Interview mit Arne Gesemann (Noisolution, Berlin)

interview noisolution 01Wie meine Redaktionskollegin Sarah-Jane in ihrem Artikel bereits angekündigt hat, haben wir vom Neckbreaker Magazin in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe von Interviews geführt mit Vertretern der nationalen und internationalen Kulturszene - genauer gesagt mit vielen verschiedenen Veranstaltern, Bands, Künstlern und Promotern.
Wir möchten damit den Menschen, die für uns Musikliebhaber mit ihrer Kreativität und ihrem Engagement so besonders wichtig sind, eine Plattform bieten, euch und uns mitzuteilen, wie sie mit den Einschränkungen durch die "Corona-Maßnahmen" leben und umgehen.  

Getreu dem eigenen Motto "Music For Minorities" steht das Berliner Label Noisolution, das gleichzeitig auch labelübergreifend als Promotionagentur tätig ist, seit vielen Jahren für Qualität. Man macht dort das, was einem selber gefällt, und vor allem das, was musikalisch außergewöhnlich ist. Die Bands des Labels sind zumeist nicht "easy listening", aber gerade das soll so sein. Das Interview mit dem Inhaber, Arne Gesemann, wurde aufgezeichnet von unserem Redakteur Jochen.

Neckbreaker Magazin: Wie beeinflusst das Veranstaltungsverbot Eure tägliche Arbeit?

Arne: Das ist für uns als Label zwar indirekt, aber doch sehr konkret in seiner Wirkung. Wir promoten die Touren und haben indirekt Werbung und direkt den Tourverkauf. Beides fällt natürlich komplett weg. Gerade der Tourverkauf von Tonträgern wurde in den letzten Jahren (schlechtere Handelssituation) immer wichtiger.

Neckbreaker Magazin: Welche Auswirkungen hat das ganz konkret auf Euch?

Arne: Aktuell sind vier Touren im ersten Halbjahr abgesagt. Die Arbeit und Vorbereitungen wurden getan, aber es kommt nichts zurück. Zum Teil haben wir extra für die Touren hergestellt und die Tonträger stehen nun bezahlt hier im Büro. Aber auch Promotionaufträge – wir arbeiten ja auch als Firma für andere Labels und Bands – werden zur Zeit storniert.

Neckbreaker Magazin: Wie beeinflusst das Kontaktverbot Eure tägliche Arbeit? Welche Auswirkungen hat das ganz konkret auf Euch?

Arne: Unser Büro hat normalerweise drei Firmen, wovon aktuell nur wir arbeiten und ich sitze zum Teil allein hier. Seit dieser Woche zu zweit. Unsere Praktikantin kam aus Österreich und ist zu Beginn der Massnahmen sofort nach Hause.

Neckbreaker Magazin: Haltet Ihr persönlich das Veranstaltungsverbot/Kontaktverbot für eher angemessen oder eher übertrieben?

Arne: Völlig angemessen. Ich habe ein recht großes Vertrauen in die Maßnahmen und die politischen Entscheidungen.

Neckbreaker Magazin: Wärt Ihr als Promoter ggf. bereit Veranstaltern und Clubs zu helfen, bspw. durch Verzicht auf Honorare?

Arne: Grundsätzlich sitzen wir alle im gleichen Boot. Wer wem wann hilft, muss sich zeigen. Aktuell kann ich das Ausmaß nicht beurteilen, aber kann mir durchaus vorstellen, dass uns ebenso ein halbes Jahr komplett ohne Einnahmen wegbricht. Vielleicht verzögert, aber das geht an dieser Branche nicht spurlos vorbei.

Neckbreaker Magazin: Welche Maßnahmen, ggf. auch freiwillige, werdet Ihr ergreifen, damit Besucher zukünftig sicher Eure Konzerte besuchen können? Rechnet Ihr in Zukunft mit konkreten Auflagen des Gesetzgebers bei der Durchführung von Events? Wann glaubt Ihr, geht es endlich mit Konzerten und Festivals wieder weiter?

Arne: Das ist jetzt viel Kaffeesatzleserei. Ich kann mir aktuell vorstellen, dass man ab September die kleinen Veranstaltungen wieder öffnet. Vielleicht auch schrittweise. 100 Leute, dann 300, usw. Größere Hallen kann ich mir dieses Jahr nicht mehr vorstellen.
Maßnahmen?? Will man in Konzerte mit „social distancing“? Mit Masken und 2 Meter Abstand zueinander? Oder Rockkonzerte mit Stühlen? Das geht nicht.

Neckbreaker Magazin: Wie steht Ihr zu dem Thema Livestreaming von Konzerten?

Arne: Ein netter Versuch. Was wollen Bands schon in dieser Zeit machen? Aber es ist meistens nur ein schlechtes Livevideo. Vielleicht entwickelt sich hieraus etwas Neues, ein andere Art der Bandpräsentation, aber in der Regel sind diese Auftritte doch nach 20 Minuten langweilig und man klickt weiter. Dennoch eine gute Sache.

Neckbreaker Magazin: Habt Ihr bereits eine staatliche Unterstützung erhalten oder habt Ihr Hoffnung darauf, dass der Staat Euch unterstützt?

Arne: Ja, wir haben diesen Kleinunternehmer-Kick bekommen. Danke!

Neckbreaker Magazin: Was hättet Ihr als Teil der Kulturszene anders gemacht, wenn Ihr auf Entscheidungen hättet Einfluss nehmen können?

Arne: Wie oben gesagt, ich habe relativ großes Vertrauen in die Entscheidungen und es wird aus meiner Sicht stets an jeder einzelnen Entscheidung zuviel Kritik geübt. Shops dürfen öffnen mit 800 qm, dann meckert die Kirche, warum nicht sie? Oder die größeren Shops? Oder die Restaurants? Oder eben die Clubs?

Neckbreaker Magazin: Wie kann man Euch ganz konkret unterstützen? Plant Ihr oder habt Ihr schon ein Crowdfunding?

Arne: Die beste Hilfe ist die traditionelle. Kauft physisches Produkt! Da verdienen Künstler und Labels und Verlage und alle Beteiligten. T-Shirts, Platten etc. und später eben Konzerttickets. „Digital ist Satan!“

Neckbreaker Magazin: Wovor habt Ihr momentan am meisten Angst?

Arne: Dass die Bundesliga nicht mehr Spaß macht oder eingestellt wird :-)
Aber im Ernst, Angst hätte ich nur, wenn das schlimmer wird, Tote auf den Strassen liegen und ein Leben, wie wir es gewohnt waren, nicht mehr möglich wäre. Ich bin optimistisch, dass es bald wieder weiter geht und wir eventuell Einschränkungen akzeptieren müssen.

Neckbreaker Magazin: Könnt Ihr der Situation eigentlich auch etwas Positives abgewinnen?

Arne: Nein. Und kommt mir bitte nicht mit „Entschleunigen“ und „Rückbesinnung auf alte Werte“. Bestenfalls wird uns jetzt bewusst, wie gut es uns ging. Dass Freunde treffen, Einkaufen, Konzerte anschauen und solche Sachen eben nicht „normal“ sind, sondern ein Luxus, den wir hier genießen dürfen/durften. Aber ob ich das als positiv sehe, weiß ich nicht. Auf diese Einsicht bin ich schon früher gekommen und hätte auf die „Corona-Nachilfe“ verzichten können ;-)

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