Interview mit Andrea Hendorfer (Another Dimension)

interviews 20200531 anotherdimensionWie meine Redaktionskollegin Sarah-Jane in ihrem Artikel bereits angekündigt hat, haben wir vom Neckbreaker Magazin in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe von Interviews geführt mit Vertretern der nationalen und internationalen Kulturszene - genauer gesagt mit vielen verschiedenen Veranstaltern, Bands, Künstlern und Promotern.
Wir möchten damit den Menschen, die für uns Musikliebhaber mit ihrer Kreativität und ihrem Engagement so besonders wichtig sind, eine Plattform bieten, euch und uns mitzuteilen, wie sie mit den Einschränkungen durch die "Corona-Maßnahmen" leben und umgehen.

Neben Künstlern und Clubs gibt es noch viele Menschen, die im Hintergrund dafür sorgen, dass der Laden läuft und dabei als Schnittstelle zwischen den einzelnen Parts fungieren. Die Promoagentur Another Dimension aus München betreut namhafte Acts wie GOTTHARD, JOE BONAMASSA oder DIE TOTEN HOSEN sowohl bei den Veröffentlichungen wie auch bei Konzerten. Anfang Mai hatte unser Redakteur Rainer deren Mitarbeiterin Andrea Hendorfer zu der derzeitigen Lage befragt, da er zuletzt viel Kontakt mit der Agentur hatte. Andrea Hendorfer ist darüber hinaus auch noch als Tourmanagerin selbstständig und hat dadurch vielfältige Einblicke in das Geschäft.

Neckbreaker Magazin: Wie beeinflusst das Veranstaltungsverbot Eure tägliche Arbeit? Welche Auswirkungen hat das ganz konkret auf Euch?

Andrea Hendorfer: Das komplette Sommergeschäft (Tourneeleitung, Festivalbetreuung etc.) ist komplett weggebrochen. Auch mein zweites Standbein, die Musik-PR, liegt auf Eis, da die Labels größere VÖs in den Herbst geschoben haben und die Tour-PR mangels Shows natürlich ebenfalls nicht benötigt wird.

Neckbreaker Magazin: Haltet Ihr persönlich das Veranstaltungsverbot für eher angemessen oder eher übertrieben?

Andrea Hendorfer: In der aktuellen Lage leider angemessen. Aber genau deshalb muss es hier schnell und mehr staatliche Hilfe für alle Beteiligten geben.

Neckbreaker Magazin: Erwartet Ihr, dass Euch später mal Bands ganz konkret unterstützen werden, z.B. durch den Verzicht auf Gage?

Andrea Hendorfer: Nein, denn jeder wird darum kämpfen, die aktuellen Verluste wieder zu kompensieren. Allerdings glaube ich, dass es künftig weniger Fixgagen, dafür aber mehr Doordeals geben wird, damit die Veranstalter wieder mehr Sicherheit haben.

Neckbreaker Magazin: Welche Maßnahmen, ggf. auch freiwillige, werdet Ihr ergreifen, damit Besucher zukünftig sicher Eure Konzerte besuchen können? Rechnet Ihr in Zukunft mit konkreten Auflagen des Gesetzgebers bei der Durchführung von Events und was würde Euch vor besonders große Herausforderungen stellen?

Andrea Hendorfer: Ich veranstalte ja selbst keine Konzerte, kann mir aber persönlich nicht vorstellen, dass diese mit Auflagen funktionieren. Vielleicht bei kleinen Shows, Theater/Kabarett-Vorstellungen oder Klassikkonzerten, die man entsprechend bestuhlen und somit die Abstandsregeln wahren kann, aber Sicherheitsabstand während eines Metalkonzerts? Ich wüsste nicht wie.

Neckbreaker Magazin: Wann glaubt Ihr, geht es endlich mit Konzerten und Festivals wieder weiter?

Andrea Hendorfer: Kleinere Veranstaltungen, die bestuhlt werden können, mit Glück im Sommer. Club- oder größere Hallenkonzerte nicht vor Ende des Jahres. Bei Festivals hoffe ich auf 2021, aber ganz sicher bin ich mir da auch noch nicht.

Neckbreaker Magazin: Befürchtet Ihr, dass das aktuell weit verbreitete Livestreaming von Konzerten zukünftig negative Auswirkungen auf Euer Business haben wird?

Andrea Hendorfer: Nein. Das ist eine nette Ergänzung, aber das Live-Erlebnis vor Ort, die Menschen, die Euphorie, die man dabei erlebt, kann kein Streaming ersetzen.

Neckbreaker Magazin: Habt Ihr bereits eine staatliche Unterstützung erhalten oder habt Ihr Hoffnung darauf, dass der Staat Euch unterstützt?

Andrea Hendorfer: Das großspurig angekündigte „Wir lassen niemanden hängen“ entwickelt sich leider mehr und mehr zur Farce… Mit der Förderung dürfen nur Betriebskosten bezahlt werden (Gewerberäume, Leasingraten etc.), die meisten Solo-Selbständigen arbeiten jedoch von Zuhause aus und haben diese Kosten nicht, dafür Miete, jede Menge Versicherungen und Steuern. Dafür darf gibt es dann Hartz 4, wobei die Vermögensprüfung entgegen der Ankündigung aber doch stattfindet.
Auch das von Monika Grütters angekündigte Ausfall-Honorar für Künstler ist ein Witz, denn das gilt nur für staatlich geförderte Institutionen (Rundfunkorchester o. ä.), alle anderen, also die Mehrzahl, schauen in die Rühre.
Ich finde es ja toll, dass überhaupt etwas gemacht wird, in anderen Ländern ist das nicht selbstverständlich. Aber es ist ein typischer Fall von „gut gemeint, aber schlecht umgesetzt“.

Neckbreaker Magazin: Was hättet Ihr als Teil der Kulturszene anders gemacht, wenn Ihr auf Entscheidungen hättet Einfluss nehmen können?

Andrea Hendorfer: Das ist im Nachhinein schwer zu sagen, da wir alle das Ausmaß der Pandemie noch vor wenigen Wochen gehörig unterschätzt haben.

Neckbreaker Magazin: Wie können Fans und Interessierte Euch ganz konkret unterstützen? Plant Ihr oder habt Ihr schon ein Crowdfunding?

Andrea Hendorfer: Es gibt ja bereits viele Hilfsaktionen für Künstler und Veranstalter / Venuebetreiber. Für die vielen Soloselbständigen dahinter ist das m. E. eher schwer.

Neckbreaker Magazin: Nach welchen Kriterien plant Ihr eigentlich zukünftige Veranstaltungen, wenn man diese momentan eigentlich gar nicht richtig planen kann? Befürchtet Ihr einen Overkill an Konzerte im Herbst/Winter?

interviews 20200531 anotherdimension2Andrea Hendorfer: Bisher werden die Veranstaltungen erst mal „normal“ ohne besondere Kriterien geplant bzw. von einem Termin zum nächsten verschoben. Wirkliche Planungssicherheit gibt es derzeit nicht, besonders ohne Auflagen oder ähnliches.
Einen Overkill befürchte ich eher nicht, denn ein Venue kann nur einmal pro Tag bespielt werden. Wo keine Kapazität, da keine Veranstaltung.

Neckbreaker Magazin: Vor was habt Ihr momentan am meisten Angst?

Andrea Hendorfer: Dass die Situation bis weit in 2021 bestehen bleibt. Dann wird es ziemlich karg in der Kulturlandschaft, viele Veranstalter, Venues und viel erfahrenes Personal wird es einfach nicht mehr geben.

Neckbreaker Magazin: Könnt Ihr der Situation eigentlich auch etwas Positives abgewinnen?

Andrea Hendorfer: Ich komme zumindest mal dazu, endlich die Sachen zu erledigen, die ich seit zwei Jahren vor mir herschiebe (weil ich angeblich immer zu wenig Zeit dafür hatte). ?

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