„Hamskifti“ ist ein etwas anderes Album. Es ist kein Album eines bestimmten Künstlers, da sehr viele Musiker und Komponisten hier Lieder beigesteuert haben, es ist aber auch kein Sampler, da sowohl Musiker als auch teilweise die Stücke eng miteinander verknüpft sind. Bei den darauf enthaltenen Songs handelt es sich um Stücke, die über ein Semester hinweg im kreative-Kunst-Programm im Bachelorstudium an der Universität der Färöer entstanden sind. Dieses gehört zur Abteilung „Färöische Sprache und Literatur“ und daher sind die Texte aller Stücke auf Färöisch gehalten.
Die völlig unterschiedlichen musikalischen Interessen und Herkünfte der Teilnehmer an diesem Album zeigt sich auch musikalisch: hier findet man Pop, Hip Hop, Folk und Prog Rock einträchtig nebeneinander. Und wenn man sich die Namen der einzelnen Komponisten durchliest, so sind darunter doch einige, die man durchaus kennt, z.B. Guðrið Hansdóttir (solo und mit BYRTA), Sigmund Zachariassen (u.a. JOE & THE SHITBOYS, KÓBOYKEX) und Karl Andrias Stórá (u.a. SILVURDRONGUR), um nur einige zu nennen.
Zugleich finden sich auch unter den weiteren Beteiligten bekannte Namen: So hat z.B. Hans Jacob Kollslíð den Text zu „Umskifti“ (Wandel, Veränderung) beigesteuert, was dann wiederum Kristin Nolsøe Bech zu den Songs „Ormvera“ (Raupe), „Reivvera“ (Puppe) und „Firvaldur“ (Schmetterling) inspiriert hat. Typisch färöisch gibt es dabei wenig Konkurrenzdenken und die einzelnen Musiker haben sich gegenseitig ausgeholfen. Während die Komponisten je zwischen ein und drei Songs zu dem Album beigesteuert haben, tauchen viele Musiker deutlich öfter auf. Und manch einer hat sich auch Verstärkung aus seinen Stammbands geholt. So hört man z.B. Trygvi Danielsen (SILVURDRONGUR) in „Risin & Kellingin“.
Ich muss gestehen, dass mir die Nummern auf diesem Album nicht alle gefallen, was aber auch normal ist bei der großen stilistischen Bandbreite. Meine Favoriten sind wohl „Aldur“ von Heini Ronnason á Heygum, das nach einem sphärischen Beginn zu einer Synthienummer mit pumpendem Popbeat wird und einen mit seinen schönen Melodien geradezu umgarnt. Dann natürlich das harte und schnelle „Hvarv“ von Sigmund Zachariassen, das schon fast Richtung Metal geht, eine unverkennbare JOE & THE SHITBOYS-Note trägt, aber dennoch viel komplexer ist. Musik und Gesang verlaufen zunächst in unterschiedlichem Tempo, finden gegen Ende aber doch zusammen. Etwas vertrackt, aber dennoch gut.
Mit dem akustischen, sanften, beinahe schon einlullenden „Ímillum Fjøru Og Flóð“ zeigt Sigmund dann seine Wandelbarkeit. Großartig ist natürlich auch das von Streichern dominierte „Ovast Á Heygnum“ von Guðrið Hansdóttir, die aber vermutlich auch von allen Beteiligten die meiste Erfahrung in Sachen Songwriting mitbringt. Allerdings ist das hier wieder etwas ganz anderes, als man es sonst von ihr gewohnt ist. Aber auch „Risin & Kellingin“ von Karl Andrias Stórá gefällt mir richtig gut. Trygvi Danielsen hat einfach eine Art, einem Stück mit seinen eher gesprochenen als gerappten Texten eine melancholische Note aufzudrücken, die immer passt. Ich mag auch seine Art, mit Worten zu spielen und zu jonglieren.
Überhaupt nicht zurecht komme ich jedoch mit „Andadráttur“ von Sjúrður Tróndheim. Mit über acht Minuten Spielzeit ist es das zweitlängste Stück auf der Platte. Es ist sehr elektronisch, zu Beginn begeistern noch die schwebenden Sounds, doch dann werden nur immer wieder die immer gleichen, noch dazu sehr einfachen, Tonfolgen, teilweise in unterschiedlichen Oktaven wiederholt. Das ist vielleicht künstlerisch wertvoll, wird zumindest mir auf Dauer aber einfach viel zu langweilig und nimmt den ganzen Fluss aus dem Album.
„Hamskifti“ ist eher kein Album, das man sich in gesamter Länge anhört, sondern man wird sich am ehesten seine persönlichen Favoriten herauspicken (müssen). Es ist eine interessante Sammlung des Schaffens der Studenten, aber die einzelnen Stücke sind dann doch zu unterschiedlich als dass man sich das Album in Gänze genussvoll anhören könnte. (Anne)
Bewertung:
6,5 / 10
Anzahl der Songs: 13
Spielzeit: 61:47 min
Label: Tutl Records
Veröffentlichungstermin: 09.06.2023