Ich entdecke Bands am liebsten live, weil sie sich dann quasi ungeschützt und nicht durch eine Studioatmosphäre abgeschirmt, auf einen abenteuerlichen Ritt mit Publikum einlassen müssen. Da trennt sich schnell die Spreu vom Weizen. Aber der Reihe nach.
2019 tourten ELECTRIC CITIZEN durch Europa und die wollte ich unbedingt wiedersehen. Im Schlepptau hatten sie zwei weitere Bands aus den USA, HIGH REEPER und BLACKWATER HOLYLIGHT von denen ich noch nichts vorher gehört oder gesehen hatte. Da der terminlich günstigste Zeitpunkt der Tour für uns der Gig in Liege/Belgien war, machten meine Frau und ich uns auf den Weg dorthin.
Im „La Zone“ angekommen, eröffneten BLACKWATER HOLYLIGHT den Abend und zogen uns sofort in ihren Bann. Der Gesang war sanft, der Sound mächtig und zäh und wurde von Synthesizern unterstützt. Die fünf jungen Frauen legten sich ordentlich ins Zeug und erschufen als Opener so eine unwirkliche Atmosphäre, weil der Auftritt im krassen Gegensatz zu den nachfolgenden wilden HIGH REEPER war. Mangels Finanzen, habe ich mir bei BLACKWATER HOLYLIGHT beim freundlichen Merchguy nur ein Shirt geholt.
Ein paar Monate später konnte ich mir das erste Album auf Vinyl zulegen und kurz darauf kündigte die Band die Veröffentlichung des zweiten Albums „Veils Of Winter“ an. So war ich in der Lage, die Songs mal ohne Ablenkung und scheppernde Club-Akustik zu genießen.
Zweifellos spiegeln die Alben das wieder, was ich live miterlebt habe. Sowohl das Debütalbum als auch „Veils Of Winter“ beinhalten spannende Songs deren Sogwirkung und hypnotischen Melodien man sich nur schwer entziehen kann.
Und dann kam 2020 diese große schwarze Leere, die alles mit einer lähmenden Schicht überzog und jede Möglichkeit vor Leuten aufzutreten unmöglich machte. Zwischenzeitlich musste die Gruppe auch den Weggang von Gitarristin Laura verkraften und so machten sie sich zu viert daran, die Lieder zum nachfolgenden Album auszutüfteln.
Laut der sehr ausführlichen und auch teils ins persönliche gehenden Pressemitteilung, war der Prozess eine emotionale Achterbahn, in der die Musikerinnen sich gegenseitig den nötigen Freiraum eingeräumt haben, an den Liedern zu arbeiten und ihren Teil dazu beizutragen. Durch die Tatsache, dass bei allen Beteiligten die Nerven blank lagen, wo schon Nichtigkeiten zu emotionalen Ausbrüchen führen konnten, hat man das Thema Verletzlichkeit, was auch bei den Vorgängeralben immer mal ein Thema war, im neuen Album einen großen Anteil eingeräumt.
Aber wie klingt „Silence/Motion“ nun? Schon nach den ersten Takten, erkennt man schon recht schnell, dass es sich hier um BLACKWATER HOLYLIGHT handelt. Vor allem hat die Klangfarbe der Stimme von Sängerin und Bassistin Allison „Sunny“ Faris einen großen Anteil am Wiedererkennungswert der Band aus Portland/USA. Ihr Gesang legt einen sanft-seidenen Schleier über den harschen Sound. Gerade beim Eröffnungssong „Delusional“ bildet dieser einen krassen Gegensatz zum Black-Metal Gekeife der Gastsänger Bryan Funck (Thou.) und Mike Paparo (Inter Arma). Da wären wir auch schon recht schnell zum Unterschied zu den vorherigen Werken. Es ist ziemlich Drone und Blackmetal-lastig geworden. Ab und an ist es mal recht krautrockig bei „Who The Hell“ bis hin zu progressiv bei „MDIII“.
Die vorab veröffentlichte Single „Around You“ lädt zum Aufatmen ein, da der Titel gegenüber dem Rest sehr unbeschwert daherkommt - fast poppig. Sarah McKenna’s Synthesizer wabern im Hintergrund oder setzen leuchtende Klangtupfer in den schwarzen Sound. Das Schlagzeugspiel von Eliese Dorsay hält zusammen mit Mikayla Mayhew, die abwechselnd Bass und Gitarre spielt, die Songs in der Spur.
Was mich bei der mir vorliegenden komprimierten Datei sehr stört, ist dieser rumpelnde unausgegorene Mix. Das Schlagzeug poltert sehr künstlich. Das Verhältnis der Intensität und Textur der Instrumente untereinander hat Proberaum-Niveau. Sehr schade und da hoffe ich bei der Veröffentlichung auf Platte einen anderen Eindruck zu bekommen.
„Silence/Motion“ ist trotz fragwürdigem Klang für mich überraschend vielschichtig geworden und ich mag es eh Musik nach und nach zu entdecken und Klangschicht und Struktur im Kopf aufzudröseln.
Bei den anstehenden Liveterminen in Europa kann man sich demnächst selbst davon überzeugen ob meine Einschätzungen zutreffen. Interessant wäre auf jeden Fall, wer live das Blackmetal-Gekeife übernimmt.
Das Album ist für alle empfehlenswert, die den kühlen Darkwavessound der Achtziger gepaart mit heutigem Stoner und schwarzem Sludge feiern. (Andreas)
Bewertung:
8 / 10
Anzahl der Songs:7
Spielzeit: 41:14 min
Label: Riding Easy Records
Veröffentlichungstermin: 22.10.2021