Dass es nach dem offiziellen Ende von DELAIN nicht allzu lange dauern würde, bis Sängerin CHARLOTTE WESSELS ihr erstes Soloalbum rausbringen würde, das war klar, dazu war die Sängerin immer schon zu produktiv gewesen, siehe auch das Projekt PHANTASMA aus 2015, das bislang leider keine Fortsetzung gefunden hat. Ihre erste Soloalbumveröffentlichung trägt den Titel „Tales From Six Feet Under“, benannt nach ihrem eigenen Studio „Six Feet Under“.
Dass es sich hierbei nicht um ein konventionelles Album handelt, das wird bereits ganz deutlich als man vorab von einer „Songsammlung“ gesprochen hat und genau das ist „Tales From Six Feet Under“ dann auch. Ich habe in letzter Zeit kein Album gehört, das so wenig über einen zusammenhängenden roten Faden verfügt wie dieses. Und selbst wenn man wie ich musikalisch wirklich aufgeschlossen ist und auch gut gemachter Popmusik nicht gänzlich abgeneigt ist, wird man verblüfft feststellen müssen, dass sich CHARLOTTE WESSELS komplett abgewandt hat von der Musik, mit der sie mit DELAIN bekannt geworden ist.
Das erste Stück der Sammlung „Superhuman“ klingt sehr natürlich und bodenständig und erinnert entfernt an schwedische Bands wie BLUES PILLS oder SIENNA ROOT. Das zweite Stück „Afkicken“ geht dann eher rockig-elektronisch in eine Richtung, die MUSE mit ihrem letzten Album probiert haben. „Afkicken“ ist ein recht seltsames Stück, nicht nur wegen des niederländischen Textes.
Und weil es schön bunt bleiben soll, probiert sich Charlotte gleich danach bei „Masterpiece“ bei etwas, was wie die Popmusik klingen soll, mit der AVA MAX aktuell recht populär ist. Ich könnte in diesem Zusammenhang auch einfach einen Namen wie BILLIE EILISH in die Runde werfen. Auch „Tales From Six Feet Under“ hat wirklich viel von diesem kreuz und quer Sound, für den die amerikanische Sängerin überraschend viel positive Kritik bekommt.
Bei „Lizzie“ darf dann etwas später auch, ein mal darf man raten, das muss reichen, Alissa White-Gluz, mitmachen, im Gedächtnis bleibt aber dieses Stück nicht unbedingt.
Von daher tue ich mich tatsächlich schwer mit der qualitativen Einordnung von dieser Sammlung von 10 Stücken, die alle nicht so richtig zusammen passen wollen. Sicherlich ist es mutig, dass Charlotte hier alles selber eingespielt, eingesungen und produziert hat, mein Problem ist vor allem, dass bei all dem spielen, singen und produzieren, außerordentlich viel programmiert worden ist, der Synthie, Industrial oder Elektroanteil, wie auch immer man das nennen möchte, ist einfach zu viel des guten. Damit werden sich selbst aufgeschlossene DELAIN Fans schwer tun. Andererseits ist das hier genau die künstlerische Freiheit, die wir uns oft wünschen, ohne genauer darüber nachzudenken, wie schwierig das in der Praxis dann für die Künstlerin oder den Künstler ist.
Von daher hoffe ich, dass Charlotte diesen Weg weiter gehen wird, gerne auch mehr in Richtung Popmusik, dann aber bitte mit einem Produzenten an der Seite, der außenstehend zwischen gut und weniger gut unterscheiden kann. Richtig gut und sozusagen als versöhnliches Glanzlicht sorgt ganz am Ende "Soft Revolution" übrigens noch für ein Lächeln im Gesicht. (Maik)
Bewertung:
6,5 / 10
Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 43:39 min
Label: Napalm Records
Veröffentlichungstermin: 13.09.2021