In Pandemiezeiten müssen Musiker umdenken, was vor allem denjenigen Probleme bereitet, die einen straffen Arbeitsplan verfolgen. Der Wattenscheider hätte zwar Zeit gehabt ein neues Album auf den Markt zu bringen, doch er sieht keinen Sinn darin neues Material aufzunehmen, dass dann nicht live präsentiert werden kann. Ein Schicksal, welches den Liedern seines letzten Longplayers "Sign Of The Times" widerfahren könnte, wenn die Konzerte noch einmal verschoben werden müssen. Also nahm AXEL RUDI PELL eine alte Idee wieder auf und rief seine Mannschaft ins Studio, um mit ihnen ein paar Coversongs einzuzocken. Bereits 2008 auf "Diamonds Unlocked" ackerten sich die Herren durch eine Reihe ausgewählter Tracks, die nicht alle dem Hard´n´Heavy-Kosmos entstammen, jetzt liegt die Fortsetzung "Diamonds Unlocked II" vor.
Ganz auf seine offensichtlichen Einflüsse will er dann doch nicht verzichten, wobei er dieses Mal auch Ritchie Blackmore studiotechnisch die Ehre erweist. Mit "Lady Of The Lake" nimmt er sich dem neben "Tarot Woman" wohl unterschätztesten RAINBOW-Titel an und macht ihn mit seinem zeitgemäßen Sound zu einem Fest. Nachdem die Gitarren auf den letzten Werken etwas verwässert waren, verfügen sie nun wieder über die nötigen Ecken und Kanten und bringen das verdrehte Riff mächtig nach vorne.
Das ist auch ein Verdienst von Bobby Rondinelli, der sollte sich ja damit auskennen. Wobei man sich fragen muss, warum es erst beim fünften Anlauf gelang dem Mann einen vernünftigen Sound hinzuzaubern. Wie er sich durch die Nummer arbeitet ist unfassbar, dabei klingt alles so kraftvoll und wuchtig, wie man es von einem Schlagwerker seines Formats erwarten muss. Zu den messerscharfen Breaks erhebt sich mit der Stimmgewalt von Johnny Gioeli und haut jede Phrasierung mit einer Inbrunst hinaus, dass die Erde bebt
Nach dem selbst verfassten eröffnenden Instrumental "Der Schwarze Abt", dass sich Pell nicht nehmen lässt geht es schon hardrockig los, wobei man die Lockerheit des Originals von "There´s Only One Way To Rock" nicht ganz erreicht. Dazu agiert die Truppe gewohntermaßen zu schwermütig, was bei SAMMY HAGAR weniger passt als bei Blackmore-Kompositionen. Der Groove ist dennoch ordentlich und die Faust will unweigerlich aus dem Autofenster.
Daneben gibt es aus dem angestammten Terrain noch "Black Cat Woman" von GEORDIE in einer Neubearbeitung. Dabei orientiert man sich aber eher an der Fassung, welche Brian Johnson 1989 aufnahm als an der arg relaxten Originalversion. Selbiges gilt für den ewigen Klassiker "Paint It Black", der viel näher an dem ist, was Blackmore in späten Jahren DEEP PURPLE aufdrückte als an den ROLLING STONES, wobei die Killerhook immer noch zündet.
Bei den genrefremden Titeln steht die Heavy Rock-Interpretation nicht allen optimal zu Gesicht. Sowohl der Pop Rock von CHRIS NORMANs "Sarah (You Take My Breath Away)" lässt die Leichtigkeit vermissen wie auch "She´s A Lady". Von jener Paul Anka-Komposition nimmt man sich eher der Version von TOM JONES aus den Siebzigern an. Anfangs sehr balladesk und herrlich AXEL RUDI PELL-typisch kommt mit gesteigertem Tempo der Disco-Touch mehr zur Geltung, THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA grüßen schön aus dem Weltraum.
Der erhöhte rockige Druck schadet dem Punk der SUBWAYS in "Rock´n´Roll Queen" weniger, die stilistische Verwandtschaft lässt den Wattenscheider den Song gut einverleiben. Dahingegen überziehen Pell und Gioeli bei den ruhigen Titeln ein wenig, da haben sie auf dem ersten Coverwerk mehr Sanftheit bewiesen. Gerade "Room With A View", dem Hit von TONY CAREY hätten mehr Zwischentöne gut getan. Notwendige Freiräume weiß man in "I Put A Spell On You" besser zu gewähren, das Cover des von CCR zum Kult erhobenen Evergreens setzt aber mehr auf Blues denn auf Soul.
Die Krone setzt sich die Band allerdings mit der letzten Nummer auf. Nach "Where Dead Angels Lie" auf dem Abschiedswerk von Alexi Laiho ist "Eagle" in ihrer Überarbeitung eines der Covers, die ich mir schon immer von genau dem Künstler gewünscht habe, die Vorlage bietet die perfekte Basis. Das legendäre Thema wird von der Leadgitarre übernommen, die wabernden Synthies der Strophe bilden die Vorgabe für das schwere Riff, das über Keyboardflächen gelegt wird.
AXEL RUDI PELL macht sich das Stück komplett zu eigen, solche atmosphärischen Stampfer sind eine seiner Spezialitäten, hier gelingt es mit Fremdmaterial. Dazu profitiert er von dieser unfassbaren Melodielinie aus der Feder von ABBA, welche der Frontmann geradezu zelebriert. Bei den langen weiten Tönen kann er sein angerautes Timbre und das riesige Volumen am besten ausspielen, der Refrain lässt einen wirklich über Berge, Wälder und Seen gleiten.
Das Ganze garniert der Meister mit vielen Fills und Soli wie überhaupt auf "Diamonds Unlocked II", da baut er selbst da noch etwas ein, wo es genug davon gibt. Dem steht sein Tastenmann Ferdy Doernberg, mit dem er sich gerne duelliert in Nichts nach, neben ein paar zusätzlichen Intros lässt er gerne mal die Orgel rauchen. Die Spielfreude ist da, die Band agiert auf tollem Niveau, bleibt zu hoffen, dass sie diese Form auf den nächsten Studiodreher übertragen kann. (Pfälzer)
7,5 / 10
Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 50:25 min
Label: Steamhammer/SPV
Veröffentlichungstermin: 30.07.2021