Auch als jemand, der seit mittlerweile 12 Jahren Musikkritiken verfasst, erlebt man noch Überraschungen. So geschehen im Falle von SATANINCHEN, der sich tatsächlich daran erinnert hat, dass ich vor fünf Jahren ein Review zu seinem Debüt „Panda Metal Party“ verfasst habe. Schon damals war mir klar, dass der Künstler, welcher eigentlich aus dem Bereich der bildenden Kunst kommt, mit seiner Idee bekannte Schlager auf Black Metal zu drehen, bei nicht wenigen Leuten gewaltig anecken würde. Ich fand es damals schon herrlich und habe mich über Songs wie „Wahnsinn“ von Flanellhemdenträger WOLFGANG PETRY, im Black Metal Sound köstlich amüsiert. Wer bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht merkte, dass SATANINCHEN bewusst übertreibt, dem ist echt nicht mehr zu helfen.
Mittlerweile sind fünf Jahre vergangen und mit „Yeah Evil“ lässt der Berliner nun sein zweites Album auf die Menschheit los. Dieses wurde teilweise durch Crowdfunding finanziert. Entgegen dem derzeitigen Trend wird es das am 22.09. veröffentlichte Zweitwerk vorerst nicht als Download oder Stream, sondern nur in physischer Form geben. Die von SATANINCHEN selbstgestaltete CD kann sich wirklich sehen lassen und überzeugt mit 6-seitigen XL-Digipack und 68-seitigen Booklet.
Gerade hier zeigt der Künstler Mut. Findet man doch im „Blablabla“ betitelten Booklet einige äußerst „aufschlussreiche“ Zitate diverser Medienvertreter. Die zeigen, dass es mit der gerne behaupteten Toleranz der Metalszene dann doch nicht so weit her ist. Adjektive wie „bekloppt“ sind da noch als nett zu betrachten.
Ich möchte mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber wer Satire nicht versteht, sollte einfach einen weiten Bogen um SATANINCHEN und auch „Yeah Evil“ machen. Eingeleitet wird das Album mit dem Ulbricht Zitat: „Er soll doch nicht der ganzen Öffentlichkeit zeigen, wie begrenzt sein geistiges Leben und seine künstlerische Tätigkeit ist…“ Welches SATANINCHEN mit einem ebenso kurzen wie trockenen „Yeah Evil“ kommentiert.
Mit „Panda Metal Party“ gibt es dann die erste Eigenkomposition. Nein, der Künstler hat in den vergangenen fünf Jahren nicht singen gelernt. Der Gesang ist auch 2022 eher ein heiseres Krächzen. Obwohl ich dazu ja so meine Theorie habe. Aber dazu später.
Wenn der Berliner dann mit Grabesstimme den hier in Deutschland von HOWARD CARPENDALE bekannt gemachten UMBERTO TOZI Schmachtfetzen „Ti Amo“ zum Besten gibt, winden sich Schlager- und vor allem „Howie“-Fans sicher vor Schmerzen. Ich winde mich auch.
Allerdings vor Lachen. Das ist dermaßen schräg, dass es schon wieder geil ist. Mit der nächsten Eigenkomposition „Das Große Leiden“ widmet sich SATANINCHEN einer verdrängten Geißel der Menschheit. Diese hört auf den Namen Männergrippe. „Es gibt nur einen Menschen, der noch helfen kann: Schatz, ruf bitte meine Mama an!“ Ich schmeiß mich weg!
Im Anschluss muss man als Hörer sehr stark sein. Da zerlegt der Künstler nämlich genüsslich HEINTJE und sein unerträgliches „Mama“. Die Hymne aller Muttersöhnchen ist im Original kaum auszuhalten. Im Black Metal Gewand wird der Text natürlich auch nicht besser. Die Musik allerdings schon. „Manchmal Möchte Ich Schon Mit Dir“ von ROLAND KAISER wird von SATANINCHEN natürlich auch nicht verschont. Allerdings funktioniert die Nummer erstaunlich gut. „Da Da Da“ von TRIO habe ich schon immer gehasst. Das wird in der SATANINCHEN-Version dann leider auch nicht besser.
Danach huldigt der Maestro gleich in zwei eigenen Stücken seiner Katze. „Felis Catus (Die Gemeine Hauskatze)“ und dem schön fiesen „Gott Muss Eine Katze Sein“ bei dem er gesangliche Unterstützung von Jan Lubitzki (DEPRESSIVE AGE) erhält. Mit „Jugendliebe“ folgt ein Klassiker des Ost-Schlagers, und der gefällt mir in dieser Version richtig gut. Auch wenn Fans des Originals da wohl eher nicht zustimmen werden. Schade, dass es hier wohl kaum zu einem Duett mit der Originalinterpretin UTE FREUDENBERG kommen wird. Auch das Cover von „Freu Dich Bloß Nicht Zu Früh“ ist durchaus gelungen.
Wenn der Künstler bei „Krisensitzung“ „Willst Du auf die Kacke hauen, musst Du einfach Scheiße bauen“ singt, dann möchte ich ihm einfach nur zustimmen. Und ja es gibt tatsächlich Höhepunkte auf „Yeah Evil“. „Krisensitzung“ ist einer davon.
Die größte Überraschung kommt aber zum Schluss. Diese hört auf den Namen „Abschied“ und zeigt SATANINCHEN ungewohnt emotional. Hier muss ich nun noch einmal zu meiner Theorie bezüglich des Gesangs kommen. Denn hier hört man erstmals die echte Stimme des Sängers. Und wer SATANINCHEN nun immer noch für einen schlechten Witz hält, der hat es wohl leider nicht begriffen. Der übertriebene Krächz Gesang, die Schlagercover und der scheinbar schlechte Geschmack des Protagonisten haben Methode.
Der Mann weiß genau, was er tut und macht das ziemlich clever. Ich wage sogar zu behaupten, dass SATANINCHEN richtig singen kann. Wenn er denn will! Und ja, das hier ist Kunst. In einer schrägen, abgedrehten Form aber trotzdem. Das Ganze ist viel zu detailverliebt und auch von Sascha Blach (EDEN WEINT IM GRAB) viel zu gut produziert, um nur ein schlechter Scherz zu sein. Davon zeugt auch der gestiegene Anteil der Eigenkompositionen.
Natürlich ist und bleibt Musik Geschmacksache und polarisieren wird SATANINCHEN auch weiterhin. Das ist ja auch der Sinn und Zweck des Ganzen! Lieben muss man das, was er da macht, nicht. Ernstnehmen sollte man es aber schon. (Matthias)
Bewertung:
8 / 10
Anzahl der Songs: 19
Spielzeit: 71:00 min
Label: theARTer
Veröffentlichungstermin: 22.09.2022