Dornenreich - Du Wilde Liebe Sei

dornenreich duwildeliebeseiLange war es still um die österreichischen Avantgardisten, was nicht nur an der aktuellen Krise lag. Fast hatte man die Befürchtung, Eviga hätte seine Band zu Grabe getragen, denn auch Liveaktivitäten fanden nicht statt. Mit jedem neuen Album stellt sich natürlich die Frage wohin diesmal die Reise führt. Nach den Anfängen im immer melodischer werdenden Black Metal ging es plötzlich zum Dark Rock bis hin zu komplett akustischen Werken. Mit den beiden letzten Scheiben näherte sich wieder der härteren Phase, aber seit "Freiheit" sind sieben Jahre ins Land gezogen. Was bietet uns jetzt das schon verstörend "Du Wilde Liebe Sei" betitelte Album an?

Zwei Dinge werden schon bei den ersten Tönen klar: Hier geht es wieder deutlich ruhiger zu als auf den letzten beiden Alben und das ist wieder etwas ganz Neues, wieder einmal fährt es einem bei der Formation durch den Kopf. In der Tat sind die Auftakttöne so verhalten, so reduziert, dass bereits klar sein dürfte, dass sich das später nicht mehr steigert. Dafür wird es mit den Percussionklängen sehr interessant, den entweder waren sie komplett ohne Rhythmus unterwegs oder ein klassisches Schlagzeug trieb die Stücke nach vorne. An den bisherigen Werken kommt dem geneigten Fan als Erstes "In Luft geritzt" in den Sinn, was sicher der Instrumentierung geschuldet ist, doch hier passiert eben in rhythmischer Hinsicht mehr.

"So Ruf Sie Wach das Sehnen" begibt sich beim flüsternden Gesang immer in Lauerstellung, während Percussion und Klampfen eine flirrende Grundlage dazu legen. Doch wie erwähnt wartet man auf die erlösenden Ausbrüche vergeblich, was der Spannung keinen Abbruch tut. Vielmehr sorgen behutsames Picking und die klagende Geige für einen hypnotischen Strom, in den man gegen Ende des Openers hinein gezogen wird. Wenn Eviga den Flüstermodus verlässt, seine Akustische mal Riffs spielen lässt, dann kommt er in manchen Passagen sogar OPETH nahe.
Am ehesten an die Vergangenheit lässt "Dein Knöchern´ Kosen" denken, wenn sich Staccato so dezent melden, dass man sie fast überhören könnte. Doch genau das war wohl das Ansinnen von DORNENREICH, ihren Fans bekannte Elemente in einem völlig neuen Kontext, ohne Härte, dafür mit viel Mystik und Klangfärberei auf ein anderes Level zu hieven. Zu Beginn erklingen die lauernden Töne mit noch mehr Schwermut, was sie noch zurückhaltender macht, in einem anderen Kontext und Arrangements würde es als moderne Doomnummer durchgehen.

Die kompositorischen Ansätze sind nicht so weit weg von den bekannten Werken, aber eben mit neuen Ideen umgesetzt. Die Geige ist noch prominenter als zuletzt und die Percussion bieten mehr Möglichkeiten, als man annehmen könnte. Bei "Der Freiheit Verlangen Nach Goldenen Ketten" lassen sich typische Rockarrangements erkennen, nur eben nicht mit den klassischen Mitteln umgesetzt. "Liebes Dunkle Nacht" könnte elektrifiziert als Gothic Rock durchgehen, suhlt sich in atmosphärischen Wogen, die TIAMAT einst auf "A Deeper Kind Of Slumber" auftürmten. Mit "Sie Machen Mangel Zum Geschenk" orientiert man sich an der eigenen Historie, wenn die Melodien ins Treiben kommen, ist "Schwarz Schaut Tiefsten Lichterglanz" nicht weit.

"Du Wilde Liebe Sei" ist erneut ein Beweis für die Ausnahmestellung der Österreicher. Die Querverweise dienen als vage Ansatzpunkte, denn diese Kreationen sind so völlig eigen, es gibt nichts Vergleichbares. Wie die Geige von "Dem Kuhnen In Der Stille" mit den Riffs harmoniert stößt ungeöffnete Türen auf. Auch der ruhige, nur mit der Akustischen begleitete Abschluss "Freiheit Erlösen" hat nichts mit sonstiger Singer/Songwriter-Kunst zu tun. Doch alle Interessierten seien gewarnt, das Werk erschließt sich einem nur sehr langsam, die einzigartigen Strukturen benötigen viel Zeit, um sich darauf einzulassen, aber das ist wohl der Fluch der Kunst, wenn man sich völlig in sich selbst begibt, wie es Eviga hier getan hat. (Pfälzer)

 

Pfaelzer7,0 7 / 10


Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 45:25 min
Label: Prophecy
Veröffentlichungstermin: 11.06.2021

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