Helloween - March Of Time - The Best Of 40 Years

Ich habe HELLOWEEN erstmals kurz nach Veröffentlichung ihres Debutalbums „Walls Of Jericho“ Mitte der Achtzigerjahre in einem kleinen Saalbau im Saarland gesehen. Meine Freunde und ich waren völlig gebannt von der speedmetallischen Virtuosität, zu diesem Zeitpunkt noch roh, ungeschliffen und wesentlich düsterer als beim genialen Durchbruchsalbum „Keeper Of The Seven Keys Part One“. In der über 40 Jahre andauernden Karriere der Band gab es bekanntermaßen unzählige Besetzungen, gute und sehr schlechte Zeiten und ab 1994 ein Weg, den die Mitbegründer Michael Weikath und Markus Grosskopf langsam wieder ganz nach oben führte. Der unsägliche Grunge zwang HELLOWEEN einst fast in die Knie. Aber man beugte sich den postmodernen und desillusionierten Typen in Oma-Strickwesten nicht. Sie überstanden die schlechten Zeiten als gutes Songwriting, versierte Gitarrensoli und komplexes Melodiegespür nicht mehr dem depressiven Zeitgeist entsprach. Nein, HELLOWEEN haben alle Niederschläge und Flauten über die Jahrzehnte überlebt und dominieren aktuell wieder den Power-Metal wie kaum eine andere Band.

Den größten Coup landete die Band dann allerdings im Jahr 2016, indem es ihr gelang, den seit dem 1994er-Album “Master Of The Rings“ alleinigen Sänger Andi Derris, durch die Urgesteine und Publikumslieblinge Michael Kiske und Kai Hansen zu vervollständigen. Seitdem brechen HELLOWEEN als siebenköpfige Band mit drei Leadsängern und drei Gitarristen alle Rekorde. Darauf hatten die Fans eigentlich ein Leben lang gewartet. Umso geiler, dass diese Utopie Wirklichkeit wurde. HELLOWEEN spielten in dieser Besetzung nun in 32 Ländern im Rahmen der „Pumpkins United Tour“, füllten jede Arena, egal ob Rock In Rio oder Wacken. Ihre Auftritte zogen mehr als eine Million Fans an. Das daraus resultierende 16. Studioalbum, schlicht als „Helloween“ betitelt, ist ein Geschenk an die Fans und ein Segen für den deutschen Metal. Am ursprünglichen Sound der „Keeper-Alben“ orientiert, spielen sie aktuell schneller als der Schall, liefern sich herausragende Gitarrenduelle, sind hymnisch wie kaum eine andere Band und klingen durch die drei harmonisierenden Sänger unglaublich abwechslungsreich und frisch.

Basierend auf diesem Höhenflug kommt die neue Deluxe-Anthologie „March Of Time“ gerade recht, die die Kürbisköpfe über ihr Plattenlabel BMG am 28. März 2025 veröffentlichen. Wer nicht mit HELLOWEEN aufgewachsen ist oder eh schon alle Scheiben besitzt, sollte sich diese Edition mit 42 der besten Tracks der langjährigen Bandgeschichte nicht entgehen lassen. Die Songs wurden von der Band kuratiert und von Sascha Bühren hervorragend remastert. Das Werk erscheint in imposanten Formaten; neben Dreifach-CD und digitalem Download, kann man das Werk auch als Deluxe Limited Edition oder 5 rote Vinyl-Box-Sets mit Kunstdruck und Puzzle, erwerben.

"March Of Time (The Best Of 40 Years)" ist laut Bandaussage „ein magisches Buch voller epischer Geschichten, die darauf warten, sich zu entfalten“. Bei der Songauswahl wurden alle Studioalben der Band berücksichtigt, wenn man mal von dem Coveralbum „Metal Jukebox“, aus dem Jahr 1999 absieht. Die Auswahl der einzelnen Nummern erfolgt chronologisch, angefangen mit dem Debutalbum „Walls Of Jericho“ aus dem Jahr 1985, mit Speed-Metal-Nummern wie „Ride The Sky“ oder „How Many Tears“, welches so genial die Symbiose zwischen Schnelligkeit und melodiösen Gitarrensoli aufzeigt. Das Debüt wurde gleich mit fünf Songs berücksichtigt. Vom ikonischsten aller HELLOWEEN-Alben, auf dem erstmals Michael Kiske am Mikro stand, „Keeper Of The Seven Keys“ befinden sich drei Stücke auf der Kompilation, u.a. die grandiose Ballade „A Tale That Wasn`t Right“. Vom noch erfolgreicheren „Part 2“ Nachfolgealbum wurden natürlich“ I Want Out“, „Dr. Stein“, „March Of Time“ und das epische und wendungsreiche „Keeper Of The Seven Keys“ ausgewählt.

Nach dem Höhenflug ging es dann aufgrund von Bandquerelen erst einmal bergab. Das vierte Album „Pink Bubbles Go Ape“, mit experimenteller Neuausrichtung, kam bei den Fans nicht an, Kai Hansen verließ die Band. Hier wird dem Album mit „Kids Of The Century“ Rechnung getragen, einem klassischen Heavy-Metal-Song mit Mainstream-Charakter. Retrospektiv betrachtet hatte auch dieses Album seine Berechtigung, denn Experimentierfreude gehört auch zur Fortentwicklung. Dies führte allerdings zu „Chameleon“, das durch den Einsatz von Synthesizern, Kinderchor und akustischen Gitarren fernab vom ursprünglichen Sound war.

Statt zu resignieren, konzentrierte man sich mit dem neuen Sänger Andi Deris auf die alten Stärken, und legte mit dem starken Album „Master Of The Rings“-Album den Grundstein für den Fortbestand der Band. Mit „In The Middle Of A Heartbeat“, „Why“, „Perfect Gentleman“und „Sole Survivor“ finden sich gleich vier Titel auf der Kompilation wieder. Ab da ging es stetig bergauf und sämtliche Deris-Veröffentlichungen bis hin zum gemeinsamen Paukenschlag „Helloween“ überzeugen durch komplexe Kompositionen, innovativen, immer experimentierfreudigen Heavy Metal, wie z.B. auf dem großartigen Album „Better Than Raw“. „Hey Lord“ und „I Can“ zeugen von kommerzieller Melodiosität.

Um nicht zu sehr in eine Betrachtung aller Alben abzudriften, sei nur gesagt, dass die Songauswahl für die hier betrachtete Zusammenstellung ausgezeichnet und abwechslungsreich ist. Hier wurde keine Bandphase ausgelassen und allen Sängern Tribut gezollt. Das geht bis hin zum grandiosen Nummer 1 Album „Helloween“, mit der „Dreifaltigkeit“ des Gesangs. Das 12-minütige „Skyfall“ von Kai Hansen ist überirdisch gut und vereint alle Qualitäten von HELLOWEEN, den Bombast, die Schnelligkeit, die Wechsel der Tempi, die wechselnden Gitarrenleads und die epische Mehrstimmigkeit. „Best Time“ hat sowieso alles, was eine Hymne für die Ewigkeit benötigt; die Geschwindigkeit von HELLOWEEN der 80er Jahre, prägnante Riffs und Melodien, die ein allgegenwärtiges Element einer Band mit drei Gitarristen sind.

Fazit: Kaufen, kaufen, kaufen. Die hier vorliegende karriereumspannende Zusammenstellung kann ausnahmslos empfohlen werden und zeigt eindrucksvoll warum HELLOWEEN seit über 40 Jahren zu den wichtigsten Metal-Exporten zählt, mit allen Facetten, die der klassische Heavy Metal zu bieten hat. (Bernd Eberlein)

Bewertung:

8,5 9 / 10

Anzahl der Songs: 42
Spielzeit: keine Angabe
Label: BMG
Veröffentlichungstermin: 28.03.2025

 

 

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