Im Jahre 1992 hievte das zweite DREAM THEATER-Album „Images and Words" das Prog-Metal-Genre auf eine neue Stufe. War dieser Stil bisher Frickelkünstlern und anderen versponnenen Zeitgenossen vorbehalten, so tauchten plötzlich eingängige Melodien sowie nachvollziehbare Strukturen auf. Das fand sogleich natürlich reihenweise Nachahmer, THRESHOLD seien da genannt oder die leider nicht mehr existierenden CONCEPTION. Gerade hierzulande gab es eine Flut solcher Combos, angefangen bei VANDEN PLAS, über IVANHOE bis ROUGH SILK, wie sie alle heißen. DREAMSCAPE lassen sich musikalisch ebenfalls in diese Gattung stecken, die Formation existiert seit Mitte der 90er und hat bis heute fünf Alben veröffentlicht. Nach einem personellen Umbruch wurde nun der vierte Dreher „Revoiced" neu aufgelegt. Ob das großen Sinn macht, da das Teil nur drei Jahre auf dem Buckel hat steht auf einem anderen Blatt. Geblieben ist von den Münchenern nur noch Gitarrist und Hauptsongschreiber Wolfgang Kerinnis, alle anderen gingen im Laufe der letzten Jahre von Bord. Geändert hat sich an der musikalischen Ausrichtung trotzdem herzlich wenig, wird weiterhin progressiver Metal geboten, wie er von ihren Vorbildern stammen könnte. Die Nähe zu den Königen DREAM THEATER lässt sich dabei nicht leugnen, vor allem in den theatralischen Passagen.
Dazu gibt es alles was dieses Genre ausmacht, seien es die vertrackten Staccatos, mit denen die Songs vorangetrieben werden oder die vielschichtigen Arrangements. DREAMSCAPE legen vor allem auf letzteres viel wert und bauen viele kleine Details in ihre Kompositionen ein.
Da wären schon im Opener „Thorn in my Mind" die Keyboard-Teppiche zu bewundern, die sich flirrend über die Riffs legen und in geigenähnliche Parts übergehen. Im Soloteil duellieren sich die Tasten dann mit den kleinen, geschickt eingestreuten Gitarrenparts. Das wiederholt sich bei fast jedem Song, wobei Jan Vacik eine erstaunliche Variabilität an den Tag legt. Den mal flirrenden, mal schwebenden oder orchestralen Synthesizern stehen schöne Pianoparts gegenüber, die von getragen bis perlend jede Stimmung annehmen können.
Das bringt der Truppe eine große Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten, die sie auch in den instrumentalen Abschnitten zu Genüge nutzen. Dabei verfallen sie nie in allzu abgefahrene Frickelorgien, sondern agieren stets songorientiert.
Die Lieder an sich bieten dazu noch einige sehr hörenswerte Melodiebogen, die vor allem dann wirken, wenn sie warm daherkommen, wie die mehrstimmigen Parts in „She´s flying". Der mittlerweile geschaste Frontmann Roland Stoll verfügt über ein sehr klares und melodisches Organ, meistert das ständig wechselnde Tempo spielend. So entstehen Titel, die vor Einfallsreichtum nur so strotzen ohne den Faden zu verlieren.
Da übernehmen thrashige Attacken einen Basslauf wie in „Changes", da ziehen Breaks die schönen, akustisch vorgetragenen Strophen von „Winter Dreams" nach vorne. „Reborn" deckt härtere Riffs mit psychedelischen Einsprengseln zu, „When Shadows are gone" ist eine eingängige Hymne und der einzige neue Song „Breathing Spaces", der auf dem nächsten Album erscheint kommt ungewohnt düster daher.
Auch technisch ist die Truppe voll auf der Höhe, die Jungs beherrschen ihr Handwerk und vor allem ihr Zusammenspiel. Das stellen sie im überlangen Instrumental „Unvoiced" zur Schau, bei dem sich die verschiedensten Sounds die Klinke in die Hand geben und die Dynamik ständig wechselt. Die einzelnen Instrumente laufen auf „Revoiced" fast perfekt ineinander, erzeugen so viele Spannungsbogen, die bei der druckvollen Produktion noch stärker zur Geltung kommen.
Warum aber bin ich dann nicht restlos von DREAMSCAPE begeistert, warum fällt da nicht die Höchstnote, wo ist der Haken? Ganz einfach, mal abgesehen, davon, das neben DREAM THEATER auch ein paar andere Bands bei manchen Passagen zu arg Pate standen fehlt mir doch das zündende Moment. Das lässt sich zwar alles gut hören, zu gut vielleicht, aber es wirkt alles so gewollt. Prog-Metal vom Reisbrett, phasenweise klingt das alles sehr konstruiert und da bleibt die Atmosphäre auf der Strecke. Auch die für progressive Musik so unverzichtbaren Emotionen fehlen hier, das ganze wirkt trotz einiger guter Ansätze etwas unterkühlt. Und auch die aggressiveren Parts wirken irgendwie aufgesetzt, alle so nach Schema F, nach Schablone.
Sicher „Revoiced" ist ein starkes Album voll technischer Raffinesse, kompositorischem Geschick und mit tollen Melodien. Fans dieses Genres und der oben genannten Bands sollten hier mehr als ein Ohr riskieren. Etwas riskieren, dass sollten DREAMSCAPE aber auch einmal auf ihrem nächsten Album. (MetalPfälzer)
Bewertung: 7,5 / 10
Anzahl der Songs: 13
Spielzeit: 71:09 min
Label: Silverwolf Productions
Veröffentlichungstermin: 14.03.2008
