Europe + Stonerider (21.10.2012, Mannheim)

europe_mannheim_flyerEs gibt Bands, da ist es genug, wenn man sie einmal gesehen hat, andere kann man eigentlich nicht genug sehen. Zu letzterer Kategorie gehören eindeutig EUROPE, die ich erst vor einem knappen viertel Jahr auf dem ROCK OF AGES-Festival erleben konnte. Für einige eher nicht nachvollziehbar, reduzieren sie die Band allein auf ihren Jahrhundert-Hit „The Final Countdown". Dabei haben die skandinavischen Hairmetal-Heroen weit mehr zu bieten, alleine das neue Album „Bag Of Bones" birgt noch einige Nummern, die ich gerne auf der Bühne sehen würde. Am letzten Sonntag gaben sie ihr Gastspiel in der „Alten Seilerei" in Mannheim, ein weiterer Grund dorthin zu fahren, weil ich diesen neuen Club noch nicht gesehen habe. Begleitet wurden sie von einer Truppe namens STONERIDER, von der ich im Vorfeld vermutete, dass sie nicht so recht passen würden.

Auch wenn die Schweden heutzutage kleine Brötchen backen müssen, während ihre einstigen Konkurrenten DEF LEPPARD und BON JOVI immer noch große Venues spielen, an ihrer Klasse ändert das nichts. Es ist mir bis heute ein Rätsel, warum man nur Konzertstätten dieser Größenordnung voll bekommt und auf der letzten Tournee sogar Support von GOTTHARD war? Für den Rhein-Neckar-Raum ist die „Alte Seilerei" indes ideal, denn endlich hat man wieder die Möglichkeit vernünftige Livemusik außer den ganz großen Mainstream-Events in der SAP-Arena zu sehen. Die Halle präsentiert sich als ehemalige Industrieanlage, die schon von außen mit der Ziegelsteinfassade den typischen Charme versprüht. Drinnen angekommen fühlt man sich, wenn man zehn Minuten vom Weltkulturerbe „Völklinger Hütte" weg wohnt direkt heimisch, auch hier erscheint das Gebäude sehr charakteristisch.

Hatte die Vorgruppe mit ihrem Namen schon die Hälfte der Karte verraten, so wurde die andere Hälfte spätestens aufgedeckt, als man einen Blick auf das Equipment warf. Wo STONERIDER drauf steht ist auch Stonerrock drin, oder warum nutzt man sonst Orange-Verstärker? Und tatsächlich, als das Trio die Bühne enterte, legte man ohne viel Schnörkel los und servierte dem Publikum eine ordentliche Dröhnung. Die Gitarre röhrte laut, die Hi-Hat rasselte halboffen und die Becken wurden mantra-artig permanent behauen.
Und auch optisch präsentierte man sich sehr stilecht im Seventies-Style, wobei Schlagzeuger Jason Krutzky ein wenig hemdsärmelig rüber kam. Basser Champ Champagne sah so aus, als würde er einen 42-Tonner über die Highways bewegen, wenn er nicht mit der Band on the road ist. Den Mittelpunkt bildete allerdings Gitarrist und Sänger Matt Tanner, der mit seiner wilden Mähne und Sechs-Tage-Bart recht cool wirkte. Seine Präsenz zeigte sich eher in sehr gekonntem und exaltiertem Posing als in einer stattlichen Erscheinung. Er war so spindeldürr, dass selbst eine Stretch-Jeans nicht eng anlag.

Sein Instrument und seinen Gesang beherrschte der Mann aber, auf sein Publikum ging er weniger ein. Die Töne, die er seiner Telecaster entlockte, jagte er erst durch zig Effekte, bevor er sie auf die Zuschauer los ließ. So wabberte der Sound stark verzerrt, was einige im Publikum doch etwas ratlos zurück ließ. Aber ein Stück weit muss das so sein, denke ich, die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Dass es nicht das war, was viele EUROPE-Fans erwarteten war klar, aber die haben eine etwas andere Sichtweise auf den Begriff Rockkonzert, dazu später mehr. Gerne wäre der Viersaiter mal auf seine Bühnenseite gekommen, doch es war einfach zu eng da oben.

So blieb es denn beim Höflichkeitsapplaus, während sich die Band öfter in Ekstase spielte. Nur vergaßen sie dazwischen ein wenig das Tempo heraus zu nehmen, oder besser, es gelang ihnen nicht. Denn auch in Passagen, die ruhiger waren agierte man sehr laut und zerballerte jegliche Dynamik. Dadurch fiel es auch schwer, die Feinheiten bei Songs wie „Rush Hour, Baby" oder „Wild Child" heraus zu hören. Nach dem Konzert traf ich noch Markus Kullmann von VOODOO CIRCLE, ehrlich gesagt, hätten die sowohl qualitativ als auch stilistisch besser dazu gepasst. Nicht, dass STONERIDER schlecht gewesen wären, aber auch nicht wirklich zwingend.

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Doch auch der Mainact machte es seinen Anhängern anschließend nicht gerade leicht. Was mehr deren Verschulden war, denn wenn man sich umhörte, ist das neue Album noch nicht überall angekommen. Wie schon auf den Festivals eröffnete man mit den ersten drei Songs von „Bag Of Bones" und gestaltete die Setlist kaum anders als beim ROCK OF AGES. Damit konnte nicht jeder etwas anfangen, obwohl die Stücke gut ins Ohr gehen. Da war es nicht verwunderlich, dass die ganz große Stimmung zu Beginn ausblieb.
Bevor der erste Klassiker, standesgemäß der Opener von „Out Of This World" angestimmt wurde, musste sich Joey Tempest erst einmal in Animationsspielchen üben. Doch spätestens bei a-capella-Intro ging ein Jubelschrei durch den Saal. Von nun an hatten EUROPE die Menge im Griff. Aber wie vorhin schon angekündigt dividierte sich das Publikum in zwei Fraktionen, von denen diejenige, die nur wegen der Erinnerung an Teenie-Zeiten vor Ort war, die deutlich nervigere darstellte.

Dem Rest war es egal, da wurde mitgesungen und munter gehüpft, auch wenn ich und wohl die Band ebenso da gerne mehr gesehen hätten. Die war erneut blendend aufgelegt, vor allem der Frontmann voller Tatendrang. Ihm schienen die Maße der Bühne eindeutig zu klein zu sein, was ihn nicht davon abhielt ständig unterwegs zu sein. Dazu scherzte er viel, vor allem sein sehr lückenhaftes Deutsch hatte Unterhaltungswert. Immer wieder komisch, wie er sich an einzelnen Wörtern aufhalten konnte, die ihm gut gefielen. „Ausflippen" war eines davon, doch dieser Aufforderung kamen nur wenige wirklich nach. Auch wenn er immer noch gerne den Habitus des ewigen Mädchenschwarms lebt, so ist er stimmlich reifer geworden.

Von seinen beiden Sidekicks war er wieder John Leven weit mehr zugetan, und suchte immer wieder den Kontakt mit seinem Bassisten. Der wiederum, auch wenn er recht ernst wirkte, die Aufmerksamkeit des Publikums. Ständig war er am vordersten Rand der Bühne zu finden und nahm die ersten Reihen mit seinem Langholz ins Visier. John Norum hingegen war auf der rechten Seite wieder in sein Spiel versunken, das abermals brilliant war. Er entwickelt sich immer mehr zu einem echten Bluesman und fühlt jede Note mit. Die Mimik bei seinen Soli, aber auch seine Spielweise, erinnerten sehr stark an den viel zu früh verstorbenen Gary Moore. Dahinter durfte sich der ebenfalls spielfreudige Keyboarder Mic Michaeli bei vielen kleinen Solospots überraschend oft in Szene setzen und lieferte ein paar elektronische Experimente, welche für zusätzliche Atmosphäre sorgten.

Von der Songauswahl wich man kaum von den Gigs im Sommer ab, nur die neue Scheibe steht noch mehr im Fokus. Über die Hälfte der Lieder an dem Abend entstammten den beiden letzten Werken, für einige zu viel des Guten. Dabei konnte sich das Material problemlos in den Reigen der alten Hits einordnen und für jene, die damit vertraut waren, eine willkommene Sache. In der Mitte packte man das gute, alte Akustikset aus, mit dem so manche Hardrockbands schon polarisierte. Doch hier war nicht unbedingt weichspülen angesagt, schon als Norum im Alleingang FLEETWOD MAC covern durfte, zeigte sich, wie sehr man zu den Ursprüngen zurückgeht. In dieser Version legte der Song von „Bag Of Bones" dar, wie nah man damit an LED ZEPPELIN ist.

Soundtechnisch konnte man auch in einem kleinen Club voll überzeugen, da hat man nach der Vorband etwas anders befürchtet. Ein wenig übersteuert war es zwar, aber das kam aufgrund der recht hohen Lautstärke, die alles schön druckvoll transportierte. John Norum schien zwar ein wenig Probleme mit seiner Gitarre zu haben, konnte das aber professionell überspielen. Und am Ende war beim Hitreigen ohnehin jeder glücklich, sogar die letzte brave Hausfrau realisierte, dass sie die Hände zum Klatschen und nicht nur zum in der Handtasche kramen dabei hatte. Da wurde nur noch abgefeiert und mitgesungen, teilweise komplett ohne Band, aber bitte, wer die Texte nicht kennt, der hat die letzten 25 Jahre hinterm Mond verbracht. (Pfälzer)

Setlist EUROPE:
Riches To Rags
Not Supossed To Sing The Blues
Firebox
Superstitious
Scream Of Anger
No Stone Unturned
New Love In Town
Demon Head
  -Akustikset:
 The World Keep On Turning
 Drink And A Smile
 Dreamer-
Bag Of Bones
Girl From Lebanon
Carrie
The Beast
Doghouse
Let The Good Times Rock
Rock The Night
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Last Look At Eden
The Final Countdown

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