Eine Reise nach Luxemburg lohnt sich immer. Nicht nur wegen der hochkarätigen Bands, die dort zu Gast sind, sondern auch wegen der landschaftlichen und baulichen Reize. Die Nachbarn des Saarlandes wissen eben, wie man Infrastruktur gestaltet.
Unser Fotograf Alex und ich machten uns also an einem Mittwochnachmittag nach einem harten Arbeitstag über die Grenze, um uns wohl zum letzten Mal SEPULTURA auf Tour anzuschauen.
Auf der französischen Seite fanden wir eine geeignete Parkmöglichkeit, die sich direkt neben der Rockhal befand und kehrten kurz vor knapp dort ein. Zum Glück bewahrheitete sich die Info nicht, dass JINJER hier den Opener übernehmen, da gab es im sozialen Netzwerk wohl nur einige Ungereimtheiten.
JESUS PIECE
Die Band aus Pennsylvania gibt es immerhin schon seit nun neun Jahren und haben diverse Veröffentlichungen im Kursbuch, doch live sind sie noch mehr aktiv unterwegs und konnten sich nun den Openerslot für die Abschiedstournee von SEPULTURA schnappen. Gerade mal 25 Minuten hatten die Jungs Zeit, also ging es auch gleich schwer und kompakt los. Der Metalcore der Amis war nicht unbedingt die größte Erwartung in Luxemburg, daher hatte sich die Rockhal bis dahin auch nur etwa zur Hälfte gefüllt. Auch mir war das Gebrülle und Gestoppe auf der Gitarre, das kaum über den zweiten Bund hinauskommt, nicht unbedingt wohl gesonnen, doch Shouter Aaron Heard feuerte das anwesende Publikum dauerhaft an und hinterließ einen guten Eindruck als Eröffnungsact. Bei der Ansage des letzten Songs fiel ihm dann noch glücklicherweise auf, dass er sein Shirt immer noch trägt, dessen wurde sich entledigt und er konnte nun seinen wohltrainierten und reichlich verzierten Körper zur Schau stellen. Nicht unbedingt meine Baustelle, dennoch respektable Arbeit.
OBITUARY
Die Sunnyboys aus Florida waren mein Favorit an diesem Abend, auch schon vor ihrem Auftritt, danach allerdings umso mehr. Bereits etliche Male begeisterten mich OBITUARY live, und das sollte auch an diesem Abend keine Ausnahme sein. Zuerst wurde dem aktuellen Album Tribut gezollt, dann kamen einige Klassiker. Anschließend wurde die Geschichte der Band vor- und zurück erzählt, was halt in der kurzen Spielzeit gar nicht einfach ist. Selten habe ich eine Death Metal Band mit soviel Spaß bei der Sache erlebt, diese Band möchte eigentlich immer nur weitermachen und ihre ansteckende gute Laune verbreiten. Aber nicht nur ihr Dauergrinsen, sondern auch ihr volles Haar nach all den abgemoshten Jahren erstaunten mich mal wieder. Der ursympathische Fünfer nutzte seinen kurzen Slot vollkommen und wirkungsvoll aus und begeisterte die wachsende Zuschauermenge.
Setlist OBITUARY:
Redneck Stomp
Threatening Skies
By The Light
The Wrong Time
Deadly Intentions
Chopped In Half
Turned Inside Out
Solid State
War
Dying Of Everything
Slowly We Rot
JINJER
Ich denke mal, dass jedem im Saal diese Band bekannt war. Ihr Song „Pisces“ sorgte in den visuellen Medien für Furore und wurde oft zitiert. Beavis und Butthead würden diesen Clip wohl in Dauerrotation schauen…
Sängerin Tatiana Shmayluk ist nicht nur ein Hingucker, sondern überzeugt auch durch eine erstaunliche stimmliche Bandbreite von tiefen Shouts und Screams bis zum glockenklaren melodiösen Frohlocken. Die Band unterdessen beherrscht ihr jeweiliges Instrument auch fabelhaft, und heraus kommt eine Melange aus Blastbeats, vertracktem Mathcore und orientalischen Einflüssen. Die Band aus der Ukraine erscheint sehr imposant, aber auch gleichzeitig recht anstrengend. Dieser Meinung war scheinbar nicht nur ich, denn mit mir gesellten sich bereits bei der ersten Hälfte schon einige Leute in die Lounge zu einem gemütlichen Umtrunk in etwas leiserer Umgebung. Der Sound war wie von Konzerten in Luxiland gewohnt glasklar und druckvoll, aber nie zu laut. Dennoch war mir dann ein reines Zuhören aus der Ferne in dem Moment angenehmer. Die Meute zeigte sich sehr angetan von der Darbietung, der Song "Kafka" musste sogar abgebrochen werden, um einen Gast zu evakuieren, Ansonsten ein weiterer Paukenschlag für JINJER und eine intensive Erfahrung für ihre Anhänger.
Setlist JINJER:
Sit Stay Roll Over
Ape
Fast Draw
Retrospection
Teacher, Teacher!
Colossus
Someone's Daughter
Kafka
Copycat
Perennial
Rogue
SEPULTURA
Die Brasilianer feierten mit ihrem 40jährigen Bestehen auch gleichzeitig ihren Abschied auf dieser Tournee, die planmäßig beginnen konnte, auch wenn kurz zuvor ihr Schlagzeuger Eloy Casagrande seinen Hut bei SEPULTURA nahm, um den vakanten Posten bei SLIPKNOT zu übernehmen. Angesichts der vorgegebenen Situation natürlich eine nachvollziehbare und vernünftige Entscheidung, wenn auch 13 Jahre Bandzugehörigkeit eine lange Zeit für alle sind. Der Nachfolger Greyson Nekrutman konnte allerdings nach seinem Bruch mit SUICIDAL TENDENCIES rechtzeitig das Set erlernen und begleitet nun die Band in ihren Ruhestand.
Mittlerweile suchen sich ja viele Bands als Intro einen ihrer Lieblingssongs heraus, angefangen bei IRON MAIDEN mit UFOs „Doctor Doctor“. SEPULTURA entschieden sich für „War Pigs“ von BLACK SABBATH, gefolgt von „Policia“ von TITAS, was sie bereits auf „Chaos A.D.“ gecovert hatten.
Nach diesem Song ging es nahtlos in „Refuse / Resist“ und „Territory“ über, und sofort entwickelte sich ein feiner Moshpit im Publikum. Den Drummerwechsel merkte man nicht unbedingt, nur bei genauem Hinhören, denn Eloy war schon eine Klasse für sich. Der sichtlich gealterte Andreas Kisser war durchaus agil und sehr virtuos an der Gitarre, Paulo wie gewohnt ruhig und stoisch.
Ich habe SEPULTURA seit dem Ausstieg der Cavalera-Brüder kaum noch verfolgt, und auch heute muss ich gestehen, dass ich immer noch nicht an Derrick Greens Gesang gewöhnen kann. Seine seltsame Betonung und Aussprache bei den Lyrics hinterlassen bei mir leider keinen bleibenden Eindruck wie einst zu den Zeiten von Max. Für mich ist Derrick eben kein Thrash-Sänger, auch wenn seine Stimme grundsätzlich sehr stark ist. Die mittlerweile sehr gut gefüllte Halle feierte indes ihre Helden gebührend ab und erlebten noch einmal ein Livespektakel mit modernen visuellen Elementen wie innovative Beleuchtung und einer aufwändigen Videoshow zu jedem gespielten Song ihrer 40jährigen Geschichte. Es bleibt jedem selbst überlassen ob die alten Songs der Cavalera-Ära besser ankamen als die neuen.
Setlist SEPULTURA:
Refuse / Resist
Territory
Kairos
Phantom Self
Attitude
Means To An End
Choke
Guardians Of Earth
Breed Apart
Escape To The Void
Kaiowas
Dead Embryonic Cells
Agony Of Defeat
Troops Of Doom
Inner Self
Arise
Ratamahatta
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Roots Bloody Roots
Somit konnte jeder Besucher glücklich und bedient den Heimweg antreten. Durch das abwechslungsreiche Vorprogramm war bestimmt für jeden ein Highlight dabei, des Weiteren konnte man sich von dem vorbildlichen Ambiente der Rockhal erneut ein Bild machen und einen gelungenen Abend verzeichnen. Ich bin auf jeden Fall gespannt, was der „Rest“ von SEPULTURA noch machen wird, mal wieder gibt es ja Gerede über eine finale „Jam Session“ mit den Cavaleras. Ob da alle Parteien mit einverstanden sein werden bleibt aber, wie die Vergangenheit zeigt, abzuwarten. (Jochen)
(Fotos: Alex)