OVERKILL wurde schon vor Jahren das MOTÖRHEAD-Syndrom attestiert. Das heißt, kaum Neuerungen, aber dennoch immer wieder gut. Aber auch wenn OVERKILL gerade mal das 20. Studioalbum vorstellen, so haben sie in den Jahren immer wieder dazugelernt und sich ständig weiterentwickelt, ohne das Herz und die Seele der Band aus den Augen zu lassen. Alleine dafür gehört ihnen ein Riesenrespekt.
„Scorched“ spiegelt nicht nur die momentane Situation unserer Lebenswelt wieder, sondern auch den Status der fünf Jungs aus New Jersey. Dieses Line-Up besteht nun schon seit einiger Zeit, und es ist mitunter das stärkste ihrer Karriere. Die Ideen gehen ihnen wohl nie aus, und der Spaß an der Sache scheint noch genau so zu bestehen wie in den Gründungsjahren als junge Burschen.
Nun sind sie allesamt in ihren Fünfzigern und Sechzigern angelangt, aber musikalisch merkt man davon kaum was. Sie klingen natürlich reifer und fokussierter als zu Beginn, aber alle Stationen ihrer Geschichte machen sie zu dem, was sie heute sind. OVERKILL legen auch mit dem neuen Album die Messlatte sehr hoch, manchmal frage ich mich, wie man immer wieder derartige geniale Riffs und Melodien scheinbar aus dem Ärmel schütteln kann. Kein Wunder, dass dem Quintett da der Spaß in den Backen bleibt.
Blitz hat von seiner unvergleichlichen Meckerstimme noch nichts eingebüßt, auch mit 63 Jahren auf dem Buckel, und kann immer noch bestens intonieren und Melodien beisteuern. Die beiden Gitarristen strotzen nur so vor Groove und Harmnonie, dass es eine Wonne ist. D.D. Vernis Bass klingt wieder knurrend-hölzern wie früher und setzt den Songs die Krone auf. Und Jason Bittner ins Boot zu holen, war wohl der beste Schachzug der letzten Jahren. Der Mann ist ein Vieh am Schlagzeug und kann zu den hochwertigen Songs immer noch eine Veredelung bester Qualität beisteuern.
Der einzige Knackpunkt von „Scorched“ ist – mal wieder – die Produktion. Den meisten Fans wird sie gefallen, denn sie klingt eindeutig nach OVERKILL, ich dagegen finde, dass das moderne Plastikschlagzeug etwas von der natürlichen Härte der Band wegnimmt. Aber das ist bei diesem Scheibchen wirklich Jammern auf hohem Niveau.
Schon allein der thrashige Stampfer und Titelsong, der den Reigen beginnt, klingt unweigerlich nach OVERKILL und präsentiert die Truppe mit ihren typischen Markenzeichen. Es geht mal flott zur Sache, mal wieder in den Midtempobereich, dann mal wieder ein wenig experimenteller; hier wird die komplette Bandbreite abgegrast. Songs wie „Twist Of The Wick“ oder „Wicked Place“ klingen wieder mal mit ihrem Refrain so typisch nach den Skullcrushern, dass es einem das grüne Herz höher schlagen lässt.
Das Album läutet in keinster Weise ein Ende der Band ein, im Gegenteil, OVERKILL nehmen es mit allen auf und strotzen nur so vor Ideenreichtum und Spielfreude. Mit „Scorched“ wird jedem und allem der Mittelfinger gezeigt, sei es der momentanen Situation unseres Planeten oder den Leuten um sie herum oder auch der Musikindustrie an sich. Sehr erfrischend und erfreulich, so wie OVERKILL sagen würden: „We Don’t Care What You Say!“ (Jochen)
Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 51:11 min
Label: Nuclear Blast Records
Veröffentlichungstermin: 14.04.2023
Bewertung:
8,5 / 10