Dank Mastering zur späten Präziose in der Karriere einer der größten Rockbands aller Zeiten. So könnte man das neu aufgelegte, einst eher ungeliebte „Rapture Of The Deep (20th Anniversary Remix)“ bezeichnen. Gut, ich bin in Sachen DEEP PURPLE ziemlich befangen, aber was unter der Federführung von Roger Glover in Sachen Soundoptimierung hier gelungen ist, grenzt an Zauberei. So äußert sich Roger Glover und die Band zur Neuauflage des 18. Studioalbums aus dem Jahre 2005 mit einem Statement, welches man getrost übernehmen kann: „What If You Could Hear A DEEP PURPLE Album You Thought You Knew, Like Listening To It For The First Time?“. Das kommt auf der enormen Erfolgswelle der letzten Alben genau zur richtigen Zeit.
Man merkt, dass es eine Herzensangelegenheit der Band war, den damals so dünnen Sound zu optimieren, um „Rapture Of The Deep“ die Beachtung zu schenken, die es verdient. Das mag primär den Fans gewidmet sein, die nicht ausschließlich auf die wegweisenden Klassiker der Siebzigerjahre fixiert sind. Und derer sind es sehr viele, denn immerhin erreichte jedes reguläre Studioalbum von DEEP PURPLE seit „Now What“ die Spitze der Verkaufszahlen, zumindest in Europa.
Auf dieser Erfolgswelle wurde „Rapture Of The Deep“, das Vorgängeralbum von „Now What“, nun einer Frischzellenkur unterzogen. Neben dem vollständigen 2025-Remix und analogen Remaster des Originalalbums finden sich zwei zusätzliche Studio-Tracks auf der Platte: „Things I Never Said“ und „MTV“. Als Beilage gibt es eine Bonus-CD bzw. LP mit unveröffentlichten Studio-Jams & Rehearsals. Auch optisch besticht die Neuauflage durch ein wunderschön überarbeitetes Artwork.
Natürlich ist DEEP PURPLE auf dem Weg ins 21. Jahrhundert komplexer und facettenreicher geworden; die Stimme von Ian Gillan bewältigt nicht mehr die „Child In Time“-Höhen, aber der Erfolg bis heute zeigt die Bedeutung der MK VIII-Formation, denen Keyboarder Don Airey und Gitarrist Steve Morse neue Akzente verleihen. Geblieben sind die Markenzeichen von DEEP PURPLE, das dominierende Keyboardspiel, die harten Riffs, oftmals mit gehöriger Blues-Ausrichtung, das präzise Schlagzeugspiel von Ian Paice und der permanent wummernde Bass des Roger Glover. Ian Gillan`s Stimme ist immer noch unverkennbar und er bewegt sich souverän in seiner Stimmlage.
Der titelgebende Song „Rapture Of The Deep“, mit seiner progressiv orientalischen Riffausrichtung ist prägend für das Album, schleppend und heavy im Stil von „Perfect Strangers“, mit klarer Anlehnung an „Kashmir“ von LED ZEPPELIN.
Für mich der Höhepunkt der Scheibe. Steve Morse zeigt mit seinem gefühlvollen und filigranen Solospiel, dass er mehr ist als ein Blackmore-Ersatz. Auch Don Airey setzt unglaubliche Akzente und zeigt sich als würdiger Nachfolger von Jon Lord in einer neuen Epoche. Gewohnt herausragend arrangiert und gefühlvoll ist die Ballade „Clearly Quite Absurd“, das melodisch sehr „Sometimes I Feel Like Screaming“ ähnelt. Der Opener „Money Talks“ gehört ebenfalls in Riege der klassischen Band-Epoche. Bereits im Intro überwiegen schwere Hammondorgel-Klänge und ein kraftvoller Ian Gillan lässt alte Zeiten der „Perfect Strangers“-Ära aufleben; genial in dem neu gemasterten Sound.
Moderner und radiotauglicher zeigt sich „Girls Like That“; schwerer Basssound durch das Spiel von Roger Clover und Steve Morse zelebriert bluesige Gitarrenläufe in Perfektion. Die Neuauflage zeigt auch eindrucksvoll die Heavy-Metal-Ausrichtung eines Songs wie „Kiss Tomorrow Goodbye“, mit starkem Drum-Intro von Ian Paice, schnellen Riffs und einem Hammond-Solo, das ganz im Zeichen von Jon Lord steht. „Don`t Let Go“ ist eher unauffällig und gediegen als lockerer AOR-Song; im Gegensatz dazu steht „Junkyard Blues“, ein klassischer DEEP PURPLE-Rocker mit Funk-Klängen und schöner Klavier-Einlage. „Before Time Began“ ist ein wendungsreicher und elegischer Song, der mit sanften Akkorden und einem flüsternden Ian Gillan beginnt aber sich im weiteren Verlauf zu einer harten, progressiven Perle entwickelt. „MTV“ überrascht ebenfalls mit fast jazzartigen Zügen und subtiler Instrumentierung. „Wrong Man“ überzeugt als schwermütiger, fett rockender, Klassiker.
Fazit: Durch die Überarbeitung mutiert das ungeliebte „Rapture Of The Deep“ zu einem weiteren Klassiker von DEEP PURPLE der Neuzeit, erwacht zu neuem Leben und steht auf einer Stufe der Nummer 1-Alben mit „So What“, „Infinite“, „Whoosh!“ und „=1“, wenn auch erst 20 Jahre später. Wenn die Bonustracks auch eher den eingefleischten Fans vorbehalten sind, stimme ich der Aussage von Roger Glover in vollem Umfang zu, dass hier ein völlig neues Album geschaffen wurde, das wirklich überzeugt. (Bernd Eberlein)
Bewertung:

9 / 10
Anzahl der Songs: 12 (plus 5 Bonustracks)
Spielzeit: 81:20 min
Label: earMusic
Veröffentlichungstermin: 29.08.2025