Ich werde nie vergessen als ich und meine Kumpels auf einem Konzert von PRETTY MAIDS in den achtziger Jahren euphorisch bis zur völligen Verausgabung zu dem damals neu erschienenen Album „Future World“ eskalierten. Für uns war es damals das geilste Album überhaupt, der Frontmann hatte das Publikum fest im Griff und er hatte nur ein Ziel: Die Anwesenden zum Ausrasten zu bewegen. Der junge Ronnie Atkins war damals bereits ein absolut charismatischer Shouter, dem die Mädchen in der Halle zu Füßen lagen. Also dachten wir alle nur: was für ein Held und jeder hätte alles gegeben, mit ihm tauschen zu können.
Jetzt bei Vorlage seines ersten Debüt-Soloalbums „One Shot“ mehr als dreißig Jahre später und der dazugehörigen Entstehungsgeschichte, weiß ich aus anderen Gründen, dass Ronnie Atkins ein wahrer Held ist. Der 56-jährige Däne, der bald vierzig Jahre bei PRETTY MAIDS am Mikro steht und erst vor kurzem die Diagnose erhielt, dass er wohl unheilbar an Krebs erkrankt ist, erklärte, dass er nach einer anfänglichen Paniksituation sich mit dem Rückhalt seiner Familie dafür entschied, die Fakten zu akzeptieren und die verbleibende Zeit zu nutzen, um einige Ziele und Träume zu verfolgen und einfach weiter zu leben. Und eines dieser Ziele war die Veröffentlichung seines Soloalbums. Und dieses Verhalten nennt man heldenhaft.
Im Interview erklärte Ronnie Atkins mit eigenen Worten: „Um ehrlich zu sein, hatte ich nie den Plan, eine Solo-Platte aufzunehmen. Da sich aber die ganze Welt im Lockdown befindet und es auf absehbare Zeit keine Möglichkeit für Konzerte gibt, musste ich die Gelegenheit ergreifen, auch weil mir zwangsläufig nicht mehr alle Zeit der Welt bleibt. Ich habe jede Menge Ideen auf meinem Handy, die zu gut sind, um sie unter Verschluss zu halten, und ich habe in letzter Zeit viel geschrieben, um meine Frustration zu verarbeiten“.
Im nächsten Step begann Ronnie mit seinem Freund, PRETTY MAIDS-Mitglied und Produzent, Chris Laney, mit der Produktion. Die Abmischung der Songs erfolgte durch Jacob Hansen (u.a. PRETTY MAIDS, VOLBEAT). Zudem erhielt er Studio-Unterstützung durch namhafte Musiker, u.a. Allan Sorensen und Morten Sandager (Ex-PRETTY MAIDS) oder den Ex-EUROPE Gitarristen Kee Marcello.
Somit trägt das via Frontiers Music erscheinende Debütalbum „One Shot“ natürlich in vieler Hinsicht auch den unüberhörbaren Stempel von PRETTY MAIDS. Dass Ronnie Atkins über eine einzigartiges Stimmvolumen verfügt und sowohl mit rauer als auch mit melancholisch sanfter Stimme die gleiche Leidenschaft ausdrücken kann, hat er bislang eindrucksvoll auf fünfzehn Studioalben der PRETTY MAIDS und unzähligen weltweiten Live-Auftritten bewiesen.
Nach dem dritten Anhören von „One Shot“ steht für mich schon mal zweifelsfrei fest, dass Ronnie Atkins eins der besten Alben des Genres Melodic Rock gelungen ist, welches zeitlos und hitsicher eine unbändige Power und Melancholie transportiert. Auf diesem Album sind elf Hits enthalten und die Musikwelt wird das sicherlich ebenso sehen.
Die bereits vorab ausgekoppelte Single „Real“ zeigt wohin die Reise geht. In gewisser Weise ist der Geist der PRETTY MAIDS spürbar, insbesondere durch die massiven Keyboardwände aber das Album ist definitiv persönlicher und tangiert selbstverständlich auch die Verarbeitung der Lebenssituation des Sängers. Passionierte Lyrics sind in harmonische Rockklänge eingebunden. Die Instrumentierung ist analog der PRETTY MAIDS-Struktur perfekt auf Ronnie`s dominierende Stimme abgestimmt.
Im Großen und Ganzen ist es ein fantastisches frisches und modernes Rockalbum, welches sofort im Ohr hängen bleibt. Es ist gespickt mit positiven Botschaften und nachdenklichen Metaphern; Themen über „Sex, Drugs And Rock N`Roll“ sucht man auf dieser Scheibe vergeblich. Die Songs sind reifer und beziehen sich insgesamt intensiver auf das Leben, die Liebe und die differenzierte Sichtweise auf viele Dinge.
„Real“ und „Scorpio“ sind härtere Nummern mit einprägsamer Melodie, tollen Riffs und einem starken Refrain. „One Shot“ mit Piano-Intro und balladeskem Beginn steigert sich schnell zur „Metal-Hymne“, wird immer härter und animiert zum Mitsingen:“ One Shot-One Life-One Chance To Throw The Dice- And We Can’t Waste Another Day“. Im Text bekennt sich Ronnie jeden Moment des Lebens auszukosten: “Embrace The Moment We Are Living In The Now- What If Tomorrow Is Too Late?“.
Positive Vibes empfängt der Hörer in dem rockigen „Subjugated“. „Frequency Of Love“ startet als akustische Ballade, legt aber schnell an Schlagzahl zu und gefällt auch durch kurze, harte Gitarrensoli. Deutlich härter geht’s dann mit dem hymnischen „Before The Rise Of The Empire“ weiter, bevor mit „Miles Away“ eine Powerballade folgt, die wieder den melancholischen Stimmeinsatz von Ronnie Atkins hervorbringt, Gänsehaut erzeugt und ein klasse Gitarrensolo beinhaltet.
„Picture Yourself“ kommt extrem hitverdächtig als lebensbejahender Rocksong daher, ebenso wie „I Prophesize“, mit harten Gitarrenriffs und klasse Melodie. Den Abschluss bildet „When Dreams Are Not Enough“, eine geile Midtempo-Nummer ganz im Stil von PRETTY MAIDS.
„One Shot“ ist ein unglaublich gelungenes, persönliches und ehrliches Rockalbum ohne Schwachpunkte. Ich kann auf diesem Album keinerlei Schwächen erkennen. Es ist durchgängig Spitzenklasse und äußerst abwechslungsreich. Ronnie Atkins zeigt eine unbändige Power und seine Stimme scheint besser als je zuvor.
Ronnie Atkins sollten sich so einige Jammerlappen dieses Zeitalters zum Vorbild nehmen, wenn es um Lebensgestaltung und Erwartungen geht. Danke Ronnie, für dieses fantastische Werk. Ich hoffe und bete, dass alle deine Träume wahr werden, du weiterkämpfst und daran glaubst dass es „Wunder immer wieder gibt“. (Ebi)
Bewertung:
10 / 10
Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 44:49 min
Label: Frontiers Records
Veröffentlichungstermin: 12.03.2021