Obscura Religio - Rache Sitzt Tief

obscura_religio_cover160pxEs ist Oktober, das Coburger Umland ist in herrlichen Herbstfarben geschmückt und lädt zum Spazierengehen in der Herbstsonne ein. Ich bin auf Besuch und meine Begleiter und ich beschließen spontan, abends in den örtlichen Musikkeller "Zum Brünnle" zu gehen. Ein uriger Gewölbekeller in dem Metal pur läuft. Erst ist nicht viel los aber es dauert nicht lange, bis die ersten Gäste eintrudeln, und ich beschließe spontan, mich mit einem Typen im WINTERSUN-Shirt (Das Thema spukte irgendwie wegen der allgemeinen Begeisterung in der Redaktion in meinem Kopf herum) über eben jene zu unterhalten. Mehr Leute kommen, und das Bier fließt in Strömen. Ein Bekannter meiner Cousine taucht auf und hat Rote-Beete-Muffins dabei, ein irrer Geschmack. Plötzlich ging alles ganz schnell, und ich weiß nicht mehr warum, aber ein Typ namens Chris, nach eigenen Angaben Keyboarder bei einer obskuren ortsansässigen Band namens OBSCURA RELIGIO, schiebt mir ihr Album auf den USB Stick, den ich zufällig dabei hatte.
Danach weiß ich nichts mehr, außer dass da Musik darauf wartet, gehört zu werden. Also sitze ich am nächsten Morgen mit Brummschädel (an Schlafen war eh nicht zu denken) mit Rote-Beete-Geschmack im Mund am Küchentisch und lausche der Musik auf dem USB-Stick.
Das Album startet mit einem Intro, das sich "Triebtat" nennt und sehr gut zu einem Jerry Bruckheimer Blockbuster passen würde. Es wirkt durch die Tonfolge und den orchestralen Bombast, der sich als Ohrwurm gefällig in den Gehörgang bohrt, wie die Prélude zum nachfolgenden Lied "Blutantrag". Dort wird diese Melodie, erst durch Gitarre, dann vom Rest der Band unterstützt und zu einem rasenden Black-Metal-artigen Hassklumpen verschmolzen. Der Bombast bleibt und mündet in den nächsten teuflischen Ohrwurm "Eden brennt". Die 2003 gegründete Band aus Coburg schaffte es, trotz vieler Rückschläge, ein stabiles Line-Up auf die Beine zu stellen und ihre eigene Kreation von melodischem Black-Metal zu realisieren. Die Kombination aus traditioneller Instrumentierung und dem Black-Metal Grundgerüst à la DIMMU BORGIR sowie dem strikten Verzicht auf englische Texte sind die Zutaten, die OBSCURA RELIGIO einzigartig machen. Die sozialkritischen und sarkastischen Texte sind in einer Art und Weise verfasst, mit der man Gruselgeschichten zum Besten gibt. Es ist übrigens das erste Mal, dass mir deutsche Texte im Zusammenhang mit Black-Metal zu hören einen riesigen Spaß macht! "Heilige Sünde" beginnt mit einem Violinen-Klavier-Duett, um in einen genialen überwiegend getragen klingenden Part zu münden, dann bombastisch aufwogend und endend mit dem gleichen Violine-Klavier-Duett, jedoch nun noch von einem Frauenchor unterstützt. Besser geht es nicht. Der Text des Songs passt in die Kategorie "Catholic In The Morning - Satanist At Night" von POWERWOLF. "Scherbenwelt" möchte ich zusätzlich zu "Eden brennt" als meine Highlights des Albums hervorheben. Den Abschluss bildet "Viva Franconia" als Hymne auf das schöne Frankenland. Aber so albern das auch sein mag, der Song kommt musikalisch solide rüber, ist clever getextet und sprüht nur so vor Witz und Alkohol.
Zur meiner Verblüffung ist der Sound des kompletten Albums auf sehr hohem Niveau. Man könnte fast von Hollywood-Produktion sprechen, was da im Herbst des Jahres 2011 im Fortefortissimo Studio in Coburg fabriziert wurde. Ich befürchte deshalb, Live-Auftritte mit miesem Sound versalzen den Zuhörern dermaßen die Suppe, dass sie mit den vielschichtigen und abwechslungsreichen Songs der fünf Franken wenig anfangen können.
Der Black-Metal Kreischgesang von Sänger Christian, Nemesis genannt, klingt oft wie das wütende Zischen Gollums aus der Verfilmung von „Herr Der Ringe"! Die Keyboard-Teppiche und Orchestrierung sind präzise und gut durchhörbar, was komplexen Passagen durchaus entgegenkommt. Die Blastbeat- und Doublebass-Attacken kommen wuchtig und passgenau. Die schneidenden Black-Metal Riffs sind genretypisch pfeilschnell und sind technisch anspruchsvoll. Ein Fest für alle Melodic Black Metal-Begeisterten, die mit deutschen Texten kein Problem haben. Es scheint so, als dürfe es gar nicht anders sein.

Ob OBSCURA RELIGION mit ihrem Debütalbum "Rache Sitzt Tief" das Zeug haben, sich aus den Fesseln des Undergrounds zu befreien, liegt jetzt an den Fans und musikbegeisterten Menschen da draußen. Ob ich noch unter dem Einfluss der Coburger Rote-Beete-Muffins stehe und deshalb meine Underground-Metal Entdeckung des Jahres vermute, könnt ihr ja selbst entscheiden. Oder ihr pilgert einfach selbst in den Coburger Musikkeller "Zum Brünnle", um euch dort vor Ort, in einer bierträchtigen Nacht, vom Keyborder Chris das Album persönlich auf den USB-Stick schieben zu lassen. (Andreas)

Kontakt zur Band über: myspace.com/obscurareligio und natürlich facebook.com/pages/Obscura-Religio/158252684221079?fref=ts

Bewertung: 9 / 10
Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: 47:42
Label: Eigenproduktion
Veröffentlichungstermin: 01.12.2011

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden