Flotsam And Jetsam - No Place For Disgrace (Re-Release)

Flotsam and Jetsam NoPlaceFor Disgrace14Auch ich war mal jung, zumindest jung genug, um ein paar Highlights der harten Musikgeschichte noch fast live mitzuerleben. Wenn ich auch ein paar Jährchen früher musikmäßig besser dran gewesen wäre, so waren die mittleren Achtziger schon mit einigen Perlen gestickt. Ein Meisterwerk der damaligen Zeit war zweifelsohne der Nachfolger von"Doomsday For The Deceiver", sprich der Zweitling von FLOTSAM & JETSAM. Der damals noch so gut wie unbekannte Jason Newsted hatte nach dem bahnbrechenden Debüt das Handtuch geschmissen, dennoch ließ der Erfolg ein weiteres Album zu. Zum Glück, denn früher wie heute nudelte sich sowohl Vinyl als auch die Kopie auf Tape regelrecht ab, denn ein zeitloser Beweis für guten Thrash Metal wurde hier belegt. Und gerade mal 26 Jahre später beschloss die mehr oder weniger feste Truppe, dieses Album mit neuen modernen Mitteln wieder zu veröffentlichen. Die Frage nach dem Warum macht sich breit.

Kann man überhaupt ein derart kultiges Album in moderner Umgebung wiedergebären?
Scheinbar nicht, denn die alten Masterbänder waren derart mies, dass es für die Band nur noch einen Plan B gab: Die Platte wird mit der Technik des 20. Jahrhunderts originalgetreu eingespielt. Das gelingt allerdings nur bedingt. Zu Beginn stellt man direkt fest, dass die Geschwindigkeit der Songs merklich zurückgeschraubt wurde, was schonmal ein fettes Minus von dem nostalgischen Hörer einbringt. Der Grund dafür ist mir schleierhaft, denn grooviger werden die Songs dadurch nicht, und gerade die Temposchwankungen mangels ordentlichem Metronom machten den Reiz der Platte aus. Der Gesamtsound wurde indes sehr treu nachempfunden, wenn auch das Schlagzeug zu modern klingt. Eric A.K. klingt trotz dauerhaft unsteten Lebenswandels erstaunlich kraftvoll und routiniert, lediglich die ganz hohen Screams lässt er mit Bedacht aus. Ansonsten orientiert sich wirklich das Meiste am Original, selbst das Cover ist lediglich eine leichte Szenenänderung.

Wahrscheinlich wurde auch die Reihenfolge bei der Aufnahme der Songs beibehalten, was allerdings meines Erachtens dazu führte, dass mit fortschreitender Liedzahl die Distanz zum Original immer etwas größer wird. Beim Überhit „Escape From Within" an Position 4 hören wir einige Neuigkeiten, leider nicht zum Vorteil des Songs. Auch die nachfolgenden Titel verlieren irgendwie zusehends an Charme und Charisma. Ist also das schon beinahe blasphemische „Experiment" 2014 misslungen?
Hier gibt es meinerseits ein klares Jein! Es ist immer wieder eine Freude, diesen Zehner durchzuhören, auch im modernen Gewand, dennoch stellt sich die Frage, ob es sich hier nun um ein würdiges Fan-Geschenk handeln soll oder eher um eine Überbrückung uninspirierter und einfalls- sowie erfolgloser Zeit? Hat FLOTSAM & JETSAM nach ihrem durchwachsenen Output „Ugly Noise" die Notbremse mit diesem „Pseudo-Release" gezogen, um zumindest die alten Fans zu halten bzw. erneut anzulocken? Gestehen sich die einstigen Bay-Area-Thrashhelden einfach nicht ein, dass ihr Zug schon lange abgefahren ist?

Auch wenn die Songqualität nach wie vor gleichermaßen hochwertig ist und bleibt, so geht doch mit der Neuinterpretation der Zauber der damaligen Geburtsstunde etwas verloren. Ob man sich diesen Valentin ins Haus holen möchte, bleibt letzten Endes jedem selbst überlassen. (Jochen)


Bewertung: 7,5 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 59:12 min
Label: Metal Blade Records
Veröffentlichungstermin: 14.02.2014

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