Interview mit Richie Cavalera (Incite)

INCITE veröffentlichten am 15.08.2025 mit “Savage New Times” ihre neueste Thrash-Metal-Abrissbirne. In einem ausführlichen Interview stand mir Sänger Richie Cavalera nun Rede und Antwort.

Matthias: Hi Richie. Wo erreiche ich dich gerade?

Richie: Hallo und vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, über INCITE und unser neues Album zu sprechen. Das weiß ich sehr zu schätzen. Ich bin gerade zu Hause, entspanne mich und bereite mich auf das arbeitsreiche nächste Jahr vor. Es wird viele Tourneen geben, und es passieren jede Menge großartige Dinge mit der Band. Ich freue mich schon riesig darauf, auf Tour zu gehen und das Album live zu spielen.

Matthias: Euer neues Album heißt „Savage New Times“. Glaubst du, wir leben in barbarischen, neuen Zeiten?

Richie: In mancher Hinsicht auf jeden Fall, aber die Kernaussage des Albums ist einfach, wie schwer es heutzutage generell ist, zu leben, verstehst du? Ich denke, wir erleben gerade eine der schwierigsten Epochen der modernen Geschichte, sowohl für die Gesellschaft als auch für den Einzelnen. Es ist definitiv eine Stimmung, mit der wir noch nie zuvor konfrontiert waren, und ich denke, dieses Album spiegelt unsere aktuelle Welt wider.

Matthias: Ich finde das Album sehr intensiv. Wenn ihr ins Studio geht, habt ihr dann schon eine klare Vorstellung davon, wie das fertige Produkt klingen soll, oder lasst ihr es einfach auf euch zukommen?

Richie: Wenn wir ins Studio gehen, sind wir definitiv schon weit über das Demo-Stadium hinaus. Wir haben also schon eine gewisse Vorstellung, aber sobald unser Produzent Steve Evetts die Songs in die Hände bekommt, ist völlig offen, wie sie sich letztendlich entwickeln. Er ist ein unglaublicher Produzent, der genau weiß, was wir wollen und wonach wir suchen, und uns gleichzeitig dazu bringt, unsere kühnsten Träume zu übertreffen. Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie sich die Erwartungen von dem unterscheiden, was am Ende dabei herauskommt. Das ist einer meiner liebsten Aspekte beim Produzieren neuer Alben – zu erleben, wie sie zum Leben erwachen.

Matthias: Zwischen „Wake Up Dead“ und „Savage New Times“ liegen drei Jahre. Hättest du eine frühere Veröffentlichung bevorzugt, oder denkst du, es war besser, dass die Songs Zeit zum Reifen hatten?

Richie: Ich denke, es war wichtig für uns, diese Zeitspanne zu haben, da wir gerade das Plattenlabel und das Management wechselten und Layne Richardson als Gitarristen dazu nahmen. Der Zeitraum passte einfach besser zu uns und unserer musikalischen Entwicklung. Ich persönlich möchte nie zu lange mit der Veröffentlichung eines Albums warten, aber auch nicht, dass sie zu schnell erscheinen. Alben wie unseres haben nicht die riesige PR-Kampagne der meisten Megabands. Es dauert eine Weile, bis die Leute von unseren Alben erfahren, und sie erreichen uns kontinuierlich, egal wie viel Zeit zwischen den Veröffentlichungen vergeht. Deshalb ist es für uns wichtig, die besten Voraussetzungen und den besten Zeitpunkt zu haben, damit alles zusammenpasst und wir das Album machen können, das wir machen müssen.

Matthias: Meine Lieblingssongs auf dem Album sind „Lies“, „Just A Rat“ und „Dolores“. Kannst du mir etwas mehr über die Texte erzählen?

Richie: „Lies“ handelt von Online-Belästigung. Ich finde, das ist mittlerweile ein wirklich schrecklicher Aspekt unserer Gesellschaft geworden, und zwar auf allen Ebenen. Niemand ist mehr ehrlich, alle sind korrupt und hinterhältig, und ich denke, das überfordert unsere Gesellschaft. „Just A Rat“ handelt von miesen Leuten, die einem im Leben begegnen können. Ich glaube, wir alle haben irgendwann mal mit ihnen zu tun. Diese Leute, die nur an sich selbst denken und anderen schaden wollen – das musste auf diesem Album einfach thematisiert werden. „Dolores“ ist cool, weil wir das schon seit einigen Alben machen wollten, es aber nie richtig umsetzen konnten. „Dolores“ hat uns endlich die Möglichkeit dazu gegeben, uns weiterzuentwickeln und den Leuten zu zeigen, wie vielschichtig wir als Band sind. Der Song berührt das Thema einer unheimlichen Erscheinung. Ich glaube, als Kinder kennen wir alle so etwas wie das „Monster unterm Bett“, das „Biest im Schrank“ – ihr wisst schon. Ich hatte so eine Erfahrung, und die hat mich später im Rückblick sehr geprägt. Deshalb war ich total froh, endlich einen Song dieser Art zu haben und die dunklere Seite von INCITE zu zeigen.

Matthias: „Dolores“ unterscheidet sich musikalisch deutlich vom Rest des Albums. Wie kam es dazu, und ist der Song von Stephen King inspiriert?

Richie: Ja, wie gesagt, es ging einfach darum, den richtigen Zeitpunkt, den richtigen Ort, die richtigen Musiker und das richtige Thema zu finden – all das hat sich auf diesem Album zu „Dolores“ zusammengefügt. Und wir wollen damit zeigen, dass wir eine viel tiefgründigere Band sind als in der Vergangenheit. Die Leute wissen natürlich, dass wir auch harte Songs spielen können, und wir wollten zeigen, dass wir viel mehr sind als nur aggressive Heavy-Metal-Musik. Wir können melodisch und musikalisch sein und die Band weiterentwickeln. Aber keine Verbindung zu Stephen King. Ich weiß, er ist ein bekannter Horrorautor mit diesem Stil. Vielleicht ist das ja ein Song für einen seiner zukünftigen Filme!

Matthias: Ich höre auch Hardcore-Einflüsse in deinem Gesang. Gibt es Hardcore-Bands, die dich besonders beeinflusst haben?

Richie: Mich persönlich nicht so sehr. Ich habe zwar mit Bands wie SICK OF IT ALL, BIOHAZARD und HATEBREED experimentiert, aber das war nie mein Lieblingsgenre. Ich denke, wir integrieren das in unseren Stil, weil Hardcore so viele gute Groove-Elemente hat und so eine Art Pit-Musik ist, aber auch die Botschaft, die damit einhergeht. Ich glaube, da fühlen wir uns diesem Genre ein bisschen verbunden. Wir scheuen uns nicht, Genres, die wir lieben, zu adaptieren und Stile in unsere Musik einfließen zu lassen. Und ich denke, das entwickelt sich mit jedem Album weiter.

Matthias: Max Cavalera ist dein Stiefvater. Wann hast du gemerkt, dass du Musiker werden willst?

Richie: Lange bevor er mein Vater wurde, bin ich quasi in der Metal-Welt aufgewachsen. Meine Mutter und Bands wie SACRED REICH, ATROPHY und NUCLEAR ASSAULT haben mich damals sehr geprägt. Ich liebe den Stil, die Musik, die Botschaft und die Leute in diesen Bands. Max' Ankunft hat das Ganze noch einmal deutlich verstärkt. Mit ihm auf der Bühne zu stehen und zu singen oder im Studio von ihm zu lernen – da hat sich meine Liebe zu dieser Musik zu dem Wunsch entwickelt, selbst Musik zu machen.

Matthias: INCITE gibt es jetzt seit 21 Jahren. Was war das Beste und das Schlimmste, was du mit der Band erlebt hast?

Richie: Ich würde sagen, das richtige Team für die Band zusammenzustellen – Plattenfirma, Management, Booking-Agenten usw. – war von Anfang an ein Kampf. Ich glaube, die Leute hatten andere Vorstellungen von uns als wir wollten und als wir es tatsächlich umsetzten. Wir glaubten, unsere Musik sei gut genug, um zu den besten Metal-Bands der Welt zu gehören, aber meine Persönlichkeit hat das stark beeinflusst. Die Leute haben unsere Botschaft in eine andere Richtung gelenkt, als wir es wollten, und ich denke, das hat uns sehr verletzt. Es hat lange gedauert, das zu verarbeiten und uns inmitten dieses ganzen Wahnsinns, ein Cavalera zu sein und damit in Verbindung gebracht zu werden, wiederzufinden. Das war wirklich schwierig.

Matthias: Du singst ziemlich aggressiv. Was bringt dich so richtig auf die Palme?

Richie: Einfach nur miese Leute, weißt du? Ich war schon immer ein positiver Mensch. Ich versuche immer, das Richtige zu tun und für andere da zu sein. Aber ich habe festgestellt, dass Leute solche Leute – Leute wie mich – gerne ausnutzen. Es ist echt hart, wenn man ständig versucht, Gutes zu tun und die Welt zu verbessern, und andere das für ihren eigenen Vorteil ausnutzen. Das regt mich definitiv auf.

Und wenn man sich die Gesellschaft im Allgemeinen so ansieht, macht einen das manchmal wütend. Man sieht, wie dumm manches sein kann, wie oft vernünftige Ideen zugunsten von totalem Quatsch ignoriert werden. Es gibt immer genug, worüber man sich aufregen kann.

Matthias: Du lebst in Phoenix. Was ist deiner Meinung nach der Unterschied zwischen Arizona Thrash Metal und dem in Kalifornien oder New York?

Richie: Ich finde, Arizona Metal ist aggressiver, wütender, energiegeladener als andere Stile, wenn man bei 50 Grad Celsius inmitten von Wüste, Kakteen und Tod Musik macht. Ich glaube, das inspiriert einen einfach, Wut und eine Dynamik zu entwickeln, die andere nicht erreichen. Die Metal-Szene in Arizona ist meiner Meinung nach etwas ganz Besonderes.

Matthias: Erinnerst du dich an das erste Album, das du dir selbst gekauft hast?

Richie: Ja, die allererste Platte, die ich gekauft habe, war METALLICAs „…And Justice for All“. Dieses Album hat mein Leben verändert, weil ich unbedingt Metal-Frontmann werden wollte. Die Platte war einfach unglaublich. Es ist das perfekte Thrash-Metal-Album schlechthin.

Matthias: Welches Buch hast du zuletzt gelesen?

Richie: Es hieß „The Bible Code“. Ein echt cooles Buch über Prophezeiungen und wie die Bibel dazu beitragen könnte. Ich interessiere mich sehr für solche Sachen, für Verschwörungen, vergangene Religionen und alte Denkweisen. All diese Dinge faszinieren mich total, und dieses Buch geht genau darauf ein.

Matthias: In welchem Land würdest du gerne spielen?

Richie: Ich würde wahnsinnig gerne in Japan spielen. Wir haben es bisher noch nie geschafft, dort aufzutreten. Ich war schon ein paar Mal dort, aber das steht definitiv auf unserer Liste der Konzerte, die wir unbedingt noch spielen möchten.

Matthias: Welcher andere Musiker hat dich am meisten beeindruckt?

Richie: Ich war schon immer ein riesiger Chino Moreno Fan. Ich glaube, er ist einer der besten Frontmänner der letzten 30 Jahre – ohne Zweifel, von seinem Stimmumfang über die Texte bis hin zu seiner Bühnenpräsenz. Ich finde er ist einfach ein unglaublicher Künstler.

Matthias: Möchtest du den Fans noch etwas sagen?

Richie: Ja, ich möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die die Band unterstützt haben. Wenn ihr unser neues Album „Savage New Times“ noch nicht gehört habt, hört unbedingt mal rein. Es ist fantastisch. Das ist die Zukunft des Heavy Metal, und wir freuen uns riesig darauf, euch alle nächstes Jahr auf Tour zu sehen. Sagt es weiter und bleibt Metal!

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