Kaipa - Vittjar

kaipa_vittjarWenn von bekannten Progressive-Rock-Formationen der Siebziger die Rede ist, fällt der Name KAIPA nur äußerst selten. Kein Wunder, denn Schweden tauchte ernsthaft erst auf der Prog-Landkarte beim großen Revival zu Beginn des Jahrhunderts auf. Dabei führte man kein so Schattendasein, wie man es annehmen könnte, denn gerade die Truppe um Mastermind Hans Lundin brachte eine Reihe namhafter Musiker hervor. Ronnie Stolt (FLOWER KINGS, TRANSATLANTIC) war schon in den Siebzigern dabei, Jonas Reingold (KARMAKANIC, THE TANGENT) ist es heute noch. Dennoch führte das Verbleiben in der Liebhabernische dazu, dass die Band in den Achtzigern und Neunzigern nicht mehr existierte. Doch seit ihrem Deal mit Inside Out veröffentlichen sie kontinuierlich neue Scheiben, das aktuelle Exemplar hört auf den Namen „Vittjar".

Das ist schwedisch und der Titelsong ist auch in ihrer Landessprache gesungen. In der Frühphase von KAIPA war das so üblich, heute gibt es nur noch vereinzelt Stücke, die nicht auf Englisch intoniert werden. Zuerst geht es aber instrumental los, das sich langsam steigernde Intro „First Distraction" eröffnet mit Flöte und bildet das Gegenstück zum abschließenden „Second Distraction".

Dann geht es direkt mit dem ersten Longtrack weiter, vertrackte Riffs, die sich mit der Orgel duellieren leiten „Lightblue And Green" ein. Nicht nur der Einstieg, auch die Melodielinien atmen den Geist der Seventies, alles sehr retro, teilweise fast schon altbacken. In den langen Instrumentalparts geben sich Orgel, Synths und Leadgitarre die Klinke in die Hand. Hierbei werden immer wieder Erinnerungen an die großen Vorbilder wach. Gerade in Sachen Gesangsarrangements blicken des Öfteren YES durch. Lediglich im Refrain geht es ein wenig aggressiver zu, interessanterweise kommen diese Beiträge von der Dame am Mikro.

Doch KAIPA hatten schon immer ihre eigene Note, und die ist vor allem dem starken Folk-Einfluss geschuldet. Der Einstieg des 22-minütigen „Our Silent Ballroom Band" hat nicht nur aufgrund des Gesangs von Aleena Gibson etwas von BLACKMORE´S NIGHT. Dann wechseln sich sphärische Passagen und GENESIS-Instrumental-Ausbrüche ab, wobei die Grundmotive immer wieder auftauchen. Ähnliches gilt für den letzten Longtrack „The Crowned Hillsides". Doch auch die Flöten und Geigen sind immer präsent, verleihen dem ganzen ein klassisch angehauchtes, ja fast barockes Feeling, das die Kapelle des Ex-DEEP PURPLE-Saitenhexers auch versprüht.

Doch nicht nur in den ruhigen Phasen wie beim verhältnismäßig kurzen Titeltrack, sondern auch bei den konzentrierten prägen diese Einflüsse den Sound der Schweden. Diesen versuchen sie so offen wie möglich zu halten, im lässigen „Treasure-House" wartet man sogar mit Reggae-Vibes auf. Die ein wenig an QUEEN geschulten Chöre steigern den ungewöhnlichen Eindruck weiter. Gerade die Gesangsarbeit lebt vom Wechselspiel der Frontfrau, des Bandbosses und Patrick Lundström, die sich gut ergänzen und im mehrstimmigen Bereich toll harmonieren.

Mit „Vittjar" gelingt es dem Musikerkonglomerat ihren ureigenen Stil aus klassischem Prog und Folk noch weiter zu verfeinern. Einiges klingt sicherlich bereits bekannt, und auch die ganz großen Gesten und frischen Ideen fehlen. Aber KAIPA besitzen genügend Erfahrung, um das doch ein wenig biedere Material stark umzusetzen. Nicht nur die verschiedenen Sänger, auch die Instrumentalisten wissen genau, was der Song braucht, hier sind echte Könner am Werk. Dazu kommt, dass die Scheibe trotz der vielen Zutaten homogen klingt, vor allem der warme, differenzierte Sound hält die Kompositionen zusammen. Ob das reicht, um nicht mehr länger nur als Liebhaber-Thema durchzugehen, darf bezweifelt werden, an der Qualität rüttelt dies nicht. (Pfälzer)

Bewertung: 7 / 10

Anzahl der Songs: 8
Spielzeit: 69:15 min
Label: Inside Out
Veröffentlichungstermin: 24.08.2012