023

Heute strahlt die Sonne nur so vom Himmel. Es ist der erste Tag mit richtig schönem Wetter, seit ich auf den Inseln bin. Fast bedauert man es, auf einem Festival zu sein und nicht in den Bergen zu wandern. Mit den übrigen Delegierten geht es heute nach Tórshavn, wo wir das Haus des Nordens besichtigen und dann durch die Stadt zu Fuß zum Tutl-Laden laufen, wo uns Kristian Blak etwas zur Geschichte des Label und des Ladens erzählt. Als besondere Überraschung bekommen wir ein exklusives Konzert der färöischen Senkrechtstarter AGGRASOPPAR geboten, das wohl so manchen der Anwesenden leicht verstört zurücklässt. Trygvi Danielsen gibt alles, rappt so manchem Anwesenden mit einem Abstand von nur wenigen Zentimetern direkt ins Gesicht und windet sich am Ende sogar auf dem Boden zwischen den Füßen der Anwesenden. Die derweil Kekse knabbern und Bier trinken. Irgendwie skurril und doch irgendwie typisch färöisch. Hier liegen Hygge und Hysterie mitunter ganz nah beieinander. Verschwörerisch geben uns die Musiker von AGGRASOPPAR außerdem zu verstehen, dass sie es sein werden, die heute auf dem als „Überraschungskonzert“ angekündigten Konzert spielen werden, und dass wir kommen sollen, wenn wir das erleben wollen.

Ein Teil der Delegierten bleibt im Laden oder schaut sich auf eigene Faust die Stadt an. Einige sind auch auf Strickpulloverkaufmission, der Rest von uns schaut sich noch einige Veranstaltungsorte an. So besichtigen wir das Reinsaríið, Perlan und – typisch färöisch – nach einem spontanen Anruf auch noch die alternative Bar Sirkus, wo uns Inhaberin Sunneva bereitwillig einiges zur Geschichte und Attitüde des Ladens erzählt. Anschließend haben wir noch etwa 45 Minuten zur eigenen Verfügung, die ich dafür nutze, zwei Mitdelegierten die Altstadt und das Regierungsviertel von Tórshavn zu zeigen. Kurz nach 16:00 Uhr sind wir wieder zurück in Syðrugøta. Das reicht gerade zum Umziehen, dann geht es auch schon mit den ersten Bands los.

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HIALÖSA

Den Auftakt machen heute HIALÖSA aus Schweden, ein Akustiktrio, bestehend aus zwei Violinen und einem Bass, die jetzt nicht gerade Stimmungskanonen sind. Geboten wird sehr schöner schwedischer Folk mit sehr langen Instrumentalpassagen. Das ist jetzt auch nicht unbedingt die Musik, die ein feierwütiges Festivalpublikum anspricht. Entsprechend sind auch nicht besonders viele Zuschauer anwesend und die Band tut mir schon ein bisschen leid. Die Truppe stammt aus Skåne in Südschweden. Ihre Ansagen machen sie daher einfach in ihrem heimischen Dialekt, da der dem Dänischen recht ähnlich ist. Zu den Stücken, die sie spielen, geben sie immer so einige Erklärungen ab – verraten aber nie, wie die Lieder jetzt eigentlich heißen. So präsentiert man uns das älteste Lied Skandinaviens, den ältesten Popsong der Welt, in dem es um Liebe geht und den längsten Tanz der Welt. Der ähnelt etwas dem färöischen Kettentanz, doch niemand erbarmt sich, auch zu tanzen. Erst beim vorletzten Song ist das Publikum soweit aufgetaut, dass die Ersten anfangen mitzutanzen. Eigentlich waren HIALÖSA ganz nett, wirkten aber auch ein wenig deplatziert.

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ELINBORG

Elinborg Pálsdóttir, eine der kleinen Schwestern von EIVØR, habe ich bereits 2018 auf dem G! gesehen. Damals trug sie noch die alten Bühnenklamotten ihrer Schwester auf und präsentierte mit Akustikgitarre ihre Jungmädchenlieder. Doch auch ELINBORG ist in den letzten Jahren zu einer jungen Frau gereift und hat ihren eigenen Stil entwickelt. Dass sie dabei auch von ihrer großen Schwester beeinflusst ist, ist nicht von der Hand zu weisen. Apropos große Schwester: Die steht den ganzen Auftritt über in der ersten Reihe und jubelt Elinborg zu. Als Backgroundsängerinnen unterstützen Lea Kampmann und Birita Dam. Die derzeitigen Songs von ELINBORG fallen deutlich düsterer aus als ihre frühen Werke und das passt auch besser zu ihr. Stücke wie „Sjórok“ werden live nochmal deutlich härter als auf Platte gespielt und stimmlich erinnert sie immer mehr an die große Schwester. Zugleich ist sie aber düsterer, poppiger, melancholischer – ja, sie umweht eine ganz eigene, leicht gespenstige Aura, die es eine Freude macht, ihr zuzusehen. Meist mit geschlossenen Augen steht sie auf der Bühne und zelebriert, lebt ihre Songs. Ihr Dark Synth Pop passt nicht so recht zum strahlenden Sonnenschein heute, aber perfekt in lange dunkle Winternächte. Von ELINBORG darf man in der Zukunft sicher noch einiges erwarten. Dieser Auftritt war auf seine ganz eigene Weise magisch.

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MARIUS ZISKA

Die erste Band, die heute am Strand spielt, ist ebenfalls färöisch. MARIUS ZISKA ist eine der bekanntesten färöischen Bands und hat gerade vor nicht allzu langer Zeit ein (verdammt gutes) neues Album herausgebracht. 2018 habe ich mich auf dem G! in die Band verliebt und sie seitdem ein paar Mal gesehen. Aber auf dieses Konzert, wieder auf dem G!, wieder auf dem Strand, freue ich mich ganz besonders. Bei der Songauswahl konzentriert man sich vor allem auf das neue Album „Rúm“. Leider ist gerade zu Beginn, als die tollen Songs „Skuggaspæl“ und „Ekkókamarið“ gespielt werden, der Sound nicht wirklich berauschend. Glücklicherweise bessert sich das im weiteren Verlauf, so dass dem musikalischen Genuss nichts mehr im Weg steht. Ansonsten ist hier einfach alles perfekt. Der (zumindest musikalisch) eher fröhliche Poprock von MARIUS ZISKA passt perfekt zum strahlenden Sonnenschein, und der Strand ist dicht gefüllt mit fröhlichen, glücklichen Menschen, die in der Sonne singen und tanzen. Die Songs kennt auch einfach fast jeder. Neben den vielen neuen Stücken spielt die Band auch das Beste von den vorhergehenden Alben wie „Aftur Á Jørðina“ (ein herrlich rockender Song) von der EP „Home/Heim“ oder „Dansa Í Náttini“ von „Portur“. Nicht fehlen darf vom letztgenannten Album natürlich der Überhit „Silvurlín“, ein nahezu perfekter Poprocksong. Kein Wunder, dass da am Ende eine Zugabe gefordert wird. Die es dann mit „Going Home“ auch noch gibt. Getrübt wird der Genuss dieses Auftritts nur dadurch, dass sich doch viele Menschen vor der Bühne einfach unterhalten haben – das fand ich dann doch sehr störend und auch respektlos den Musikern gegenüber. Ansonsten war das hier wieder einfach nur toll und ich hoffe, dass MARIUS ZISKA auch mal wieder in Deutschland touren werden.

Setlist MARIUS ZISKA:
Dansa Í Náttini
Skuggaspæl
Ekkókamarið
Síggja Av Nýggjum
Til Kærleikan
Falli Til Jarðar
Aftur Á Jørðina
Í Aldingarðinum
Klovin
Silvurlín
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Going Home

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ÁRSTÍÐIR

Bereits direkt bei meiner Ankunft war ich irgendwie mit einigen Mitgliedern von ÁRSTÍÐIR zusammengestoßen und da auch sie das komplette Festival über vor Ort waren, liefen wir uns ständig über die Füße. Als ich im Vorfeld zum Festival in alle Bands mal reingehört hatte, waren die Isländer auch ein „Könnte man sich ansehen“-Kandidat. Nun habe ich also zwei Gründe und so geht es sofort wieder zum Spielplatz. Die Band präsentiert melodischen Indiepop, der vor allem vom harmonischen Gesang der drei Hauptmitglieder Daníel, Gunnar und Ragnar lebt, die sich stimmlich perfekt ergänzen. Dabei begeistern sie auch mit unterhaltsamen Ansagen. So wird zum Beispiel der Song „Ljóð Í Sand“ angekündigt mit „Der ist von unserem Album, das wir geschrieben haben, als in Island die Finanzkrise herrschte und alle nur depressive Folksongs geschrieben haben“. Sie eröffnen auch, welche Verbindung sie zu den Färöern haben. Denn Sakaris Emil Joensen, der heute auch noch spielen wird (und jetzt natürlich im Publikum steht), hat die letzten Alben der Band produziert. So gestehen sie denn hier und jetzt ihrem färöischen Freund Sakaris ihre Liebe und widmen ihm den Song „Lover“. So langsam finden sich immer mehr Leute auf dem Spielplatz ein, so dass dieser gegen Ende gut gefüllt ist. Zum Abschluss gibt es mit „Sanity“ vom neuen, im Herbst erscheinenden Album „Blik“ noch einen brandneuen Song. Mir haben die Isländer richtig gut gefallen und ich freue mich, dass sie bald in Deutschland auf Tour sind.

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SONS OF THE EAST

Die nächste Band muss ich leider – teilweise – auslassen. Denn mit dem Status als Delegate kommt noch ein unschlagbarer Vorteil: die kostenlose Hot-Pot-Flatrate. Denn das G! ist ja nicht wie andere Festivals und so kann man direkt auf dem Strand gemütlich in Hot Pots sitzen, ein Getränk schlürfen und dabei der Band auf der Hauptbühne zusehen. In meinem Fall eben SONS OF THE EAST. Zwischendurch geht es zum Abkühlen immer mal wieder in die wirklich eisig kalten Fluten – wer kann schon behaupten, Bands aus dem Nordatlantik heraus geschaut zu haben – oder aus einem Hot Pot. Es ist sehr gemütlich und macht verdammt viel Spaß, aber damit nicht einige Leute die Hot Pots über Stunden blockieren darf jeder nur maximal 45 Minuten. SONS OF THE EAST hatten wohl die weiteste Anreise – aus dem sonnigen Australien kommen sie und machen hier auf dem Strand richtig gut Stimmung. Vielleicht war der Hot Pot genau der richtige Ort um diese Band zu sehen.
 


AGGRASOPPAR / Loynilig konsert
Vom einen heißen Ort geht es zum nächsten. AGGRASOPPAR spielen ein „heimliches“ Konzert im Fjósið, der Scheune. Es ist proppenvoll, ich schaffe es gerade so noch hinein – aber ich käme wohl nie mehr hinaus, wenn ich das jetzt wollte. Die Band ist bereits auf der Bühne als ich komme. War der Auftritt heute Mittag in Tutl schon etwas anders, so geht es hier noch verrückter vonstatten. Die Sänger tragen Tiermasken und springen wild über die Bühne, allen voran Trygvi. So ganz verstehe ich weder Texte noch Konzept, aber das muss man auch nicht unbedingt. Die Band wird jedenfalls von der Jugend abgefeiert als gäbe es kein Morgen. Verrückt, aber irgendwie auch ziemlich cool.

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WHEN SAINTS GO MACHINE

WHEN SAINTS GO MACHINE sind eine weitere Band, von der ich noch nie etwas gehört habe. In Dänemark – und damit in den davon beeinflussten Färöern – scheinen die jedoch ziemlich groß zu sein. Ich muss gestehen, dass ich mich kaum auf die Musik konzentrieren kann, da mich Sänger Nikolaj Manuel Vonsild so verwirrt. Er scheint optisch viel älter als seine Bandmitglieder zu sein – klingt und bewegt sich aber viel, viel jünger als er aussieht. Auch Google hat mir bisher nicht geholfen, dieses Rätsel zu lösen. Auf jeden Fall ist die sehr eigene, markante Stimme des Sängers ein Alleinstellungsmerkmal der Elektropopgruppe aus Kopenhagen. Die Färinger feiern die Truppe ab wie die Wahnsinnigen – mir wird es auf Dauer dann doch etwas zu viel und ich schaffe es nicht, mir den gesamten Auftritt anzusehen.
Stattdessen versuche ich, ins Fjósið zu kommen, um mir SAKARIS anzusehen. Aber – keine Chance. Die Scheune ist so vollgestopft, dass ich da beim besten Willen nicht mehr rein komme. Zumal ich ja auch noch zu HØGNI will, also irgendwann da auch wieder raus müsste. Zum Glück bekomme ich SAKARIS zwei Wochen später bei der Afterparty zum Faroe Pride zu sehen, so dass ich ihn nicht ganz verpasst habe.

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HØGNI

Seit mehr als 20 Jahren ist HØGNI ein fester Bestandteil in der färöischen Musikszene und ein Urgestein des G!-Festivals. Schon oft ist er hier aufgetreten, solo oder mit diversen Bands. Als ehemaliger Drummer von CLICKHAZE spielte er schon 2002 auf der ersten Ausgabe des Festivals. Im Ausland ist er wahrscheinlich am ehesten als langjähriger Drummer von EIVØR bekannt, aber er ist durchaus seit vielen Jahren Solo und mit anderen Bands unterwegs. HØGNI hat mir zuerst etwas Kopfzerbrechen bereitet, weil ich ihn unbedingt sehen wollte, aber auch BYRTA, und auf dem Zeitplan sah es so aus, als würden sich die beiden Auftritte teilweise überschneiden. War zum Glück aber einfach nur falsch dargestellt, was ich dann kurz vorher auch mal verstanden habe. Aber somit stand dem Genuss beider Bands dann nichts mehr im Wege. Dass HØGNI auf den Färöern bekannt und beliebt ist, das merkt man sofort, wenn man auf den Spielplatz kommt. Vor der Bühne ist es gerammelt voll, und er muss sich keine Mühe machen, das Publikum zu animieren. Alle singen von Anfang an voller Inbrunst mit. Songtechnisch bietet er einen netten Querschnitt durch alle seine Alben und sein musikalisches Schaffen, er zeigt, wie vielseitig er ist. Rundum blickt man in lauter glückliche Gesichter von Menschen, die die Band abfeiern. Viel zu schnell geht der Auftritt zu Ende und natürlich wird eine Zugabe gefordert. Die ist aber leider nicht drin. Das ist vielleicht auch besser so, denn nun steht das nächste Highlight des Festivals an.

Setlist HØGNI:
Simple Man
On Your Side
Back Against The Wall
Rats
Who’s Gonna Save You Now
How High
Soul Company
Big Personality
Burstin’ Bubble
Bow Down (To No Man)

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BYRTA

BYRTA waren einst DIE Elektropop-Sensation auf den Färöern. Vor zehn Jahren schlugen sie ein wie eine Bombe, ihr selbstbetiteltes Debütalbum räumte bei den Faroese Music Awards gleich drei Preise ab. Das Duo besteht aus Guðrið Hansdóttir, die so aktiv in der färöischen Musikszene ist, dass man sie nicht mehr vorstellen muss, und aus Janus Rasmussen, der als Musiker und Produzent aktiv ist. Auf dem diesjährigen G!-Festival feiern sie das zehnjährige Jubiläum ihres Debütalbums. Um die Band war es in den letzten Jahren sehr still, außer der Single “Hennara Dansigólv” (zusammen mit SILVURDRONGUR) 2018 gab es kein Lebenszeichen mehr von der Band. Umso mehr freuen sich ihre Fans jetzt auf das Konzert. Das war schon vorher klar, denn viele Freunde haben mir erzählt, dass sie sich ganz besonders auf das Konzert von BYRTA freuen. Und das merkt man. Das Publikum flippt vollkommen aus, alle singen laut mit und man merkt: Die Färinger haben nur auf die Rückkehr von BYRTA gewartet. Die zelebrieren ihren Auftritt. Guðrið Hansdóttir wirkt wie aus einer anderen Welt. Wie der Rest der Band ist auch sie ganz in Gold gekleidet, aber bei ihr passt es nochmal viel besser zum ganzen Stageacting. Gegen Ende haben sie sogar – ebenfalls in Gold gekleidete – Tänzerinnen dabei, die das Publikum zusätzlich anheizen. Als wenn das nötig gewesen wäre! Unter lautem Jubel verabschiedet sich die Band, die Zuschauer wollen sie am liebsten gar nicht gehen lassen. Doch sie müssen, denn nun ist es Zeit für ein extrem gegensätzliches Programm.

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200

Sau-sozialkritisch. Das wäre wohl eine der besten Beschreibungen für die Punker von 200. Seit über 25 Jahren aktiv, sind sie das schlechte Gewissen der färöischen Politik, kämpfen gegen Homophobie und Politiker, die nicht wirklich am Wohlergehen der Allgemeinheit interessiert sind. Sie sind DIE färöische Punkband. Lustig ist es schon, bevor die Band überhaupt auf die Bühne geht. Eine reichlich angetrunkene EIVØR erscheint, diskutiert mit den Securitys und verlangt, hinter die Bühne zu dürfen. Das darf sie natürlich, aber der Security-Mensch blickt ihr kopfschüttelnd hinterher. Doch wir werden später noch erfahren, was Eivør dort will. Als die Band die Bühne betritt, geht es von Anfang an richtig zur Sache. Ich bewundere die besondere Begabung von Sänger Niels Arge Calán, der es schafft, gleichzeitig zu singen, zu rauchen und Gitarre zu spielen. Da soll mal noch einer sagen, Männer seien nicht multitaskingfähig. Das Publikum ist von Anfang an wild, jemand wirft sein T-Shirt auf die Bühne, das Drummer Uni Árting dann völlig ungewollt mit seinen Drumsticks fängt und sich erst mal wieder entwirren muss, bevor er weiterspielen kann – aber, wenn das nicht Punk ist, dann weiß ich auch nicht. Für „Skótashit“ holt man sich Jan Rúni Poulsen als Schlagzeugunterstützung auf die Bühne – weil man Bedarf hat für „mehr Rhythmus“. Das neue Album „Reyvheart“ ist erst vor kurzem erschienen, so dass man viele Songs von diesem Album präsentiert. 200 machen von Anfang bis Ende einfach nur Spaß, denn ihre Texte sind nicht nur (sozial)kritisch, sondern auch überaus amüsant. Als Abschluss spielen sie dann den Song, den man auch als inoffizielle Hymne des diesjährigen G! bezeichnen könnte, denn man konnte ihn in den letzten beiden Tagen sehr oft auf dem Festivalgelände hören, wenn Besucher das Stück sangen oder einfach nur summten: „Seinasta Heilsanin“, mit dem Ohrwurmrefrain „Fuck you, Miðflokkurin!“. Hier gibt es dann, da der Refrain so unendlich lieblich und melodisch ist, Unterstützung von weiblicher Seite: EIVØR, ELINBORG, LUCKY LO, DANIA O. TAUSEN, MARIANNA WINTER und weitere Sängerinnen (ich stehe zu weit hinten, um sie alle zu erkennen) kommen auf die Bühnen und trällern, gemeinsam mit dem Publikum: „Fuck you, Miðflokkurin!“. Es ist herrlich und es ist der perfekte Abschluss für den zweiten Festivaltag.

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Samstag, 15.07.2023

Weil das Wetter gestern so perfekt war, gibt es heute als ausgleichende Gerechtigkeit eine dicke Wolkendecke. Doch immerhin bleibt es zunächst trocken. Mit den Delegierten steht heute ein weiterer Ausflug an – mit Abstand der coolste, obwohl es gar nicht weit ist. Denn vom Hafen in Syðrugøta aus setzen wir mittels Dinghi zur Norðlýsið (dt. Nordlicht) über, einem Schoner, der in den 1940ern gebaut wurde und der während des G!-Festivals immer malerisch und fotogen in der Bucht liegt. Doch wir setzen nicht einfach nur auf das Schiff über – wir fahren auch etwas hinaus Richtung offenes Meer. Schon vor zehn Jahren war ich mal mit der Norðlýsið unterwegs, aber es ist einfach immer ein Erlebnis, mit so einem schönen, alten Segelschiff zu fahren.

Doch wir fahren nicht allein. Mit uns fährt MARIUS DC, der schon vorgestern einen fulminanten Auftritt auf der Spielplatzbühne hingelegt hat. Nun spielt er noch einmal nur für uns. Weil es recht windig ist, hat das Boot doch einigen Seegang, aber das stört Marius überhaupt nicht. Wie ein Derwisch springt er über das Deck, hält sich zur Not an Seilen, Großbaum oder Mast fest, springt mitten zwischen uns und rappt uns einige seiner Songs vor. Dabei packt es ihn selbst so, dass er sich erst seiner Jacke und dann auch seines Pullovers entledigt und bei rund 10°C und Wind oberkörperfrei auf dem Schiff herum hüpft, dass es eine wahre Freude ist. Dabei schafft er es sogar, dass wir überrumpelten Journalisten alle mitsingen – Texte, die die meisten gar nicht verstehen dürften. MARIUS war vorgestern ja schon wirklich gut, aber sein Auftritt heute war nochmal ein ganzes Stück besser. Das hier war einfach super intensiv und richtig, richtig gut.

Setlist MARIUS DC:
Gasoline
Slættaratindur
Teenage Drama

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Da heute Sonntag ist, gab es morgens sogar einen Festivalgottesdienst. Außerdem werden heute auch mehrere Konzerte in der Kirche in Gøtugjógv stattfinden. Ich schaffe es jedoch nicht, eines davon zu besuchen, weil sich diese Konzerte so sehr mit anderen überschneiden, die ich auch gerne sehen möchte. Es ärgert mich insbesondere bei KLINGRA, die ich wirklich gerne gesehen hätte. Aber die spielen parallel zu ANNIKA HOYDAL, und da die bereits weit über 70 ist, entscheide ich mich für sie, denn wer weiß, wie oft man sie noch sehen kann. Während wir draußen auf der Norðlýsið sind, findet auf dem Strand vier Stunden lang Kinderbelustigung mit Spielen und Mitmachaktionen für die Kleinsten statt – denn auch die sollen nicht zu kurz kommen auf dem Festival. Anschließend gibt es auf dem Strand für alle gratis Salzfisch mit Bratkartoffeln. Der Fisch ist aus, als ich endlich zum Strand komme, aber das macht nichts, den hätte ich sowieso nicht gewollt. Die Kartoffeln sind auch sehr lecker.

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SPÆLIMENN
SPÆLIMENN sind eine feste Einrichtung auf dem G!. Bereits auf der allerersten Ausgabe des Festivals spielten sie – und seither jedes Jahr. So spielen sie auch dieses Jahr, während der Essensausgabe, auf der Bühne am Strand, so dass man Gelegenheit zum Essen und Tanzen hat. SPÆLIMENN spielen traditionellen Folk, und bestehen hauptsächlich aus Streichern und einigen Bläsern. In diesem Jahr stehen (und sitzen) über 20 Mitglieder des Ensembles auf der Bühne. Diese sind meist auch noch in eigenen Bands unterwegs, z.B. sind Kristian Blak und Ehefrau Sharon Weiss dabei, Mitglieder von KALAS, Anna Hüdepohl und viele mehr. Gespielt werden sowohl Eigenkompositionen diverser Mitglieder als auch Folksongs aus aller Welt. Die Truppe macht Spaß, aber es hätten gerne auch noch ein paar mehr Zuschauer sein dürfen.

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ANNIKA HOYDAL

Annika Hoydal ist die Grand Dame der färöischen Volksmusik. Mit 77 Jahren steht sie seit fast 60 Jahren auf der Bühne und wird noch immer gefeiert. Jeder auf den Färöern kennt ihre Lieder und ihre Interpretationen alter Volkslieder (z.B. „Dukka Mín Er Blá“ und „Rura, Rura, Rura“ oder auch der alten Balladen (z.B. „Ólavur Riddararós“). Zu jedem der von ihr gespielten Stücke erzählt sie eine kleine Geschichte, die mal länger oder auch mal kürzer sein kann. Stücke wie „Dukka Mín Er Blá“ kennt wirklich jeder Färinger und entsprechend wird das Stück auch von jedem im Publikum mitgesungen. Für „Lambið Og Tjaldrið“ holt Annika sich Kristian Blak auf die Bühne, mit der Ankündigung, dass nun ein Vogel zur Unterstützung käme und Kristian tut das, „was er am besten kann“: Den Tjaldur (dt. Austernfischer) geben, pfeifen, tirilieren und gackern. Zu „Åh, Herre Gud“ erzählt Annika eine Geschichte über den Dichter Djurhuus und einen Grabstein in dessen Speisekammer. Die Details habe ich nicht so ganz verstanden, da muss ich wohl nochmal nachforschen. Zum Abschluss gibt es mit „Ólavur Riddararos“ ein altes Kvæði und auch hier singen alle mit. Das Publikum liebt ANNIKA HOYDAL so sehr, dass es sie nicht ohne Zugabe gehen lassen will. Da gibt es „Aldan“, ebenfalls ein Stück das alle Färinger kennen und das lauthals mitgesungen wird, und „Lánivísan“. Die Färinger lieben Annika und es bleibt zu hoffen, dass sie noch lange so fit ist, wie sie derzeit ist, und noch oft spielen kann (und will).

Setlist ANNIKA HOYDAL:
Lívið Dýra Undur
15 Ár
Alfonsina
Dukka Mín Er Blá
Rura, Rura, Rura
Verið Góð Við Mánan
Lambið Og Tjaldrið
Åh, Herre Gud
Ólavur Riddararós
-------------------------------
Aldan
Lánivísan

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SILVITNI

Vom Strand geht es nun wieder in die Scheune zu SILVITNI. Das ist eigentlich nicht meine bevorzugte Musik, doch da ich gleich zwei der Mitglieder persönlich kenne und es mit Birgit Remmel hier auch deutsche Beteiligung gibt, muss ich mir das ja doch anschauen. SILVITNI sind ein reiner Frauenchor, der viel mit Harmonien arbeitet und dabei die von ihm gesungenen Stücke wunderbar klingen lässt. Und das a capella! Nur manchmal fügen sie durch klatschen und stampfen etwas Rhythmus hinzu, so dass das Ganze dann am Ende gar nicht so weit vom traditionellen färöischen Kettentanz entfernt ist. Nur eben viel, viel harmonischer und klangvoller. Chorleiterin Cinthia González Parada prüft vor jedem Stück mittels Stimmgabel die richtige Tonhöhe – was jedoch manchmal kaum möglich ist, da vom Spielplatz her der zeitgleich spielende AXEL FLÓVENT alles übertönt. Das ist ziemlich schade, denn nicht nur das Stimmen, auch das Singen wird oft von dort übertönt, was doch den Genuss ziemlich stört. Schade für SILVITNI, die einen ganz wunderbaren Auftritt hingelegt haben, bei dem Songs aus aller Welt, in vielen verschiedenen Sprachen, sogar japanisch, präsentiert wurden.

Setlist SILVITNI:
Silvurlín
Barn
I Got Rhythm
Mai-mynd
Mae-e (Forward)
Glitra
Las Amarillas
Har Uttanfyri Vindeygað
Soleram
Altíð Syngur Havið
Renn Sól Upp Úr Havi
Eldurin Fór At Loga
Dubula

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BRÍET

BRÍET ist eine isländische Künstlerin, die gerade dabei ist, ganz groß zu werden. Viele haben mir geraten, sie mir anzusehen, weil sie so gut sei. Allerdings ist der Auftritt von BRÍET meine einzige Chance, heute noch in die Hot Pots zu kommen und das muss ich natürlich unbedingt nutzen. Aber der Vorteil der Hot Pots ist ja, dass man von dort aus auch auf die Bühne sieht. Und so sehe ich BRÍET, wie zuvor schon SONS OF THE EAST sowohl vom Hot Pot als auch vom kalten Nordatlantik aus – und was würde besser passen zu einer Künstlerin aus Island, dem Land von Eis und Feuer? BRÍET ist wirklich Künstlerin durch und durch, alles ist durchdacht, ihr Bühnenoutfit, die Performance – wirklich großartig. Auch sie macht keine Musik, die ich mir zu Hause anhören würde, aber sollte ich nochmal die Chance haben, sie live zu sehen, werde ich diese sehr wahrscheinlich nutzen.



VÁGAVERK

Zu VÁGAVERK komme ich einen Ticken zu spät, da ich noch was essen muss (ab und zu muss das ja auch mal sein). Die Band ist seit über 20 Jahren aktiv und besteht hauptsächlich aus den beiden Sängern Jóan Jakko Guttesen und Sámal Ravnsfall. Ersterer hat dieses Jahr bei den Faroese Music Awards den Sonderpreis für sein Lebenswerk erhalten, denn er ist natürlich schon viel, viel länger musikalisch aktiv und vermutlich am bekanntesten für seine Band TINGANEST. Dabei steht weniger Perfektion als vielmehr Passion im Vordergrund und wie beliebt die Truppe ist, das zeigt sich bei meiner Ankunft auf dem Spielplatz, denn es gibt kaum ein Durchkommen. Die Zuschauer singen jedes Lied laut mit, es wird gefeiert, getanzt, geschunkelt und irgendwann bahnt sich auch eine Polonäse den Weg durch die Menge. Dass es mittlerweile angefangen hat zu regnen, stört niemanden. Auch der Regen gehört zum G! dazu und kein Färinger lässt sich von ein bisschen Regen die gute Laune verderben. Und spätestens beim Überhit „Eftir 1001 Nátt“ wird es im Publikum wild. VÁGAVERK würde ich mir ja auch nie zu Hause anhören, aber sie live zu erleben ist einfach immer wieder ein Genuss und ein Spaß. Kein Wunder, dass eine Zugabe gefordert wird, doch die ist leider nicht drin.

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SOOLKING

Die nächste Band lässt auf sich warten. Mittlerweile schüttet es richtig und wird langsam ungemütlich, vor allem wenn man einfach nur da steht und wartet. Es dauert und dauert. Die Bühne wird gewischt. Wir fragen uns, ob die Nordafrikaner wohl noch nie Wasser gesehen haben. Einzelne Bandmitglieder kommen auf die Bühne und machen Rutschtests. Wir fragen uns, was das soll. Später sehen wir, was für Tanzeinlagen es gibt, einschließlich Salto, und das macht die anfänglichen Bedenken natürlich verständlich. Wer einen Salto auf der Bühne macht, der will sich danach nicht hinlegen oder gar verletzen. Aber zunächst heißt es warten. Das Publikum wird langsam unruhig, so dass wir Fotografen uns als Animatoren betätigen. Funktioniert zum Glück ganz gut. Endlich, nach rund 30 Minuten Verspätung betreten SOOLKING die Bühne und legen los. Das Publikum verzeiht die Wartezeit im Regen schnell und geht ordentlich mit und spätestens beim ersten Salto ist es völlig um die Zuschauer geschehen und sie feiern, als wenn es kein Morgen gäbe. Ich muss gestehen, dass auch SOOLKING mit ihrer Mischung aus Rap und traditioneller algerischer Musik zwar interessant sind, aber so gar nicht meinen Geschmack treffen, so dass ich mir nur den ersten Teil ansehe und mich dann lieber ins trockene verziehe.

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BRIMHEIM

Mit BRIMHEIM hatte ich mich immer mal wieder beschäftigt, mir immer mal wieder das ein oder andere Stück angehört, aber nie so richtig den Zugang gefunden. Vor kurzem hatte ich mir nochmal was von ihr angehört und war überrascht, wie hart das eigentlich war. Von daher gehörte BRIMHEIM zu den Künstlern, die ich mir auf jeden Fall ansehen wollte, um mir mal ein genaueres Bild zu machen. Als Helena Heinesen Rebensdorff die Bühne betritt, regnet es noch immer. Es ist kalt, doch in ihrem nahezu durchscheinenden roten Kleid und mit ihrem gewinnenden Lächeln erwärmt Helena die Herzen der Zuschauer. Und zu was für einem Trip sie uns mitnimmt! Mal warm und gefühlvoll, mal kalt und berechnend, seltener zart, öfter völlig verrückt führt sie uns durch ihr musikalisches Werk. Auf dem Boden liegend spielt sie Gitarre, springt wie ein Derwisch über die Bühne und haucht dabei die zartesten Töne. Über allem liegt eine beinahe gespenstische, aber geradezu magische Atmosphäre. Gleichzeitig versprüht Helena ein wahnsinniges Selbstbewusstsein. Sie weiß ganz genau, was sie kann. Und doch wirkt sie gleichzeitig unglaublich verletzlich. Ich merke, dass ich mich unbedingt mehr mit ihrer Musik beschäftigen muss. Und ich merke, dass das hier das Ende des diesjährigen G! für mich werden muss. Ja, ich bin auch müde nach drei Tagen Festival. Aber das, was BRIMHEIM uns hier gerade bietet, das ist so groß, so großartig, so bezaubernd, so magisch – ich will nicht, dass mir das hinterher irgendeine andere Band kaputt macht. Mit diesen Eindrücken will ich das G! verlassen und so ist BRIMHEIM die letzte Band, die ich mir ansehe. Was ein Wahnsinnsauftritt!

Setlist BRIMHEIM:
Drama Intro
Heaven Help Me I’ve Gone Crazy
Favorite Day Of The Week
Dancing In Rain
Can’t Hate Myself Into A Different Shape
Poison Fizzing On A Tongue
Exquisite Bliss
Into Ooze
Hurting Me For Fun
Hey Amanda
Call It What You Want
Myself Misspelled

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Ich höre zwar später, dass sowohl RSP als auch HONNINGBARNA unglaublich gut gewesen sein sollen und eigentlich wollte ich mir diese ja ursprünglich auch ansehen und ein Teil von mir bedauert auch, dass ich es nicht gemacht habe. Zumal ich dann doch lange genug wach gewesen wäre, denn ich habe mich zuerst in Valhøll und danach im Tøting noch lange mit diversen Freunden und Bekannten unterhalten. Unter anderem auch mit Helena, die wirklich eine sehr nette junge Frau ist. Ich glaube aber trotzdem, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe, und dass es gut ist, dass BRIMHEIM noch immer meine letzte musikalische Erinnerung ans G! ist.

 

 


 


Fazit

Auch in diesem Jahr war das G! einfach gut. Ich habe so viele Freunde getroffen, so viele Leute neu kennengelernt. Zudem hatte ich den Vorteil, dass ich ganz nah am Festival gastieren konnte und dann gab es ja auch noch die vielen Vorteile, die mit dem Dasein als Delegate einhergingen, wie kostenloses Essen, die wunderbaren Ausflüge, die kostenlose Hot-Pot-Flatrate. Es war wundervoll.

Musikalisch hätte ich mir etwas mehr Rock und Metal gewünscht. Echten Metal gab es in diesem Jahr ja gar nicht. Dafür schlug das Pendel etwas mehr in Richtung Punk aus, was auch ok ist, aber trotzdem. So ein bisschen mehr Metal und Rock wäre schon schön gewesen. Auch die ganz großen internationalen Namen fehlten in diesem Jahr, was ebenfalls etwas schade ist, aber andererseits war es auch ohne diese ein absolut gelungenes Festival. Das G! ist einfach etwas ganz besonderes, mit einem ganz eigenen Flair. Die Bühne direkt auf dem Strand, wo man auch die Hot Pots nutzen kann, schwimmen oder in die Sauna gehen, Beachvolleyball spielen oder einfach nur in einer Hängematte abhängen kann, während um einen herum Bands spielen. Am besten natürlich bei idealem Wetter, wie in diesem Jahr freitags.

Neben vielen internationalen Bands, oft aus dem skandinavischen Raum, ist das G! aber auch eine tolle Gelegenheit, um die vielen färöischen Bands zu entdecken. Die färöische Musikszene mag klein sein, aber sie ist dennoch unglaublich vielfältig. So ziemlich jede Musikrichtung ist vertreten und viele Musiker spielen in mehr als einer Band, oft in ganz unterschiedlichen Stilrichtungen. Das konnte man auch auf dem G!-Festival beobachten, wo man viele Musiker und Musikerinnen mehrfach in ganz verschiedenen Bands live erleben konnte. Und das ist vielleicht auch der Grund, warum färöische Musiker so gut sind – weil sie viele ganz unterschiedliche Einflüsse und Erfahrungen haben.

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Essen habe ich mir in diesem Jahr überhaupt nicht gekauft, da ich kostenlos versorgt wurde oder mich bei meinem Freund zu Hause selbst versorgen konnte. Aber es ist eben auch schon wahnsinnig teuer. Essen auf Festivals ist bei uns ja schon teuer, Essen auf den Färöern ist an sich schon teuer und beides kombiniert ergibt nicht billig.

Die Organisation dagegen ist fabelhaft und – typisch färöisch – auch sehr flexibel und trotz Stress entspannt. Neben dem Festivalgelände selbst konnte man entweder in Valhøll (wo auch wir Delegates gemeinsam unsere Mahlzeiten einnahmen) als auch im Tøting immer Leute treffen, die man kennt und man kam immer in ein Gespräch. Ein wenig Mitleid hatte ich mit BEHARIE. Als ich kurz bevor er beginnen sollte, nochmal zum Strand ging, hatten Regen und Wind ganze Arbeit geleistet und das Wasser stand fast bis zur Strandmauer. Warum man in diesem Jahr nicht wie vor fünf Jahren einen kleinen Wall aus Sand gezogen hat, weiß ich nicht. Jedenfalls musste der Arme vor fast leerem Strand spielen, nur einige wenige Fans wagten sich vor die Bühne, der Rest sah von der Straße aus zu. Bei RSP sah das ganz anders aus, da schaute ich auch mal kurz vorbei als ich nach Hause ging und da war der Strand gerammelt voll und es muss eine Wahnsinnsparty gewesen sein. Na ja. Da haben dann doch die lokalen Helden gegenüber den auswärtigen gewonnen. Auf jeden Fall hoffe ich, dass es mir bald wieder vergönnt ist, dieses tolle Festival zu besuchen. (Anne)

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