Týr - Hel

tyr helUm TÝR war es jetzt eine ganze Weile still. Früher hauten die Färinger ihre Alben ja im Abstand von höchstens 2 Jahren raus, was der Qualität nicht unbedingt zuträglich war. Zudem waren die Alben mit einer Spielzeit von rund 45 Minuten für meinen Geschmack auch jedes Mal etwas kurz geraten. Mittlerweile ist es gut fünfeinhalb Jahre her, als mit „Valkyrja“ das bisher letzte Album erschienen ist. Angekündigt wurde „Hel“ ja dann auch schon seit Jahren, letztendlich haben sich aber sowohl Aufnahmen als auch Veröffentlichungstermin immer weiter nach hinten geschoben. Was ich persönlich gar nicht mal so schlimm finde, schließlich hat die Band auch an ihrem Meisterwerk „Ragnarok“ mehrere Jahre gearbeitet. Wenn der Lohn des Wartens ein hervorragendes Album ist, dann warte ich gerne.

Und es ist ja auch nicht so, dass die Band in der Zwischenzeit untätig herumgesessen hätte. Es gab mehrere Amerikatouren und auch das Besetzungskarussell hat sich wieder fleißig gedreht. Das letzte Album wurde ja, obwohl Amon Djurhuus Ellingsgaard aushilfsweise hinter den Drums saß, nicht von diesem, sondern von George Kollias eingespielt. Kurz darauf stieß dann Tadeusz Rieckmann als Livedrummer zur Band, die offiziell keinen Drummer hatte. Erst kürzlich wurde er dann hochgestuft und ist nun offizielles Bandmitglied. Dafür hat im letzten Sommer aber Terji Skibenæs das Handtuch geworfen. Mit Attila Vörös, den der ein oder andere noch von NEVERMORE kennen dürfte, hat man dieses Mal sehr schnell Ersatz gefunden. Auf dem Album ist er jedoch noch nicht zu hören, dort spielt noch Terji.

Ebenfalls neu war die Ankündigung, die Heri Joensen irgendwann machte: Es würde auf dem Album auch Growls zu hören geben. Hatte nicht irgendwer irgendwann mal gesagt, er möge keine Growls? Offensichtlich wurde da jemand zurück auf den Pfad der Tugend gebracht. Besagte Growls gibt es dann auch schon gleich im Opener des Albums namens „Gates Of Hel“ zu hören. Das ist jetzt mal was ganz anderes, was man so auch nicht unbedingt erwartet hätte – passt letztendlich aber doch überraschend gut und ist ein interessantes neues Element.

Dafür reist man mit „All Heroes Fall“ quasi in der Zeit zurück, denn das Stück erinnert stark an die guten „Ragnarok“-Zeiten und weist viele der Trademarks auf, die damals schon begeistern konnten. Wie auf allen Alben, so gibt es auch dieses Mal wieder zwei Stücke mit färöischem Text, bei denen man auf den reichen Balladenschatz der Inseln zurückgegriffen hat. „Ragnars Kvæði“ steht ziemlich am Anfang des Albums, „Alvur Kongur“ markiert das Ende des Albums. Wieder hat man beim Arrangement auf Altbewährtes zurückgegriffen – warum auch nicht, schließlich ist hierin das Erfolgsrezept der Band begründet.

Eine weitere Überraschung im positiven Sinne stellt „Downhill Drunk“ dar. Bei der Ankündigung der Songtitel habe ich hier ja erst mal mit den Augen gerollt. Kein Sauflied, bitte! Aber – meine Angst war unbegründet, denn es ist kein Sauflied geworden. Im Gegenteil, mit seinem galoppierenden Rhythmus und vielen progressiven Breaks vereinigt es das Beste aus „Ragnarok“ und „Valkyrja“. Mit „Empire Of The North“ zeigt man im Anschluss, dass man auch richtig düster, ja, fast schon doomig sein kann. Stampfend brechen sich hier die Gitarren Bahn, um dann in einen herrlichen Ohrwurmrefrain überzugehen.

Dass der rohe, leicht growlende Gesang nicht immer funktioniert, das sieht man bei „Against The Gods“. Hier gefällt mir Heri Joensen einfach um länger besser, wenn er clean singt. Die Growls klingen für meinen Geschmack zu gewollt und gezwungen. Und die Drums stehen mir bei diesem Stück auch zu sehr im Vordergrund. Aber irgendeinen Makel muss die Platte ja haben, oder?

Bei „Songs Of War“ liegen chaotische Gitarren über wilden Drums, nur um von Heris ruhiger Stimme wieder gezähmt zu werden. Das gefällt mir von der musikalischen Umsetzung des Themas her sehr gut. Wie mir überhaupt das ganze Album überraschend gut gefällt. Ich muss ja sagen, dass ich mittlerweile überhaupt keine Erwartungen mehr an ein neues TÝR-Album hatte. Ok, das ist gelogen, tief im Inneren habe ich ja doch gehofft, dass es aufgrund der langen Zeit ein Album wird, das wieder mehr Richtung „Eric The Red“ und „Ragnarok“ geht. Auch wenn ich nicht wirklich gewagt habe, diese Hoffnung auch auszusprechen und lieber meine Erwartungen möglichst heruntergeschraubt habe, da mir die letzten Alben nicht mehr so wirklich zugesagt haben. Das war mir einfach zu viel 08/15-Powermetal mit klischeetriefenden Texten.

Dass diese Taktik nicht die schlechteste war, zeigt sich jetzt. Zwar konnte mich die erste veröffentlichte Single namens „Fire And Flame“ (kommt, der Songtitel ist aus der POWERWOLF-Ideenkiste gemopst, oder?) nicht überzeugen, „Sunset Shore“ klang dann aber trotz Balladeneinschlag schon deutlich besser. Und auch das Album hat so einige Durchläufe bei mir gebraucht, bis es wirklich gezündet hat. Aber das ist auch gut so, dann wird es auch nicht so schnell langweilig. Und dass das bei „Hel“ passieren könnte, da habe ich keine Bedenken. Man hat sich auf die alten Tugenden zurückbesonnen, z.B. „Alvur Kongur“ hätte auch auf „Ragnarok“ stehen können. Man ist wieder progressiver und komplexer geworden, hat es aber dennoch geschafft, sich die Eingängigkeit zu erhalten, die man auf den späteren Alben geschaffen hat. So gibt es auf diesem Album auch im x-ten Durchlauf noch neues zu entdecken, während man schon beim zweiten Mal so manch einen Refrain mitsingen kann. Alles richtig gemacht würde ich sagen. Das Warten hat sich gelohnt. (Anne)


Bewertung:

Anne8,0 8 / 10

Anzahl der Songs: 13
Spielzeit: 69:57 min
Label: Metal Blade
Veröffentlichungstermin: 08.03.2019

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